Noch verklebt: Ab 10. September gibt es auf der Cannstatter Straße Tempo-Tipps. Foto: Leif Piechowski

Das Jahr ist noch nicht vorbei. Doch am Neckartor sind die Grenzwerte pro Jahr für Feinstaub und Stickstoffdioxid längst überschritten. Mit Tempo-Empfehlungen auf der Cannstatter Straße will Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) für bessere Luft jetzt zumindest in diesem Bereich sorgen.

Stuttgart - Noch ist die Leuchttafel an der Cannstatter Straße außer Betrieb. Doch von September an sollen Autofahrer, die Richtung Innenstadt unterwegs sind, auf der 2,50 mal 2,50 Meter großen Anzeige darauf hingewiesen werden, dass es auf der Strecke zum Neckartor Tempo-Empfehlungen gibt. Die Tempo-Tipps selbst sollen am Heinrich-Baumann-Steg und am Henry-Dunant-Steg aufleuchten und mitteilen, ob man mit Tempo 30, 40 oder 50 bei Grün über die Ampel an der Kreuzung Heilmannstraße beziehungsweise am Neckartor kommt.

 

Oberbürgermeister Fritz Kuhn hofft, dass die Maßnahme aus seinem Paket für Mobilität den Verkehr flüssiger und die Schadstoffbelastung geringer werden lässt – und dass die Messergebnisse in diesem Jahr nicht völlig aus dem Ruder laufen. Denn mit der Einhaltung der Grenzwerte beim Stickstoffdioxid (gasförmige Rückstände aus der Verbrennung von Benzin und Dieselkraftstoffen) und Feinstaub klappt es in diesem Jahr am Neckartor nicht mehr.

Statt der erlaubten 35 Tage war der Grenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft im Juli mit 57 Tagen bereits um 12 Tage überschritten. Der Stickstoffdioxidgehalt von 200 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft wurde 29-mal statt der erlaubten 18-mal überschritten. „Zwei Drittel des Feinstaubs kommen aus den Auspüffen und durch den Abrieb von Bremsen und Reifen. Ebenfalls aus den Auspüffen kommen drei Viertel des Stickstoffdioxids“, sagt Ulrich Reuter, Leiter der Abteilung Klimatologie im städtischen Umweltamt. Und immerhin rollen täglich insgesamt rund 90.000 Fahrzeuge beim Neckartor in beide Richtungen über die Cannstatter Straße.

ADAC fordert „Kopplung aller Ampeln an die grüne Welle“

Damit die Verkehrsteilnehmer die Cannstatter Straße möglichst bei Grün passieren, werden in den nächsten Tagen an den Brücken die 0,50 mal 2,50 Meter großen Leuchttafeln montiert, auf denen die Tempo-Tipps aufblinken sollen. Sekundengenau gesteuert werden sie von den Ampelanlagen, während die große Tafel von der Integrierten Verkehrsleitzentrale gesteuert wird und auch auf Staus oder Unfälle hinweisen kann.

Dass es auch für Verkehrsteilnehmer, die sich an die Empfehlungen halten, keine Garantie für die grüne Welle gibt, räumt Wolfgang Hertkorn ein. Doch der Leiter der Dienststelle Hauptverkehrsstraßen und Verkehrsmanagement ist überzeugt, dass die Maßnahme zur Reduktion von Feinstaub und Stickstoffdioxid führen wird. In welchem Umfang, sei allerdings ungewiss.

Der ADAC Baden-Württemberg hält die Tempo-Empfehlungen zwar „für nichts Neues“, aber für sinnvoll, um Schadstoffe zu reduzieren. „Allerdings fordern wir die Koppelung aller Ampeln in der Stadt an die grüne Welle, damit die Maßnahme wirklich etwas bringt“, sagt Sprecher Volker Zahn.

Erst Tempolimit zeigte Wirkung

Maßnahmen zur Schadstoffreduktion in der Vergangenheit haben nichts oder nur wenig zur Verbesserung der Luftqualität beigetragen. Der rund 50.000 Euro teure Versuch, in den Wintern 2009/2010 und 2010 /2011 mit Klebstoff auf der Fahrbahn den Feinstaub zu binden, scheiterte. Und das Fahrverbot für Wagen mit roter Plakette im Sommer 2010 brachte ebenfalls keinen großen Erfolg: So wurden 2009 die Feinstaubgrenzwerte an 112 Tagen und 2010 an 102 Tagen überschritten. Die Grenzwerte für Stickstoffdioxid wurden in den beiden Jahren 499-mal beziehungsweise 182-mal überschritten.

Im Jahr 2011 zeigte es dagegen Wirkung, dass das Tempolimit Ende des Vorjahres von 60 auf 50 heruntergesetzt worden ist und zwei Blitzgeräte aufgestellt wurden: Die Feinstaubgrenzwerte wurden „nur“ an 89 Tagen überschritten und 76-mal beim Stickstoff. Wichtig ist die Einhaltung der Grenzwerte, weil beide Schadstoffe eingeatmet werden und Atemwegserkrankungen zur Folge haben können.

Obwohl sich die Luftqualität in Stuttgart im vergangenen Jahr weiter leicht verbessert hat, behauptete die Landeshauptstadt auch 2012 ihren Platz als die deutsche Stadt mit der schlechtesten Luft, gefolgt von München, Reutlingen und Schwäbisch Gmünd. „Das liegt vor allem an der im Vergleich zu anderen Städten ausgeprägten Kessellage Stuttgarts“, sagt Wilfried Weiß von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg. Auch er geht davon aus, dass sich durch die Tempo- Empfehlungen die Luftqualität verbessern lässt. Doch noch effektiver seien weniger Autos auf der Straße.