Frühlingsfest als Test fürs Volksfest: Bald werden Maßnahmen zum Lärmschutz ausgelotet Foto: dapd

Stadträte machen Druck: Wasen-Wirte werden die Lautstärkeregler zurückdrehen müssen.

Stuttgart - Auch im Rathaus ist es am Dienstag laut zugegangen. Die Stadträte stritten darüber, ob und wie viele Wohnungen auf dem alten Güterbahnhof-Areal in Bad Cannstatt entstehen sollen. Außerdem über die Frage, wie man mit dem satten Lärm beim Cannstatter Volksfest und beim Stuttgarter Frühlingsfest umgehen soll.

 

Nach zwei Stunden fasste der Ausschuss für Umwelt und Technik den Zielbeschluss, dass auf dem Cannstatter Wasen künftig Lärmgrenzen gelten sollen wie beim Oktoberfest auf der Theresienwiese in München. In den Festzelten sollen 90 Dezibel nicht überschritten werden, im Almdorf in der Nähe der Lautsprecher 85 Dezibel und auf den Straßen zwischen den Festzelten und den Fahrgeschäften 80 Dezibel. Letzteres gilt schon heute, wird aber nicht eingehalten.

Auch FDP für Münchner Modell

Vier von sechs Fraktionen sahen Handlungsbedarf. Schließlich gehe es um Traditionspflege und nicht um Ballermann-Kulisse, sagte Peter Pätzold (Grüne). In den Festzelten könne man leicht taub werden. Die Besucher hätten aber ein Anrecht auf körperliche Unversehrtheit.

Damit lag Pätzold auf der Linie von Bürgermeister Matthias Hahn (Städtebau und Umwelt), der mit Rückendeckung von OB Schuster der städtischen Veranstaltungsgesellschaft in.Stuttgart einen drastischen Brief geschickt hatte. In den Zelten seien im Schnitt bis zu 100 Dezibel gemessen worden. Ab 85 Dezibel müssten die Festwirte ihren Mitarbeitern aus Gründen des Arbeitsschutzes eigentlich einen Gehörschutz verpassen.

Auch die FDP räumte ein, man müsse für den Festbetrieb das Münchner Modell anstreben – ganz abgesehen von dem Vorhaben, im Neckarpark mindestens 450 Wohnungen zu bauen, weshalb Kritiker des Projekts Gerichtsklagen der künftigen Bewohner und Verbote mancher Abendveranstaltungen auf dem Wasen und im Stadion fürchteten. Die CDU und die Freien Wähler allerdings wehrten sich gegen den Zielbeschluss „auf Zuruf“. Ihnen sei unbekannt, sagten Alexander Kotz (CDU) und Joachim Fahrion (Freie Wähler), was unter dem Münchner Modell zu verstehen sei. Die Verwaltung solle erst eine informative Beschlussvorlage anfertigen, dann werde man weiter sehen. Die beiden mussten sich aber sagen lassen, dass ein spezieller Unterausschuss für den Neckarpark sich schon vor etwa einem Jahr mit dem Münchner Modell befasste.

Frühlingsfest Testlauf für Volksfest

Der Technik-Ausschuss fackelte denn auch nicht lange, sondern fasste mit den Stimmen der Grünen, der SPD und der SÖS den Zielbeschluss. Die anderen enthielten sich. Demnächst wird sich auch noch der Wirtschaftsausschuss damit befassen müssen. Bis zum nächsten Frühlingsfest, das am 21. April beginnt und bis 13. Mai dauert, werde man die Regelung wohl nicht umsetzen können, meinte Hahn.

Spätestens danach wird es ernst. „Wir müssen uns des Themas Lärm auf dem Wasen ernsthaft annehmen. Unser Ziel ist, zwischen den Wirten, Schaustellern und dem Umfeld des Wasens einen Konsens zu finden, mit dem alle ordentlich leben können“, sagte Andreas Kroll, Geschäftsführer von in.Stuttgart, am Dienstag. Dazu will er beim Frühlingsfest ausloten, wie die Schallgrenze auf der Straßenmitte auf durchschnittlich 80 Dezibel zu begrenzen wäre. Man betrachte dies als Testlauf für das Volksfest.

Streit über Anzahl der Wohnungen im Neckarpark

Nicht minder wichtig als die Lärmbelastung vor den Zelten und den Fahrbetrieben, die auch Anwohner betrifft, ist die Schmerzgrenze in den Zelten. Bei Lärmpegeln von mehr als 90 Dezibel drohen auf Dauer vor allem den Beschäftigten Hörschäden. Daher will es Kroll genau wissen. „Wir prüfen jetzt, wie hoch die jeweilige Lärmbelastung an den verschiedenen Punkten im Zelt ist“, sagte Firmensprecher Jörg Klopfer, „zudem wollen wir exakt wissen, wie viel Lärm in den Wohngebieten ankommt.“ Es gibt zwar bereits Messergebnisse vom vergangenen Volksfest, aber daran war in.Stuttgart nicht beteiligt. Darum wird sie jetzt selbst aktiv.

Während des neuen Lärmstresstests soll es für Wirte und Schausteller keine Auflagen zur Schallreduzierung geben. Ziel ist es, erst einen „objektiven Status“ zu ermitteln. „Diese Ergebnisse wollen wir anschließend gemeinsam mit den Wirten, den Brauereien und der Stadt besprechen“, sagte Klopfer.

Umstritten blieb am Dienstag, wie viele Wohnungen im Neckarpark gebaut werden. Die öko-soziale Mehrheit machte deutlich, dass sie an mindestens 450 Einheiten plus Bildungszentrum festhalten will. Die bürgerlichen Fraktionen brachten erfolglos einen Kompromiss mit 100 bis 200 Wohnungen ins Gespräch. Hahn legte dar, dass er dieses Wohngebiet unbedingt will – aber nicht die Durchsetzung mit einer Stimme Mehrheit im Gemeinderat. Hahn soll nun eine Mitteilungsvorlage erstellen, in der auch Vorrangflächen für eine reduzierte Wohnbauvariante durchgespielt werden. Dann wird im Rathaus wohl ein Machtwort gesprochen.