Über fehlende Fördermittel konnte die Stadt Calw sich in diesem Jahr wahrlich nicht beklagen. Rund 1,45 Millionen Euro flossen für das Hermann-Hesse-Museum. Foto: Klormann

Der Jahreswechsel steht an, wir blicken zurück – und voraus. Calws Oberbürgermeister Florian Kling verrät im Interview, worauf er sich 2022 freut, welche Herausforderungen auf die Stadt warten und wie er einer Impfpflicht gegenübersteht.

Die Stadt Calw schwimmt ja nicht gerade in Geld – allerdings gab es im vergangenen Jahr einige dicke Batzen an Zuschüssen. Nun wollen aber auch die zugehörigen Projekte gestemmt werden. Oberbürgermeister Florian Kling verrät im Interview, worauf er sich 2022 freut, welche Herausforderungen auf die Stadt warten und wie er einer Impfpflicht gegenübersteht.

Ende des vergangenen Jahres hatten viele Menschen die Hoffnung, dass die Corona-Pandemie 2021 ihren Schrecken verlieren und die Einschränkungen enden würden. Wird das Ihrer Meinung nach 2022 so weit sein?

Ich glaube, dass der Virus durchaus seinen Schrecken in 2021 für viele Menschen verloren hat – schließlich haben wir ja alle Mittel in der Hand, damit umzugehen und etwas dagegen zu tun. Ich vermute, dass wir spätestens ab Sommer 2022 zumindest für Geimpfte keine Einschränkungen mehr haben werden. Die Pandemie wird auch mit neuen Varianten endemisch werden und früher oder später jeder einmal davon betroffen sein. Das »Lernen, mit dem Virus zu leben«, tritt meines Erachtens spätestens im Sommer ein, weil unsere Gesellschaft noch längere Einschränkungen nicht mehr aushalten und unsere Wirtschaft auch nicht mehr hinnehmen wird. Entweder wird bald jeder einmal infiziert gewesen sein, so dass selbst dann auch Ungeimpfte einen gewissen Schutz haben, oder wir werden regelmäßig Boostern und gewisse Teile der Gesellschaft mit der Impfpflicht erreichen. Eine dauerhafte Krisensituation unter anderem mit Kontaktbeschränkungen ist schlicht nicht durchhaltbar und wird auch im Gesundheitssektor, der besonders belastet ist, zu anderen »Dauer-Lösungen« im Umgang mit dem Virus führen.

Waren Sie selbst schon infiziert? Falls ja, wie haben Sie es überstanden und spüren Sie heute noch etwas davon?

Ich war glücklicherweise noch nicht persönlich betroffen und bin auch vor anderen Viren, Krankheiten oder Unglücken weitestgehend verschont geblieben. Im Februar 2020 wurde ich ziemlich heftig von einer Grippe heimgesucht – leider gab es damals noch keine schnellen Möglichkeiten, einen Test zu machen. So werde ich wohl niemals erfahren, ob das Corona war oder eine ganz normale Grippe. Ich würde es allerdings ungern wieder durchmachen müssen.

Welche Pläne haben die Pandemie, das Virus und die Einschränkungen in diesem Jahr in Ihrem Privatleben verhindert oder unmöglich gemacht?

Ich möchte überhaupt nicht klagen und bin rundum zufrieden, wie das Leben im Jahr 2021 gelebt werden konnte. Natürlich hatten wir deutlich weniger Freizeit mit Freunden und Familie, sind nur sehr überschaubar im Urlaub gewesen – haben aber keine wirklichen Einschränkungen gehabt. Auch die besonderen Herausforderungen im Berufsleben sind nichts im Vergleich zu vielen anderen Berufsgruppen. Den Kontakt mit vielen Menschen vermisse ich aber sehr. Als OB will ich schließlich mit den Leuten zusammenkommen, feiern und schwätzen.

Mal abseits von Corona: Welche Projekte und Meilensteine fallen Ihnen als Bürgermeister als Erstes ein, wenn Sie an 2021 denken?

Besondere Meilensteine sind natürlich die tollen Finanzförderungen für Projekte, für die wir eigentlich kein Geld übrig hätten. Richtig toll begonnen hat das Jahr mit der Bundesförderung für das Hermann-Hesse-Museum Ende 2020 (1,45 Millionen Euro) und ging über das Jahr hinweg weiter mit der Förderung für die Sanierung des Stadtgartens (1,35 Millionen Euro), dem Mobilitätszentrum am ZOB und dem Zuschlag beim Förderprogramm »Zukunftsfähige Innenstädte« mit zwei Millionen Euro. Das Ganze war begleitet von einem intensiven Austausch mit dem Bürgerforum Innenstadt und einer tollen Zusammenarbeit bei allen Projekten mit dem Gemeinderat. Das geht natürlich nur einher mit neuem und motivierten Spitzenpersonal, das hier viel Arbeit geleistet hat: Seit 2021 ist  Carina Reck bei mir Persönliche Referentin,  Jan Hambach verstärkt die Stabsstelle,  Johanna Klug füllt endlich die Citymanager-Position aus und Jaqueline Jakob ist neue Ortsvorsteherin.

Und was steht in Ihrer Stadt an größeren Projekten und Meilensteinen im Jahr 2022 an?

Ich freue mich auf den Spatenstich für die Sanierung des Hesse-Museums, die Hesse-Bahn-Baustelle am ZOB und viele weitere Projekte, die wir in den vergangenen Jahren angeschoben haben. Aber besonders freue ich mich natürlich auf die fröhlichen Events dazwischen, seien es wieder Konzerte der Musikschule, Udo Lindenberg in Hirsau und endlich einmal wieder unser Stadtfest.

Welche Schwierigkeiten oder Herausforderungen warten 2022 auf Ihre Stadt?

Wir haben so langsam richtig viel zu tun, unsere vorhandenen Fördermittel auch auszugeben, die eingestellten Investitionsmittel zu verbauen und die Projekte politisch und rechtlich wasserdicht zu machen und von der Stadtverwaltung alles ordentlich zu projektieren und zu steuern. Mit den vielen Erfolgen stehen zur Umsetzung noch viele bürokratische Hürden vor uns, sei es bei der Einreichung des Tunnel-Vorentwurfs für die Innenstadtumfahrung, der Genehmigung und Förderung des Badischen-Hof-Abrisses und letztlich auch der finalen Bewilligung zur Umsetzung unserer vielen Fördermittel.

Wenn Geld keine Rolle spielen würde – welches Projekt würden Sie für Ihre Stadt gerne in Angriff nehmen?

Am meisten am Herzen liegt mir unsere Bestandsinfrastruktur, deren Sanierungsstau bestimmt bei über 100 Millionen Euro liegt, in Museen, Schulen und Kindergärten aber auch in Wohnungen – die ich gerne als sozialen und bezahlbaren Wohnraum mehr Menschen zur Verfügung stellen würde. Die Straßensanierung ist ein wichtiges Anliegen, für das leider immer zu wenig Geld vorhanden ist. Und Projekte wie unser Car-Sharing-Start-Up »Deer« oder das Großprojekt CO2-neutrale Stadt mit ganz viel Solarenergie würde ich vermutlich als erstes Anpacken und deutlich mehr fördern.

Und da wir gerade beim Geld sind: Auf was muss Ihre Stadt erst mal verzichten, weil sich dafür absolut kein Budget im aktuellen Haushalt finden lässt?

Jeder denkt in Calw natürlich an ein Hallenbad, wo wir wahrscheinlich auch als erstes zehn Millionen Euro ausgeben würden, wenn wir die Betriebskosten stemmen könnten – allerdings glaube ich, dass es noch viele weitere Chance gäbe, wenn wir die Finanzmittel hätten und die Lebensqualität der Stadt nicht wirklich von einem Hallenbad abhängt. Dafür ist unser Freibad umso schöner und kann nach der Pandemie endlich wieder voll zur Geltung kommen.

Wie stehen Sie einer Corona-Impfpflicht gegenüber?

Ich glaube, dass eine Impfpflicht der falsche Weg ist und Menschen auch entgegen allgemein vorhandenem »besseren Wissen« handeln dürfen. Das würde aber nur möglich sein, wenn die Konsequenzen des individuellen Handelns dann auch nur persönlich getragen werden und die eintretenden Probleme nicht die Gemeinschaft zu tragen hat. Wer sich nicht impft und trotzdem an Corona erkrankt, im Krankenhaus oder für lange Zeit im Krankenbett landet, sollte die Kosten selbst tragen, höhere Versicherungsbeiträge zahlen müssen oder in der Triage bei einer Überlastung des Gesundheitssystems nachrangig behandelt werden. Wer A sagt, muss auch B sagen. Eine allumfassende Anspruchsmentalität an den Staat und die Gesellschaft ist auf Dauer der Keil, der unsere Gesellschaft wirklich spaltet.

Sind Sie selbst geimpft?

Aber klar doch – drei Mal und alles ohne Nebenwirkungen, auch wenn ich diese in Kauf nehmen würde.

Und zum Abschluss noch ein Klassiker: Welchen guten Vorsatz haben Sie für 2022?

Auch weiterhin möglichst allen Bürgern, die mir schreiben, direkt zu antworten und zu helfen, wenn ich es kann.