Die Legalisierung treibt Börsen-Blüten: Die Aktienkurse einiger Cannabis-Unternehmen haben sich zuletzt teils verdoppelt. Foto: imago/Benis Arapovic

Nur ein kurzer Rausch oder ein Dauer-High? Die Legalisierung lässt die Kurse einiger Cannabis-Aktien explodieren. Doch der grüne Hype an der Börse hat Nebenwirkungen.

Grüner Hype an der Börse: Im Zuge der Legalisierung erleben Aktien von Unternehmen der Cannabis-Wirtschaft seit Jahresanfang einen beispiellosen Aufschwung. Wer sich mit der Branche auseinandersetzt, trifft auf Firmen wie Aurora Cannabis aus Kanada, die in Deutschland medizinisches Cannabis produziert – und ihren Aktienkurs binnen eines Monats mehr als verdoppelt hat. Auch der Konkurrent Canopy Growth befindet sich im Höhenflug: Die Papiere der kanadischen Branchengröße legten seit Mitte März um 270 Prozent zu.

 

Wie auf Droge sind auch die Werte börsennotierter Cannabis-Unternehmen aus Deutschland. Die Aktien des Münchner Hanfverarbeiters Synbiotic, der vor allem nicht berauschende CBD-Produkte vertreibt („CBD“ steht für „Cannabidiol“, ein Cannabidoid aus dem weiblichen Hanf), notierten im Januar noch bei unter drei Euro – im April kostet eine Aktie mehr als zehn Euro. Ebenfalls stiegen die Kurse der beiden Berliner Unternehmen Cannovum und Cantourage, die das Rauschmittel Cannabis weniger als Freizeitprodukt vertreiben, sondern in der Medizin nutzbar machen wollen.

Cannabis-Aktien: Lohnt sich der Einstieg?

Die Legalisierung treibt Börsen-Blüten: Seit dem 1. April ist der Besitz und Konsum von Cannabis für Erwachsene in Deutschland legal geworden. Wer 18 und älter ist, darf zu Hause bis zu 50 Gramm aufbewahren und draußen maximal 25 Gramm mit sich führen. Zu Hause dürfen außerdem drei Pflanzen angebaut werden. Allein die Ankündigung sorgte dafür, dass sich ab Februar die Aktienkurse mehrerer Cannabis-Unternehmen verdoppelten. Bei immer neuen Höhenflügen dieser Papiere können sich Privatanleger durchaus die Frage stellen: Lohnt sich jetzt ein Investment?

Nach der Legalisierung fragen sich Anleger, ob sie Cannabis-Aktien kaufen sollen. //xnehrux

Experten sehen das kritisch. „Die Legalisierung ist bereits eingepreist, ein Einstieg jetzt ist eher mit Vorsicht zu genießen“, sagt Christiane Hölz, Geschäftsführerin der Anlegerschutzvereinigung DSW. Die Finanzexpertin warnt: „Bereits in der Vergangenheit waren extreme Kursausschläge zu beobachten.“ Sobald ein größeres Land ankündigte, Cannabis zu legalisieren, schossen die Kurse von Branchengrößen erst in die Höhe – um bei der ersten negativen Meldung wieder einzubrechen.

Analyst: Cannabis hat gigantisches Umsatzpotenzial

Ein Beispiel dafür sind die Papiere des US-Pharma- und Cannabisunternehmens Tilray, die nach der Legalisierung in Kanada im Jahr 2018 auf einem Höchststand von 198 Euro stiegen – heute ist eine Aktie nur noch 1,91 Euro Wert. „Es geht natürlich wie immer um Angebot und Nachfrage, aber der aktuelle Hype ist aus meiner Sicht in der Tat übertrieben“, sagt Anlegerschützerin Hölz. Obwohl die Aktien der Cannabisunternehmen zuletzt ein Plus verzeichnen konnten, müsse beachtet werden, dass der Markt vor allem in Deutschland noch sehr jung sei. Es bleibt abzuwarten, welche Unternehmen langfristig überleben und von einem möglichen Boom profitieren.

Christiane Hölz, Geschäftsführerin der Anlegerschutzvereinigung DSW Foto: DSW /Schutzvereinigung

Steckt hinter der aktuellen Kursrallye mehr als heißer Dampf? „Die Börse handelt immer die Zukunft und diese beinhaltet in der Regel Fantasie und Erwartung“, sagt Harald Hof vom Hamburger Analysehaus mwb research. „Fakt ist jedoch, dass allein der deutsche Cannabis Markt gigantisch ist und mehrere Milliarden schwer sein dürfte“, betont der Analyst. Umsatzpotenzial hat Cannabis. Laut einer Studie des Analyseunternehmens Allied Market Research soll der Cannabis-Sektor bis zum Jahr 2031 einen Marktwert von geschätzt fast 150 Milliarden US-Dollar (140 Milliarden Euro) erreichen. Er hätte sich dann innerhalb von nur zehn Jahren fast versechsfacht. 2021 lag dieser Wert noch bei 25,7 Milliarden US-Dollar (24 Milliarden Euro).

Das müssen Privatanleger bei Cannabis-Aktien beachten

Analyst Hof betont, dass Cannabis-Aktien sensibel auf politische Entscheidungen reagieren – im Positiven wie im Negativen. Einen Freizeitmarkt mit Cannabis-Läden wie in den Niederlanden und einigen US-Bundesstaaten wird es in Deutschland vorerst nicht geben. Sollte sich das ändern, hält der Finanzfachmann einen noch größeren Boom als derzeit für möglich. „Im Falle einer klaren Legalisierung und Kommerzialisierung wären die aktuellen Kursbewegungen erst der Anfang einer Rallye.“

Doch Anleger müssen beachten, dass viele auch im Boom einsteigen und dann bei den ersten Gewinnen wieder verkaufen. Die Kurse von Cannabis-Aktien könnten demnächst also auch wieder sinken, zumal auch Shortseller häufig auf solche Werte wetten. Solche professionellen Investoren spekulieren auf fallende Kurse. Expertin Hölz rät, die Unternehmen genau unter die Lupe zu nehmen. „Wichtig ist immer das dahinter stehende Geschäftsmodell, ist das nachhaltig, ist es resilient?“, sagt die Anlegerschützerin. „Wie sehen die fundamentalen Kennziffern aus? Wie stabil war die bisherige Wertentwicklung?“, sind Fragen, die sich Anleger stellen sollten.

Cannabis-ETFs als Alternative?

Trotz Legalisierung raten Experten auf dem deutschen Markt eher davon ab, nur auf einzelne Unternehmensaktien zu setzen. „Immer nur beimischen“, betont Analyst Hof. „Ein alter, aber weiser Ratschlag: Niemals alle Eier in einen Korb legen – insbesondere dann nicht, wenn noch viele Steine im Weg liegen.“Anlegerschützerin Hölz pflichtet dem bei: „Wie bei allen thematischen Investments ist Diversifikation entscheidend.“ Statt in noch junge Cannabis-Firmen zu investieren, könnten auch Pharmakonzerne, die Cannabis für medizinische Zwecke verwenden, eine Alternative für private Anleger sein.

Wer trotzdem in die Branche investieren möchte, kann auch auf mehrere Aktien oder ETFs, sogenannte Exchange-traded funds setzen, die das Risiko reduzieren können. „Wer an die Cannabis-Legalisierung glaubt, kann mit einem ETF sein Engagement im Portfolio abbilden und zugleich breit streuen“, sagt Hof. Derzeit gibt es eine ganze Reihe solcher Börsenbarometer, die den Cannabis-Markt mehr oder weniger breit abbilden. Ein Beispiel ist der Medical Cannabis and Wellness. Allerdings sind auch solche Indexfonds, wie die ihnen zugrunde liegenden Aktien, anfällig für Kursschwankungen.