Die Cannabis Anbauvereinigung Tübingen freut sich auf ihre erste Ernte. (Symbolfoto) Foto: Christian Charisius/dpa

Die Cannabis Anbauvereinigung Tübingen (CAV) hofft, im Frühjahr die ersten blühenden Pflanzen ernten zu können. Die Gründer sehen sich als Kulturschaffende und sehen noch Verbesserungsbedarf bei der Legalisierung.

Einer der Gründer der Cannabis Anbauvereinigung Tübingen (CAV) ist Tobias Bartl. Im Interview mit unserer Redaktion spricht er über den neuen Verein, die Teillegalisierung, den Schwarzmarkt und die bevorstehende Bundestagswahl.

 

Wie ist es zur Gründung der Cannabisanbauvereinigung Tübingen gekommen?

Bei einer Reise nach Amsterdam vor vielen Jahren hatten wir – Amir und ich – die Idee, einen Social Club in Deutschland zu eröffnen. Als sich dann die Legalisierung abgezeichnet hat und wir über einen nicht mehr existenten Nürtinger Club mehr über das Thema erfahren haben, dachten wir, wir legen auch mal in Tübingen los. Wir haben dort beide studiert – Amir studiert noch und wohnt dort – und fühlen uns der Stadt sehr verbunden.

Welche Hürden hat die CAV bereits erfolgreich genommen und was fehlt noch bis zum offiziellen Start der Cannabisabgabe an Mitglieder?

Uns fehlt nur noch die Anbaugenehmigung vom Regierungspräsidium. Damit sind wir nicht allein, die fehlt noch fast allen Vereinen. Wir haben uns durch einiges gekämpft und konnten auch schon viel erreichen: Wir haben den Verein gegründet, halten eine Halle für den Anbau vor, haben Mitglieder gesucht und gefunden, uns sehr viel mit dem Gesetz auseinandergesetzt und auf Wünsche des Regierungspräsidiums reagiert: Eine Sicherheitsschulung durch die Polizei und eine Teilnahme an der Ausbildung zum Suchtpräventionsbeauftragten. Bei Treffen mit Mitgliedern haben wir ein Anbaukonzept entwickelt und die Anlage geplant.

Wie ist es mit dem finanziellen Aspekt?

Hinzu kommt eine finanzielle Hürde. Wir haben einen Investor, aber es ist nicht einfach für jedermann, ein Halle für ein paar Monate zu mieten und sicherheitstechnisch aufzurüsten, bis es mal eine Genehmigung gibt, und danach dann auch das Geld für die ersten Pflanzen vorzustrecken. Letztendlich war der sicher 30-seitige Antrag für die Genehmigung, den wir im August abgegeben haben, die größte Hürde. Ich bin es aufgrund meiner Hauptbeschäftigung zum Glück gewöhnt, mit Ämtern zu kommunizieren (Soziale Arbeit im Jobcenterumfeld).

Wie viele Interessenten haben sich als Mitglieder bei Ihnen registriert?

Es gab bevor wir ein Verein waren, eine Interessentenliste. Dort haben sich fast 500 Leute eingetragen.

Wie gehen Sie mit einer eventuell zu hohen Nachfrage an Mitgliederanfragen um?

Das Interesse hat dann aber etwas nachgelassen. Bis jetzt haben wir ja auch noch kein Cannabis anzubieten. Hinzu kommt, dass die Leute sehr verunsichert sind, was die Politik und die Zukunft der Vereine angeht.

Was wird die CAV ihren Mitgliedern zu bieten haben?

Neben der Abgabe von sauberem, sicherem und getestetem Cannabis bieten wir Suchtpräventionsprogramme zum verantwortungsvollen Umgang und wollen ein buntes Clubleben etablieren, das heißt auch den sozialen Aspekt nicht vernachlässigen. Gesetzlich ist es verboten, oder zumindest wahrscheinlich verboten, – entsprechende Urteile fehlen noch – gemeinsam auf dem Clubgelände zu konsumieren, aber wir können dennoch Veranstaltungen anbieten, um so eine Gemeinschaft aufzubauen.

Planen Sie eine besondere Aktion zum Start der CAV?

Nicht wirklich, außer dass wir sehr erleichtert sein werden, wenn endlich die Anbaugenehmigung da ist. Ist aber eine gute Idee, wir denken uns was aus.

Mit welchem Gefühl gehen Sie auf die Bundestagswahl im Hinblick auf die Ankündigung der Union, die Teillegalisierung wieder rückgängig zu machen, zu?

Natürlich blicke ich mit Sorge Richtung Politik. Eine CDU/CSU-Regierung ist leider sehr wahrscheinlich, und die haben im Wahlprogramm, dass sie das Cannabisgesetz abschaffen wollen. Es kommt jetzt drauf an, mit wem als Partner. Sollte es jemand aus der Ampel sein, stehen die Chancen ganz gut, dass das Gesetz nicht gleich wieder gekippt wird, dann ist der Standpunkt von der CDU nur „Verhandlungsmasse“. Kann man es denn gleich kippen? Grundsätzlich kann eine Regierung natürlich Gesetze ändern oder abschaffen. Ganz so einfach und unbürokratisch ist es auch wieder nicht, und wird seine Zeit brauchen. Zudem gibt es gerade für die Bevölkerung wichtigere Themen, Wirtschaft, Inflation, Migration. Eine Mehrheit der CDU-Wähler ist übrigens nicht für die Abschaffung der Legalisierung, also wäre es gar keine so beliebte Maßnahme. Etwas Erlaubtes wieder zu verbieten, kommt eh nie gut an. Hinzu kommen Steuereinnahmen von medizinischem Cannabis als Argument, es nicht so kippen. Ich habe mich da auch breit informiert, und die meisten Kommentare gehen in eine ähnliche Richtung. Ein Wiederverbot ist möglich, aber nicht wahrscheinlich. Für was es schlecht aussieht, ist die zweite Säule (Verkauf in Fachgeschäften, d. Red.), auf die wir auch gehofft hätten. Also mein Fazit: Ich glaube, unsere Chancen stehen ganz gut, aber wenn ihr die Chancen verbessern wollt, wählt für Parteien, die den Bürgern einen selbstbestimmten und erwachsenen Konsum zutrauen, nicht nur beim Alkohol.

Warum ist die bestehende Teillegalisierung Ihrer Meinung nach sinnvoll?

Wie viele hätte ich mir zwar ein unkomplizierteres und um ehrlich zu sein auch praktischeres Gesetz gewünscht, trotzdem ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Funktionierende Vereine können dazu beitragen, dass Mitglieder in einem wertungsfreien Raum unproblematisch – soweit das möglich ist, es ist natürlich immer noch ein Rauschmittel – konsumieren können. Was ich damit sagen will, bei uns interagiert jemand mit den Mitgliedern, mindestens bei der Abholung und im Vereinsleben. Jedes Mitglied hat bei uns die Möglichkeit, mit dem Suchtpräventionsbeauftragten zu sprechen und sich bei problematischem Konsum helfen zu lassen, durch Anbindung an Hilfe-Stellen, wir selbst sind keine Suchtpräventionsstelle. Fakt ist eben, dass es die Konsumenten gibt und vorher auch gab. Gekifft wird sowieso, legal oder illegal. Mir ist da legal lieber, auch zum Schutz der Konsumenten.

Was ist am Schwarzmarkt besonders problematisch für die Konsumenten?

Viele Probleme mit dem Schwarzmarkt kommen von der mangelnden Qualitätskontrolle. Niemand weiß, was er kauft. Dealer strecken ihr „Zeugs“ oft mit Blei für mehr Gewicht oder sprühen andere härtere Stoffe auf die Blüten. Das macht dann leichter süchtig. Zudem verkaufen Dealer oft noch andere Drogen, was hier den Zugang wieder erleichtert (“Einstiegsdroge“). Im legalen Rahmen eines Clubs ist das Cannabis im Labor getestet, und auf jeder Packung steht genau drauf, wie viel Prozent THC/CBD et cetera enthalten ist, zusätzlich bewegt man sich vollkommen im legalen Bereich.

Und dazu kommt dann noch die gesellschaftliche Aufgabe des Vereins?

Ich halte es auch für wichtig, dass man die Vereine als Kulturschaffende sieht. Als Verein wollen wir an der Cannabiskultur arbeiten, das heißt, gesellschaftliche Rahmen zum Konsum etablieren. Für uns ist achtsamer öffentlicher Konsum in der Regel besser, als sich heimlich „abzuschießen“. Ich habe aber das Gefühl, dass es sich bis jetzt bei unseren Mitgliedern sowieso um ältere Konsumenten handelt, die nur ohne Stress relativ wenig monatlich konsumieren wollen. Also nicht die typischen jungen Erwachsenen, die einfach viel konsumieren wollen, die sich die CDU so vorstellt. Daher sehe ich die Teillegalisierung als sehr wichtigen Schritt in die richtige Richtung.

Welche Verbesserungen würden Sie sich für die Cannabis-Legalisierung wünschen?

Sehr viele. Ich freue mich über die Teillegalisierung, aber es gibt so viele Einschränkungen, die es Privatpersonen fast unmöglich machen, Clubs zu gründen. Die gesetzlichen Hürden sind enorm. Dazu schränkt das Gesetz einige positive Aspekte des Clublebens – gemeinsamer Konsum, gemeinsame Veranstaltungen – ein. Letztendlich finde ich das Gesetz einen schlechten Kompromiss. Man hat Cannabis legalisiert, aber war dabei so übervorsichtig, dass man viele Vorteile einer Legalisierung gar nicht hat.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Als Beispiel beschwert man sich, dass die Legalisierung den Schwarzmarkt stärke, aber lässt dann kaum Clubs zu. Wie sollen Clubs den Schwarzmarkt austrocknen, wenn es so schwer ist, einen zu gründen? Genau wie die seltsamen Konsumregeln. Es ist zwar legal, aber man muss 200 Meter von Schulen und Kindergärten et cetera weg sein, und ich darf meinen Joint nie meinem Kumpel reichen, weil das ist unerlaubte Weitergabe. Finde ich nicht ideal gelöst. Auch wenn dieser Vergleich sehr oft bemüht wird, bringe ich ihn trotzdem: Wenn für Alkohol ähnliche Regeln zählen würde – Sicherheitskontrolle mit Ausweis beim Kauf, keine private Weitergabe, Kaufen nur als Mitglied, 200 Meter weg von allem – dürften wahrscheinlich 99 Prozent des Alkohols nicht mehr verkauft oder konsumiert werden.

Was wäre aus Ihrer Sicht eine Lösung?

Ich bin für eine unkomplizierte Legalisierung, ich wäre sogar für den ganz regulären Verkauf in Läden, natürlich wie bei Alkohol, Tabak oder FSK18-Produkten, mit entsprechendem Jugendschutz.

Werden Clubs wie die CAV Tübingen den Schwarzmarkt erfolgreich bekämpfen?

Ich denke, wie schon dargelegt, wenn man den Clubs eine faire Chance gibt, dann ja. Wir sind sicherer, billiger (5 Euro pro Gramm) und stressfreier als der Schwarzmarkt. Gemeinsam mit der Möglichkeit, Apothekencannabis auf Rezept zu beziehen und irgendwann vielleicht doch einer zweiten Säule (Verkauf in Fachgeschäften), sehe ich keinen Grund, warum noch jemand beim Dealer für mehr Geld schlechtere Qualität mit dem Risiko polizeilich belangt zu werden kaufen sollte.