55 Kilogramm Marihuana, hier ein Symbolfoto, sowie ein Kilogramm Kokain soll der 34-jährige Mark B. aus einem Ort im Umland von Villingen-Schwenningen im Jahr 2020 in Umlauf gebracht haben. Foto: chuck herrera/Pixabay

55 Kilogramm Marihuana sowie ein Kilogramm Kokain soll der 34-jährige Mark B. aus einem Ort im Umland von Villingen-Schwenningen im Jahr 2020 in Umlauf gebracht haben. Am Freitag ist vor dem Landgericht Konstanz der auf drei Verhandlungstage ausgelegte Prozess eröffnet worden.

Villingen-Schwenningen/Bad Dürrheim/Donaueschingen - Die Staatsanwaltschaft wirft dem seit Oktober 2021 in Untersuchungshaft einsitzenden 34-Jährigen in ihrer Anklage vor, in vier Fällen unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge betrieben zu haben. Zwei seiner Komplizen wurden bereits in einem getrennt geführten Verfahren zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

EncroChat bringt Ermittlungsbehörden auf die Spur des Angeklagten

Der Angeklagte war dem Zollfahndungsamt Stuttgart als mutmaßlicher Dealer bekannt geworden, nachdem durch die französische Justiz den deutschen Behörden entsprechende Chat-Daten übermittelt worden waren. Von Anfang April bis Ende Juni 2020 hatten Spezialisten aus Frankreich die Kommunikation von über 32 000 EncroChat-Kunden in 121 Ländern abgeschöpft und an einen Behördenserver weitergeleitet. Den französischen Ermittlern war es zuvor gelungen, auf dem Server des Kryptohandy-Anbieters EncroChat eine Trojaner-Software zu installieren. Dadurch konnten Millionen von Chatnachrichten ausgelesen werden und die Kommunikationsinhalte landeten in der Folge über Europol beim Bundeskriminalamt sowie bei der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt. Ein schwerer Schlag gegen Kriminelle und auch gegen die organisierte Kriminalität, der sich jetzt in tausenden von Ermittlungs-und Strafverfahren im gesamten Bundesgebiet widerspiegelt. Bislang sind deutschlandweit hunderte von Haftbefehlen vollstreckt worden, und viele der bislang identifizierten Beschuldigten sitzen in Untersuchungshaft oder wurden bereits verurteilt.

Lieferungen ins Städte-Dreieck VS, Bad Dürrheim und Donaueschingen

Nach Auswertungen dieser EncroChat-Inhalten sollen zwischen März und Juni 2020 etwa 145 Kilogramm Marihuana sowie drei Kilogramm Kokain von einem bislang unbekannten Lieferanten aus dem Kölner Raum mit einem Kurier an verschiedene Orte in Villingen-Schwenningen, Bad Dürrheim und Donaueschingen an einen Komplizen des Angeklagten geliefert worden sein. Im Anschluss soll der 34-Jährige davon jeweils die ihm zur Last gelegten Mengen des Rauschgifts zur Weiterverwertung erhalten haben.

EncroChat war ein seit dem Jahr 2016 in Europa ansässiger Dienstleistungsanbieter, der als Messengerdienst Lösungen für Ende-zu-Ende verschlüsselte Instantmessenger und Endgeräte (sogenannte Krypto-Handy) anbot. Benutzer entrichteten für die Nutzung des Dienstes vierteljährlich

einen Betrag von etwa 1000 Euro. Im Juni 2020 erfolgte die Auflösung von Encro-Chat.

Verteidigung bringt mehrere Anträge ein

Die beiden Verteidiger des Angeklagten erklärten, dass ihr Mandant von seinem Schweigerecht Gebrauch werden wird und schoben gleich darauf insgesamt fünf Beweisanträge nach. Schwerpunkt dieser Anträge war das verdeckt geführte Verfahren der französischen Ermittlungsbehörden und die Weitergabe der daraus erlangten Beweise an die deutschen Behörden. Nach Ansicht der Verteidigung hätte im Nachhinein das Rechtshilferecht für das gegen ihren Mandanten gerichtete Ermittlungsverfahren nicht herangezogen werden dürfen. Zusammenfassend hätten sich die durchgeführten Maßnahmen der französischen Behörden grundsätzlich gegen Nichtverdächtige gerichtet, entsprächen somit nicht der deutschen Rechtsordnung und würden dementsprechend einem Beweisverwertungsverbot unterliegen.

Rechtsgespräch zwischen den Verfahrensbeteiligten

Während einer Sitzungsunterbrechung erfolgte ein Rechtsgespräch zwischen den

Verfahrensbeteiligten, das die Bewertung eines Verwertungsverbots der aufgeführten Beweise und eine Beschleunigung des Verfahrens zum Inhalt hatte. Da eine Verständigung nicht zustande kam, wurde der Prozess in der vorbereiteten Form fortgesetzt.

Zollfahnder identifizieren den Angeklagten

Am Nachmittag des ersten Prozesstages schilderten die ermittelnden Zollfahnder wie sie den Angeklagten und seine Komplizen identifizieren konnten. Die Fahnder hatten GEO-Daten sowie die Kommunikationsinhalte der Chat-Beiträge akribisch ausgewertet und konnten dadurch die Zuordnung der benutzten Tarnnamen zur Identität der handelnden Personen sowie zum Angeklagten erzielen. Entgegen üblicher Verhaltensweisen hatten sich die Beschuldigten im Encro-Chat, in der vermeintlichen Annahme in diesem Chat-Bereich von Ermittlungsbehörden unantastbar zu sein, erstaunlich offen über ihre Geschäfte ausgetauscht. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.