Die illegale Droge Cannabis soll nach Wünschen der Regierung legalisiert werden. Welche Risiken und Gefahren die Entscheidung mit sich bringt und was das für die Suchtprävention bedeutet. Jörg Hügel, Leiter der Fachstelle Sucht in Rottweil, sieht viele Unklarheiten.
Mal eben 25 Gramm Cannabis besitzen, ab und an einen durchziehen und dann soll alles gut sein – die illegale Droge soll legalisiert werden. Unter anderem soll damit eine „dramatische Stärkung der Suchtprävention“ einhergehen, betonte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach jüngst bei einer Pressekonferenz. Doch ist das alles wirklich so einfach umzusetzen? Und wie sieht es da für den Kreis Rottweil aus? Wir haben bei Jörg Hügel, Leiter Fachstelle Sucht in Rottweil nachgefragt.
Förderung der Fachstellen und Suchtprävention „Das Hauptrisiko ist momentan“, betont Hügel, dass es im Falle der genauen Umsetzung des Eckpunktepapiers, „keine Steuern geben wird. Dadurch auch kein Geld für die Förderung der Prävention.“ Doch sobald Cannabis legalisiert wird, werde es automatisch einen größeren Kundenstamm geben, unterstreicht er: „Viele wollen es eben mal ausprobieren.“ Dadurch bekommt dann auch die Fachstelle Sucht mehr „Kundschaft“.
Das wäre jedoch schwierig zu bewältigen. „Wir sind jetzt schon prekär finanziert“, erzählt Hügel. Ohne höhere Fördermittel sei die Stärkung ihrer Arbeit überhaupt nicht möglich. Denn zum einen gebe es aufgrund der personellen Situation sowieso schon Wartezeiten – momentan zwei bis vier Wochen für einen Ersttermin einer Beratung. Zum anderen könnte es durch die neuen Tarifabschlüsse zum Kürzen von Stellen kommen. „Vom Land gibt es, trotz 105 Prozent höheren Personalkosten, null Prozent mehr Förderung“, erläutert der Fachstellenleiter.
Am Ende müsse priorisiert werden, wen man als Kunde schnell annehmen kann – dann würden aus zwei bis vier eben vier bis sechs Wochen Wartezeit. Darüber müsse sich die Regierung Gedanken machen.
Grenzen des Strafrechts und die Entkriminalisierung Hügel kann der Legalisierung auch einen Vorteil abgewinnen: die Entkriminalisierung. Bisher liegt die Obergrenze in Baden-Württemberg bei sechs Gramm. Für alles darüber hinaus – also „nicht geringe Mengen“ – sieht das Gesetz momentan mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe vor.
Dennoch sei die neue Obergrenze von 25 Gramm pro Person pro Tag (höchstens 50 Gramm pro Monat) ein großer Diskussionspunkt. „15 – oder auch nur die Verdoppelung auf zwölf – Gramm hätten auch gereicht“, meint Hügel. Immerhin reichen die 25 Gramm, je nachdem wie viel der Konsument kiffe, für drei bis sechs Monate, ist sich Hügel sicher – in einem Joint dann 0,25 bis 0,5 Gramm.
Und auch die drei dann erlaubten Pflanzen seien zu viel. „Wer die Pflanzen gut pflegt und eventuell sogar ein Gewächshaus hat, bekommt eine richtig gute Ernte“, erläutert er, „mehr als einen Jahresbedarf.“
Wer könne denn bestätigen, dass die Ernte auch wirklich nur für den Eigengebrauch genutzt werde – oder nicht doch weitergegeben werde, betont Hügel. Denn dann wäre man wieder im illegalen Bereich unterwegs.
Jugendschutz und Kontrolle der Richtlinien Was definitiv illegal bleibt: der Konsum und Besitz von Cannabis für Jugendliche und Kinder. Unklar ist dabei allerdings, wer diesen vermehrt kontrolliert. Bereits jetzt gibt es immer wieder Jugendliche, die kiffen. „Wer weiß, ob ich von meinem Eigenbedarf was an Jugendliche abgeb?“, fragt Hügel.
Mit der Legalisierung würden die Kontrollen sicherlich nicht einfacher. Dazu kommt noch der große Schwarzmarkt, der seine Kundschaft sicherlich nicht verlieren wolle, fährt Hügel fort. Würden die alle dann zu Cannabis-Clubs? Dort soll der Verkauf der Droge erlaubt sein. Nur gekifft werden dürfe dort nicht. „Wer dort einkauft, will das Cannabis aber ja auch probieren“, meint der Fachstellenleiter: „Wer soll das alles kontrollieren?“ Das sei einfach nicht möglich.
Unklarheit beim Fahren unter Drogeneinfluss Aktuell illegal ist das Fahren unter dem Einfluss von Cannabis. Doch wie es mit der Regelung nach der Legalisierung aussieht, sei völlig unklar, betont Hügel: „Da ist gar nichts geklärt. Und die Schwierigkeit ist, dass man nach Cannabiskonsum nicht richtig sagen kann, wann man wieder nüchtern ist.“ Für ihn ist allerdings klar: Wer zwei, drei Mal die Woche kifft, sei nie unterhalb des Grenzwerts von einem Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum, den das Gesetz beim Fahren vorschreibt.
Stand jetzt ist also, dass man sich auch bei der Legalisierung von Cannabis für eines entscheiden muss: Kiffen oder Autofahren. „Beides geht einfach nicht“, weiß Hügel.
Zwar erwerben weniger Erwachsene die Droge – dafür aber mehr Jugendliche in 2022
Bericht „Jahrbuch Sucht 2023“
Der Bericht zeigt auf, dass im Bereich der illegalen Drogen Cannabis sowohl bei Jugendlichen als auch unter Erwachsenen am weitesten verbreitet ist. Aktuellen Schätzungen zufolge haben etwa 4,7 Millionen Erwachsene im Alter zwischen 18 und 64 Jahren sowie etwa 374 000 Jugendliche im Alter von zwölf bis 17 Jahren in den letzten zwölf Monaten eine illegale Droge konsumiert.
Kreis Rottweil
Zwar gibt es keine Schätzungen, wie hoch der Konsum im Kreis Rottweil ist, doch der illegale Erwerb und Besitz von Cannabis wird von der Polizei erfasst. So wurden im Jahr 2022 98 Erwachsene ab 21 Jahren beim Erwerb oder dem Besitz der Droge verdächtigt, gibt Nicole Minge, Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Konstanz bekannt. 2021 waren es noch 146 Erwachsene. Im Alter zwischen 18 und 20 Jahren wurden 2022 29 Menschen verdächtigt, im Vorjahr noch 32. Eine leichte Steigerung ist lediglich bei Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren: 2022 waren es 21, 2021 18 Tatverdächtige.