Wer ist für den Koalitionsvertrag? Auch Generalsekretär Hermann Gröhe, die amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie Unionsfraktionschef Volker Kauder (von links) stimmen auf dem Kleinen CDU-Parteitag dafür. Foto: dpa

Im CDU-Bundesausschuss bringt die Kanzlerin den Koalitionsvertrag am Ende locker durch.

Im CDU-Bundesausschuss bringt die Kanzlerin den Koalitionsvertrag am Ende locker durch.

Berlin - Die Revolution fand im Saale statt. Nein, sie fand gar nicht statt. Nicht mal eine kleine Rebellion. Kein Aufstand, keine Abrechnung. Nichts.

Das ist eigentlich keine Überraschung. Die CDU hat sich immer als Machtmaschine verstanden, und die läuft und läuft und läuft – auch am Montag, als die rund 200 Delegierten des CDU-Bundesausschusses formell über die Annahme des Koalitionsvertrags mit der SPD beschließen mussten. Dabei schienen diesmal die Zeichen auf Streit zu stehen, denn die Kanzlerin kam im Vorfeld des kleinen Parteitags gleich von zwei Seiten unter Druck.

Da war der Wirtschaftsflügel der Partei. Die Vorsitzenden des CDU-Wirtschaftsrats, der Mittelstandsvereinigung und des Parlamentskreises Mittelstand, Kurt Lauk, Carsten Linnemann und Christian Freiherr von Stetten, kündigten an, diesen Koalitionsvertrag nicht zu unterstützen. Lauk kritisierte, der Mindestlohn werde Jobs kosten. Linnemann nannte es eine „Enttäuschung auf ganzer Linie“, dass der Vertrag nichts zur kalten Progression sagt, und von Stetten verstieg sich zur gewagten Formulierung, das Rentenpaket sei ein „Verbrechen an der nächsten Generation“.

Und dann waren da noch die Jungen in der CDU. Die hatten am Wochenende ein kleines Manifest zu Papier gebracht, in denen sie eine „Agenda 2020“ fordern, und davor warnen, dass der geplante Rentenkurs die „Erfolge der letzten 15 Jahre gefährden“ könne.

Das hätte also ungemütlich werden können für die Kanzlerin. Aber die Kenner der Partei blieben da ganz ruhig. Der erfahrene Sozialexperte Peter Weiß gab allzu aufgeregten Beobachtern den guten Rat abzuwarten, „wer da bis zum Ende noch steht“.

Merkel verteidigt den Koalitionsvertrag

Angela Merkel konterte kühl, indem sie in ihrer Rede die Erfolge der CDU aufzählte: Ein Plus von 7,7 Prozent bei der Bundestagswahl, der höchste Zuwachs einer Partei seit 1953. Drei Millionen neue Wähler, 236 von 299 Direktmandaten. Die Botschaft war unmissverständlich: Das war ihr persönlicher Erfolg, und es braucht Mut, ihr angesichts dieser Ausgangslage mit Kritik das Leben schwer zu machen. Die hält sie ohnehin nicht für stichhaltig. Die Interessen der Jungen seien nicht berücksichtigt? Da zählt sie auf: Mehr Geld für die Kommunen, für den weiteren Kita-Ausbau, für Bildung, Forschung und die Hochschulen. Und kein wirtschaftspolitisches Profil? Die beim Mindestlohn gefundene Regelung halte sie „nicht für unzumutbar“. Und von den Skeptikern in Sachen Energiewende verlangt sie eine Antwort darauf, „wie wir für mehr auch Mehrheiten bekommen hätten“. Am Ende müsse man eben eine Gesamtschau vornehmen. Ihre Einschätzung sei: „Mit diesem Koalitionsvertrag kann es den Menschen 2017 besser gehen als heute.“

Dann die Aussprache. Jetzt wäre die Zeit für die Attacke gekommen. Philipp Missfelder tritt zuerst ans Rednerpult. Der Chef der Jungen Union. Aber der hat gerade erst das Mikrofon zurecht gerückt, da weiß der Saal schon, dass er dem Koalitionsvertrag zustimmen werde. Auch wenn er befürchte, dass die Rente mit 63 „das falsche Symbol setzt“, nämlich „die Verlagerung der Kosten auf die junge Generation“.

Dann kommt Kurt Lauck. Der ist kein Delegierter, kommt also nicht in die Verlegenheit, sein Stimmverhalten offenzulegen zu müssen. Das lockert die Zunge. Bei der Energiewende sei der „Ausknopf für die Subventionsmaschine“ nicht gefunden worden“. Und die Stärkung des Wirtschaftsstandortes gehöre laut Vertrag „nicht zu den prioritären Aufgaben“. Nur war Lauk nicht eben gut vorbereitet, meinte er doch bei der Rente mit 63 würden bis zu 20 Jahre Arbeitslosigkeit mit angerechnet. Was einfach nicht stimmt und dem Redner heftige Reaktionen aus der Zuhörerschaft einbrachte.

Kritik an Mütterrente zur Kenntnis genommen

Kritik an Mütterrente zur Kenntnis genommen

Ohnehin sprach der Wirtschaftsflügel der Union durchaus nicht mit einer Stimme. Reinhard Göhner, CDU-Mitglied und Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände, schrieb den Kritikern nicht nur ins Stammbuch: „Der teuerste Punkt im Rentenpaket, die Mütterrente, kommt aus der Union.“ Er fand auch die Kompromisse beim Mindestlohn „vertretbar“. Überhaupt warnte er davor, die Rolle eines Koalitionsvertrags zu überschätzen. Der sei „eine Gebrauchsanweisung für die ersten hundert Tage einer Regierung“. Mehr nicht.

Dennoch hat sich die Kanzlerin ein wenig bewegt. Die Kritik der Jungen an der Mütterrente hat sie durchaus registriert und erkannt, dass sie Druck aus dem Kessel nehmen musste. Wenn es so weit komme, dass die Kosten für die Mehrausgaben bei der Mütterrente den schon heute fließenden Zuschuss aus Steuermitteln übersteige, dann könne man auch über eine Erhöhung des Bundeszuschusses reden. Ein gezielter Schritt in Richtung der Kritiker, die beklagen, dass die Besserstellung der Mütter, die nach 1992 Kinder geboren haben, aus der Rentenkasse bezahlt werden soll.

Und geschickt setzte sie den indirekten Hinweis, dass auch sie die große Koalition nur für ein Projekt auf Zeit hält. Sie wünsche der FDP den Wiedereinzug in den Bundestag, ließ sie wissen. Und sie merkte höchst gezielt an, dass es die Grünen waren, die die Sondierungsgespräche abbrachen, nicht die Union. Tatsächlich sei man mit den Grünen „selten so intensiv im Gespräch gewesen“.

Rückzugsgefechte der Delegierten

Die Delegierten nahmen das alles dankbar zur Kenntnis. Der eine oder andere kündigte noch an, im Laufe der Gesetzgebungsverfahren zu Mindestlohn oder Rentenpolitik für eine andere Linie zu kämpfen. Aber das schienen dann doch eher Rückzugsgefechte gewesen zu sein.

Aber immerhin fällt manchen in der Partei auf, dass es nicht so verkehrt sein kann, wie derzeit die SPD um Politik und Koalition ringt. Vor allem schwarz-roten Anfang liegt immer noch das Votum der 475 000 SPD-Mitglieder, die über den Koalitionsvertrag abstimmen. Carsten Linnemann forderte, dass das nächste Wahlprogramm der Union auf einem „Wahlprogramm-Parteitag“ erarbeitet und verabschiedet werde. Eine Meinung, die auch in Kreisen des Parteivorstands Unterstützung findet.

Aber das ist Zukunftsmusik. In der Gegenwart wird regiert. Möglichst reibungslos. So funktioniert eine Machtmaschine. Ach ja, bleibt noch die Antwort auf die Frage von Peter Weiß, „wer am Ende noch steht“. Niemand. Es gab keine Gegenstimme und zwei mutige Enthaltungen.