Das Besucherinteresse an Caravans und Wohnmobilien bei der Reisemesse CMT ist groß. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die Auftragsbücher der Reisemobil- und Wohnwagenhersteller sind voll wie nie – und das Image aufpoliert. Viele präsentieren sich bei der Reisemesse „Caravan Motor Touristic“ (CMT) in Stuttgart.

Stuttgart - Das Lächeln ist zurück beim Caravan-Hersteller Hymer. Noch vor ein paar Jahren standen im Zuge der Finanzkrise die Fahrzeuge wie festgeschweißt auf den Höfen der Vertragshändler. Gleich zwei Sozialpläne sollten den Verlusten durch den Konjunkturabschwung entgegen wirken, und als 2013 Unternehmensgründer Erwin Hymer in Bad Waldsee (Kreis Ravensburg) starb, schien die Zukunft des europäischen Marktführers ungewisser denn je. Dann kam es zu einem Bekenntnis der Familie. Gerda Hymer sowie ihre Kinder Carolin und Christian übernahmen nach einem Squeeze-out der Kleinanleger alle Aktien am Unternehmen.

Nun, im 60. Jahr der Unternehmensgeschichte, ist die Wende schneller gelungen, als es vorhersehbar war. Die Auftragsbücher der Hymer-Gruppe mit ihren 17 Marken sind so voll wie nie zuvor. Der Vorstandsvorsitzende Martin Brandt rechnet bis Jahresende mit einer um 20 Prozent gesteigerten Produktion von 50 000 Fahrzeugen und einem Umsatz von zwei Milliarden Euro. Die Reisenden, so Brandt, suchten in Zeiten des Terrors Sicherheit. Die Folge: Ein großflächiger Umstieg vom Flugzeug ins eigene Reisemobil oder in den Wohnwagen. „Von dieser Neuorientierung profitiert aktuell der gesamte Markt, ganz besonders aber die Hymer Group“, sagt Brandt.

Der Wertverlust von Reisemobilen ist gering

Jubelartige Stimmung herrscht beim niederbayerischen Hersteller Knaus Tabbert. Der Geschäftsführer Wolfgang Speck spricht von 2016 als dem „erfolgreichsten Jahr der Unternehmensgeschichte“. Der Umsatz lag bei 410 Millionen Euro, die 1766 Mitarbeiter haben 16 400 Fahrzeuge gebaut. Die Rekordjagd soll weiter gehen. Der aktuelle Auftragsbestand verheißt eine Produktion von 20 600 Reisemobilen und Wohnwagen bis Ende des laufenden Jahres. Ein Umsatz von 530 Millionen Euro sei „in greifbarer Nähe“, so Speck. Nicht nur die Terrorangst, auch eine allgemeine „höhere Investitionsbereitschaft“, heißt es aus dem Unternehmen, spielt den Herstellern in die Karten. In Zeiten, da der überwiegend betuchten Kundschaft die Anlagemöglichkeiten ausgegangen sind, wird bevorzugt auch in Fahrzeuge investiert, mit denen sich die Begriffe Erholung, Komfort und Freiheit verbinden. Und Wertstabilität gibt es dazu. Nach Angaben des deutschen Caravaning Industrie Verbandes (CIVD) mit Sitz in Frankfurt besitzt ein Reisemobil nach zehn Jahren Nutzungszeit noch einen Verkaufswert in Höhe von rund 70 Prozent des Anschaffungspreises.

Der Verband bemüht sich, den frischen Rückenwind für die Hersteller nicht nur als ein Produkt globaler Terrorangst, sondern eigener unternehmerischer Bemühungen darzustellen. Der Urlaub mit dem eigenen Reisemobil habe sein „Proletenimage“ verloren, sagt Verbands-Vorstand Holger Siebert. Die Mobilurlauber auf vier Rädern würden anders gesehen werden als früher, wo häufig gelästert worden sei: „Die sitzen da und essen Ravioli“. Der Urlaubs- und Freizeitforscher Martin Lohmann erkennt im Caravan-Urlauber der Moderne sogar einen eher überdurchschnittlich gebildeten Menschen mit vergleichsweise „höherem Anspruchsniveau“. „Sie bleiben nicht in ihren Autos sitzen, sondern sie rennen, schwimmen, laufen, fahren Fahrrad.“

Der neue Fahrtwind zieht Newcomer an

Das Luxussegment innerhalb der Branche profitiert ebenfalls vom frischen Fahrtwind. Der hochpreisige Nobelhersteller Carthago mit Sitz in Aulendorf (Kreis Ravensburg) hat im vergangenen Jahr 255 Millionen Euro umgesetzt. Aktuell peilt das Unternehmen mit 1100 Mitarbeitern am Firmensitz „Carthago-City“ den Rekordbau von 5000 Fahrzeugen an.

So glänzende Aussichten rufen neue Spieler aufs Feld, zum Beispiel den unterfränkischen Softwareunternehmer Michael Ebner. Der 43-Jährige passionierte Reisemobilfahrer hat früh erkannt, dass für große Reisemobile geeignete Campingplätze in Mittelwesteuropa mindestens ein halbes Jahr im Voraus ausgebucht sind. Vor zwei Jahren plante er auf Basis eines Mercedes Actros sein eigenes Fahrzeug, nannte es „Magellano“ und ließ alles einbauen, was er bei den ihm bekannten Modellen vermisste: Zwei ausfahrbare Wohnelemente, die das Mobil im Stand um bis zu 1,50 Meter verbreitern, Doppelglasfenster, Tapetenwände, eine farbenumspielte Wohlfühldusche oder, wegen der Einbrecher, Rauchgas-Warndetektoren. 680 000 Euro Euro verlangt Ebner für sein Modell. Da sei dann aber auch alles drin, sagt er. Seine Käufer stellt er sich vor als „mittelständische Unternehmer, um die 50 Jahre, bis 200 Mitarbeiter, 25 bis 30 Millionen Euro Umsatz“.

Hymer hat bereits ein selbstfahrendes Reisemobil im Testbetrieb

Komplizierte Digitalsteuerungen lehnt Ebner ab, weil: „Auch ein Elektriker in Griechenland muss bei mir eine Reparatur machen können.“ In diesem Punkt liegt der Newcomer allerdings keineswegs im Trend. Die Hersteller investieren ihre Gewinne kräftig in neue Technologien. Knaus Tabbert etwa treibt den Leichtbau von Wohnwagen voran, damit sie auch von kleineren Elektroautos gezogen werden können. Und Hymer testet in Nordamerika aktuell das weltweit erste autonom fahrende Reisemobil im öffentlichen Straßenverkehr. Nicht auszuschließen, dass darin trotzdem noch Ravioli zubereitet werden können.