Nach dem Stellwerksdebakel von Mainz wollen Bahn und die Gewerkschaft EVG gemeinsam den kompletten Personaleinsatz des Konzerns überprüfen.
Frankfurt/Main - Nach dem Debakel von Mainz wollen Bahn und die Gewerkschaft EVG gemeinsam den kompletten Personaleinsatz des Konzerns überprüfen.
Sie einigten sich am Mittwochabend in Frankfurt darauf, die gerade laufenden Personalplanungen für das kommende Jahr in sämtlichen rund 400 Konzernbetrieben gemeinsam mit den Beschäftigten zu überprüfen. Die bis Mitte Oktober zu erarbeitenden Ergebnisse sollen am 4. November in gleicher Runde von Betriebsräten und Personalvorständen erneut diskutiert werden.
Überstunden sollen abgebaut werden
Überstunden sollen möglichst komplett abgebaut und gewährte Urlaubs- und Ruhetage auch eingehalten werden. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft rechnet nach den Worten ihres Chefs Alexander Kirchner mit zusätzlichen Einstellungen. Er wollte sich nicht auf eine genaue Zahl festlegen. Man habe bewusst darauf verzichtet, wie auf einem Basar um Zahlen zu feilschen. "Wir haben uns vorgenommen, gemeinsam daran zu arbeiten, dass sich ein solches Debakel nicht wiederholt", sagte Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber. Der Prozess werde zeigen, wo Neueinstellungen notwendig seien.
Anlass für die Verhandlungen waren massive, seit Wochen anhaltende Probleme im Stellwerk Mainz, wo nicht genügend Fahrdienstleiter vorhanden sind. "Mainz ist die Spitze des Eisbergs", sagte Kirchner. Konzernweit seien 8 Millionen Überstunden und 9 Millionen Stunden ausstehender Urlaub aufgelaufen.
Weber wehrte sich gegen den Vorwurf, bei der Bahn gebe es gar keine Personalplanung. Man nehme den demografischen Wandel ernst, was sich in 20.000 Neueinstellungen in den vergangenen Jahren zeige. Allein im ersten Halbjahr 2013 habe die Bahn 2000 neue Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen. Im Inland beschäftigt die Deutsche Bahn AG mehr als 194.000 Menschen, weltweit sind es rund 300.000.
SPD: Bahn soll auf Dividende vom Bund verzichten
Ein von der FDP wieder ins Gespräch gebrachter Börsengang stieß bei Union und Bundesregierung auf Ablehnung. Die SPD forderte angesichts der Probleme einen Verzicht auf die von der schwarz-gelben Koalition eingeführte Dividende von rund 500 Millionen Euro, die die Bahn jährlich an den Bund zahlen muss. Die Regierung erwartet, dass die Bahn die Beeinträchtigungen für die Fahrgäste rasch in den Griff bekommt.
Der Bund als Bahn-Eigentümer plant weiterhin keinen Börsengang. Die Bemühungen für eine Teilprivatisierung der Transportsparten des Konzerns seien in dieser Legislaturperiode nicht fortgesetzt worden, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Es gebe hier keine Veränderungen. Mit Blick auf die Probleme am Stellwerk in Mainz liege zudem in einer Privatisierung "nicht das Mittel, mit dem man die derzeitige äußerst ungute Lage löst".
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler sagte dagegen, ein Börsengang könne zu einer Verbesserung von Effizienz und Kundennähe beitragen. "Eine Privatisierung kann helfen, aber das ist derzeit eher ein Führungsproblem als eine Frage der Unternehmensform", sagte der FDP-Chef der "Neuen Westfälischen".
Die EVG hielt der Bahn vor, den aktuellen Engpass im Stellwerk selbst angeordnet zu haben. Nach einem Beinahezusammenstoß zweier S-Bahnen am 1. August sei die Arbeitsbelastung der Fahrdienstleiter reduziert worden, um sich gegenüber Staatsanwaltschaft und Eisenbahnbundesamt keine Blöße zu geben. Einen Zusammenhang zwischen der Unterbesetzung und dem Beinaheunfall vom Monatsbeginn sieht EVG-Chef Kirchner aber nicht: "Das wäre nach unserer Einschätzung auch passiert, wenn dort fünf Fahrdienstleiter gesessen hätten." Die Bundespolizei hat ihre Ermittlungen noch nicht abgeschlossen.
Die EVG kritisierte auch Bahnchef Rüdiger Grube, weil er Stellwerksmitarbeiter in deren Urlaub angerufen hatte. "Dass Mitarbeiter, die dringend Urlaub brauchen, vom obersten Konzernlenker persönlich angerufen werden, halte ich für ein Ding der Unmöglichkeit", sagte Kirchner. Die Bahn verteidigte die Telefonaktion. "Im Interesse unserer Kunden, des Unternehmens und aller unserer über 300 000 Mitarbeiter hat er eine Handvoll Kollegen in Mainz angerufen, und sie darum gebeten, sich zu überlegen, ob sie nicht ihren Urlaub verschieben könnten", sagte Konzernsprecher Oliver Schumacher. "Ausdrücklich sollten sie eine Nacht darüber schlafen."