Schausteller Thomas Schneider vor dem City Skyliner. Mit dem 81 Meter hohen Aussichtsturm sind Schneider und sein Vater seit zwei Monaten auf Reisen. Foto: Max Kovalenko

Alkohol, Adrenalin, Aufregung, damit verdient man beim Volksfest Geld. Allerdings zahlen dafür vornehmlich junge Leute. Für die Älteren hingegen gibt es kaum Angebote. Die Schaustellerfamilie Schneider wirbt mit ihrem Aussichtsturm um diese Zielgruppe.

Stuttgart - Die Kanzel schraubt sich langsam in die Höhe, und sie dreht sich gemächlich. Nur keine Hektik. Man sitzt im Inneren des City Skyliners, und draußen zieht die Welt vorüber. In aller Ruhe. Und wenn man wieder auf dem Boden steht, schwankt man nicht, die Ohren dröhnen nicht, der Magen rebelliert nicht, und der Kopf saust nicht. Was für ein Kontrast zum Rest des Rummels, der ja nicht umsonst so heißt. Blinken muss es, brausen muss es, der Erfolg eines Besuchs beim Volksfest bemisst sich ja in Drehwürmern, je mehr, desto besser. Ob sie nun vom Karussell kommen oder vom Bier. Doch vornehmlich ein junges Publikum liebt es, sich in Brummkreisel zu verwandeln.

Wer am nächsten Morgen ohne Kopfschmerzen und Magengrimmen aufwachen will, der bleibt dem Volksfest lieber fern. „Schauen Sie sich um“, sagt Thomas Schneider. Er sitzt an der Bar vor seinem 81 Meter hohen Aussichtsturm und zeigt auf den Platz, „ältere Menschen können Sie an einer Hand abzählen“. Und das sei ja kein Wunder, sei das Angebot doch vor allem auf Junge ausgerichtet. „Aber eigentlich ist das ja merkwürdig“, sagt er, „die Älteren werden mehr, und wir Schausteller kümmern uns hier nur um die Jungen.“ Sein Vater und er wollen mit ihrem neuen Fahrgeschäft gezielt die „Generation 50 plus“ ansprechen.

Und folgen damit einer Empfehlung des Deutschen Schaustellerbunds. Der hat in einer Studie die Volksfeste in Deutschland untersucht und dabei festgestellt, dass diese sich auch aufgrund einer starken Orientierung an Fahrgeschäften und vorrangig technischen Innovationen (schneller, höher, weiter) teilweise zu reinen Jugendveranstaltungen gewandelt hätten. „Aufgrund des demografischen Faktors wird die Zielgruppe der Sechs- bis 36-Jährigen jedoch mittelfristig weiter stark schrumpfen.“

„Mit dem Turm kann wirklich jeder mitfahren, vom Baby bis zur Oma“

Die Zielgruppe der über 40-Jährigen ohne Kinder sei dagegen eher wenig auf Volksfesten vertreten. „Dies ist aber zugleich die Zielgruppe, die insgesamt über das größte Einkommen verfügt und ein intensives Interesse an Abwechslung und werthaltigem Konsum hat.“ Die Verfasser kommen zu dem Schluss: „Eine strategische Neuausrichtung der Volksfeste muss sich also daran orientieren, diese Zielgruppe für das Volksfest wieder zurückzugewinnen, das Volksfest also wieder zu einem Erlebnis für alle Altersgruppen zu entwickeln. Was auch die positive Entwicklung der Weihnachtsmärkte zeigt.“

Dies setzen die Schneiders um. Statt in eine neue Achterbahn zu investieren, haben sie vier Millionen Euro ausgegeben und sich in Holland den Aussichtsturm Skyliner bauen lassen. Seit zwei Monaten sind sie mit 270 Tonnen schweren Turm auf Reisen. „Wir haben ihn selbst geplant“, sagt Schneider, „die Entwicklung hat zwei Jahre gedauert.“ Zuvor betrieben sie ein ja auch nicht gerade rasantes Riesenrad, doch „mit dem Turm kann wirklich jeder mitfahren, vom Baby bis zur Oma“. Ein Riesenrad 2.0 sozusagen. 60 Gäste haben Platz in der Kanzel, die sich langsam auf 70 Meter Höhe schraubt. Man sitzt auf einer Bank, schaut durch die durchgehende Scheibe, die gebogen ist, damit man die Außenwelt und nicht sich selbst fotografiert. Die Kanzel dreht sich, und eine Frauenstimme erläutert, was man so sehen kann: Neckar, Grabkapelle, Stadion, Mercedes-Museum. Eine Bildungsreise für Reingeschmeckte. Den Schneiders schwebt aber auch noch eine Geschichtslektion vor. Mit dem Volksfestverein haben sie Kontakt aufgenommen, um Historisches über Bad Cannstatt und das Volksfest zu erfahren, damit noch mehr Lehrreiches vom Band erklingt.

Gerne würden sie ihren Turm auch in der Innenstadt aufstellen. „Wir waren in Hannover beim Maschseefest“, sagt Schneider, „und beim Weindorf könnten wir uns den Turm auch gut in der Stuttgarter Innenstadt vorstellen.“ Platz brauche er weniger als ein Riesenrad. Weintrinker haben es ja gerne gemütlich, doch im Rathaus will man derzeit nicht so hoch hinaus und ist bestrebt, den Bürgern Bodenhaftung zu verordnen. Den Fernsehturm hat man geschlossen. Und nun ein Turm in der Innenstadt? Dabei würde es gerade den Stadtoberen nutzen. Um es mit dem Dichter Ludwig Thoma zu sagen: Man käme den himmlischen Einfällen wieder näher.