John Lydon, der sich früher Johnny Rotten nannte, ist immer noch ein zorniger Mann. Foto: imago/Pacific Press Agency/Michael Nigro

John Lydon, der Ex-Sänger der Sex Pistols, schimpft auf „End of World“, dem neuen Album seiner Band Public Image Ltd., über den Zustand der Welt.

Für zärtliche Liebeserklärungen ist dieser Mann nicht bekannt. Als Sänger der Sex Pistols war er 1976 der Posterboy des Punkrock, der das Britische Königshaus und die Regierung als Faschisten beschimpfte („God Save the Queen“) und sich selbst zum zerstörungswütigen Antichristen ernannte („Anarchy in the U. K.“). Und auch der größte Hit seiner Band Public Image Ltd. (PiL), die er bereits 1978 gründete, war und ist immer noch das störrisch aufstampfende Anti-Liebeslied „This is not a Love Song“ aus dem Jahr 1984.

 

Der ESC-Song „Hawaii“ ist ein Fremdkörper

John Lydon (zweiter von rechts) mit den Sex Pistols (von links: Steve Jones, Sid Vicious, Paul Cook) im Jahr 1977 Foto: imago//LFI

Dass dieser wunderbare Griesgram namens John Lyden, der sich früher Johnny Rotten nannte, in diesem Jahr für Irland beim Eurovision Song Contest antreten wollte – und das auch noch mit einem Liebeslied –, verstörte und überraschte so sehr, dass er mit „Hawaii“ schon beim Vorentscheid scheiterte. Das Lied passt zwar gar nicht zu PiL, weil es sich als zart-wehmütiger, mit Softpop-Harmonien verzierter Liebesbrief an Lydons Frau erweist, hat es trotzdem auf dieses Album geschafft. Und es beschert „End of World“ einen versöhnlichen Schluss. Doch obwohl Lydon das Album Forster Nora Forster widmet, seiner Frau, die 2018 an Alzheimer erkrankte und im April dieses Jahres starb, bleibt dieser zärtliche Moment ein Fremdkörper auf der Platte.

Lydon taugt auch mit 67 nämlich noch als Vorzeigepunk. Er ist weiterhin der wunderbare Nörgler mit der meckernden Stimme, die noch fast so klingt wie zu Sex-Pistols-Zeiten. Etwa, wenn er in „L F C F“ behauptet, die mächtigen der Welt seien allesamt Lügner und Betrüger und im Refrain skandiert: „Liars Fakes Cheats and Frauds!“

Verbitterte Abrechnungen

Seine Musik klingt allerdings schon lange nicht mehr nach knuffigem Punkrock, sondern nach widerspenstigem, mit Dub und Funk aufgeladenem Postpunk, der sich in Endlosschleifen austobt. Etwa im Song „End of the World“: Nach einem wilden Gitarrenriff-Intro finden Schlagzeug und Bass zu einem grimmig-zähen Beat zusammen, der gar nicht mehr aufhören zu wollen scheint, obwohl Lydon warnt, dass der Weltuntergang unmittelbar bevorsteht: „No surrender, no cowards here, it’s the end of the world!“

Zwar ist auf dem Album auch Platz für „Walls“ und eine dezente Funkgitarre, für den fiesen Ohrwurm „The Do That“ und für das das jazzig synkopierende„Dirty Murky Delight“, bei dem Lydon ein bisschen wie Ian Dury klingt. Vor allem aber bietet das Album mürrisch-bösartige Songs, die sich im Kreis drehen: Wie „End of the World“ sind „Welcome to the Penge!“ oder „Being Stupid Again“ verbitterte Abrechnungen eine Berufsprovokateurs.

Das Cover des neuen Albums von PiL Foto: PiL/Cargo

Public Image Ltd.: End of World. PiL/Cargo.

Tournee: John Lyden gibt mit Public Image Ltd. im Rahmen der „End of World“-Tour im Herbst vier Konzerte in Deutschland: Am 2. Oktober tritt die Band in Köln in der Kantine auf, am 6. Oktober in Stuttgart im Wizemann, am 8. Oktober in Hamburg im Grünspan und am 15. Oktober in Berlin im Metropol.