Gute Miene trotz Schweigepflicht der Verwaltung und einem Berg von Anträgen der Fraktionen: Finanzbürgermeister Michael Föll (li.) und OB Fritz Kuhn am Donnerstag im Gemeinderat. Foto: Leif Piechowski

Das Ringen um den Kurs in der Stadtpolitik der nächsten zwei Jahre ist eröffnet. Am Donnerstag haben die Fraktionen klar gemacht, wovon sie sich in den Beratungen über den Stuttgarter Stadthaushalt 2014/2015 leiten lassen wollen. Ein Hauptstreitpunkt wird die Verkehrspolitik sein.

Stuttgart - OB Fritz Kuhn (Grüne) fiel es schwer, den Mund zu halten. Mit dem Vorwurf, die vom OB geplante Förderung von Jobtickets für städtische Mitarbeiter sei Verschwendung öffentlicher Mittel, hatte CDU-Fraktionschef Alexander Kotz Zündstoff angehäuft. Mit Wahlkampf habe das nichts zu tun, behauptete er. Kuhn wurde immer unruhiger. Die Aussprache zum Etat ist aber die Stunde der Fraktionen. Daher sagte Kuhn nur: „Eines hat Herr Kotz auf jeden Fall geschafft: dass es mir jetzt noch schwerer fällt, still zu sein, als ich dachte.“ Die Fraktionen stellten 486 Haushaltsanträge, ausgedruckt auf 171 000 A-4-Seiten. „Ich will das besser nicht in Bäume umrechnen“, sagte Kuhn. Die Reden konzentrierten sich auf einige Themenbereiche.

Verkehr

Dass der Themenkreis Mobilität zum Hauptkonfliktpunkt werden würde, war seit Tagen klar. Die konservativ-bürgerlichen Fraktionen, die im Gemeinderat knapp in der Minderheit sind, wollen die Versorgung der Autofahrer mit Parkplätzen im Stadtzentrum nicht einschränken lassen. Die Zukunft der Rathausgarage, die nach dem Vorschlag der Verwaltung abgerissen und durch einen Neubau mit rund 160 Stellplätzen weniger ersetzt werden soll, ist zum Symbol dieser Auseinandersetzung geworden.

Ausgerechnet hier sind sich die Grünen und die SPD, die das Vorhaben im Kern mehr oder weniger unterstützen, aber nicht der Unterstützung ihres gewohnten Mehrheitsgaranten SÖS/Linke sicher. Wie die Abstimmung am Ende ausgehen wird, ist offen.

Natürlich wird auch von der Beteiligung der Stadt an Stuttgart 21 und vom Bau des Rosensteintunnels für die Bundesstraße 10 wieder viel die Rede sein. Mit dem Verlust der Mehrheit für beide Projekte ist aber nicht zu rechnen. Die Erweiterung des Parkraummanagements – also der Gebührenpflicht und der Kontrolle von Parkplätzen – über Stuttgart-West hinaus, ist grundsätzlich mehrheitsfähig. Die Freien Wähler versuchen aber, das Programm zu strecken. Die Überlegung, für die Reparatur der vielen maroden Straßen mehr Geld aufzuwenden als bisher eingeplant, ist konsensfähig von links bis ganz rechts zum Rep-Einzelstadtrat Dr. Rolf Schlierer, der eine Verschlechterung der kommunalen Finanzen befürchtet.

Bildung und Betreuung

Jenseits der Verkehrsproblematik sind die ganz großen Aufgaben und Kostenblöcke im kommenden Stadthaushalt klar. Ein riesiges Sanierungsprogramm für die lange vernachlässigten Schulbauten bindet viel Geld. Dazu kommen Investitionen, die vom Umbau und der Erneuerung des Schulsystems herrühren, sowie der massive Ausbau der Kinderbetreuung. Das wird in zwei Jahren um die 250 Millionen Euro erfordern. Beim Vergleich der insgesamt mehreren Hundert Anträge von sechs Fraktionen zeichnet sich ab, dass einige kleinere, aber gleichwohl bedeutende Vorhaben mehrheitsfähig werden könnten.

Das sind die Erweiterung der Schulsozialarbeit auf weitere Schulen und die Einbeziehung der Gymnasien, die Verstärkung der Sprachförderung für Kinder mit und ohne Migrationshintergrund, außerdem flexiblere Öffnungszeiten bei der Kinderbetreuung. Auch Angebote am Wochenende werden ein Thema werden. Bis hin zu den Freien Wählern gibt es den Wunsch, sich ohne ideologische Scheuklappen nach den Bedürfnissen der Eltern zu richten.

Personal

Am Ende der Beratungen wird eine kräftige Aufstockung der städtischen Belegschaft beschlossen werden. Etwa 110 zusätzliche Stellen hat die Verwaltungsspitze vorgeschlagen – der Gemeinderat wird wohl noch eins draufsetzen. Kandidaten für die Verstärkung sind unter anderem das Baurechtsamt, das Ordnungsamt, das Planungsamt, das Gesundheitsamt, das Hoch- und vielleicht auch das Tiefbauamt.

Nach der Aussprache stehen nicht öffentliche Beratungen – vom 11. bis 26. November sowie vom 9. bis 12. Dezember – an. Am 19.  Dezember (ab 16.30 Uhr) entscheidet der Gemeinderat öffentlich über die Stellen, am 20.  Dezember (ab 8.30 Uhr) soll er den Haushalt beschließen.