Die Calwer Bindestrich-Diskussion geht in die nächste Runde: Nun ist auch die Duden-Redaktion auf die Stadt im Nordschwarzwald mit ihrer eigenwilligen Rechtschreibung aufmerksam geworden. (Symbolfoto) Foto: dpa

Redaktionsleiterin des Wörterbuchs setzt sich für korrekte Schreibweise ein.

Die Calwer Bindestrich-Diskussion geht in die nächste Runde: Nun ist auch die Duden-Redaktion auf die Stadt im Nordschwarzwald mit ihrer eigenwilligen Rechtschreibung aufmerksam geworden. Deren Leiterin fordert das Rathaus auf, seiner "Verantwortung auch in sprachlicher Hinsicht" gerecht zu werden.

Calw - Als Kathrin Kunkel-Razum von der Einweihung der Calwer Hans-Ulrich-Bay-Brücke las, musste sie wohl erst einmal schlucken. Mit der offiziellen Schreibweise "Hans-Ulrich Bay-Brücke" wurde das Bauwerk vor knapp fünf Wochen getauft – Bindestrich, Leerzeichen, Bindestrich. "Ich sehe einen Fehler", antwortet die Leiterin der Duden-Redaktion kurz und knapp auf die Frage, was sie gedacht habe, als sie das zum ersten Mal gelesen hat. Klar ist für die Sprachexpertin des wichtigsten deutschen Wörterbuchs: "Es müsste Hans-Ulrich-Bay-Brücke geschrieben, also durchgekoppelt, werden, wie wir sagen. Die Regel ist eindeutig."

Als stecke System dahinter

Die Bindestrich-Diskussion ist in Calw jahrzehntealt. Aurelius-Sängerknaben, Altburger Bohnenberger-Geschichtsweg, die Eigenbezeichnung als Hermann-Hesse-Stadt: Fast immer da, wo ein Bindestrich hingehört, lässt die Stadtverwaltung ihn weg – als stecke System dahinter. Welchen Effekt sie sich davon verspricht, erschließt sich Kunkel-Razum allerdings nicht: "Es tut mir leid, ich kann da keinen Vorteil erkennen. Ich verstehe zwar die Intention, den Eigennamen als solchen nicht zu verändern – wie bei Hans-Ulrich Bay. Ich sehe aber keinerlei Lesevorteile, im Gegenteil. Durch die Durchkopplung sieht man sehr deutlich, was alles zu der Einheit gehört."

Der Bindestrich fehlt nicht allein bei der Stadt Calw und ihren Institutionen. Sprachforscher beobachten das Phänomen, das auch als "Deppenleerzeichen" bezeichnet wird, schon länger – und es scheint stetig zuzunehmen. Als Grund dafür gilt der steigende Einfluss der englischen Sprache, die in den meisten Fällen keine Durchkopplung vorsieht, manchmal aber auch einfach Unwissenheit.

Die Leiterin der Duden-Redaktion unterstreicht, dass es dabei nicht nur um Pedanterie geht, sondern Bindestriche eine wichtige Funktion erfüllen: "Da sie Teil der Zusammenschreibung von Wortteilen im Deutschen sind. Diese Zusammenschreibungsregelung ermöglicht einerseits die Bildung endlos langer Wörter, die uns das Lesen manchmal auch erschweren. Das längste Wort im Dudenkorpus, unserer digitalen Textsammlung, hat 79 Buchstaben. Andererseits ermöglicht die Zusammenschreibung eben auch das leichte Erkennen dessen, was zusammengehört. Im Englischen funktioniert das ganz anders, es wird dort viel mehr mit Wortgruppen gearbeitet."

Und was sagt die Stadt selbst zur Bindestrich-Diskussion? Oberbürgermeister Florian Kling gibt sich kurz angebunden. "Ich würde die Diskussion gerne beendet lassen und mich daran lieber nicht beteiligen", meint der Rathaus-Chef auf Nachfrage. Einem bestimmten Schema folge das so häufige Weglassen des Bindestrichs jedenfalls nicht: "Für die Schreibweisen der Stadt gibt es keine Erklärung oder tieferen Sinn."

Auch Chor schert aus

Eine kommunale Institutionen in Calw, die den Bindestrich bewusst weglässt, sind die zur städtischen Musikschule gehörenden Aurelius-Sängerknaben. Sie schreiben sich seit Gründung im Jahr 1983 offiziell als "Aurelius Sängerknaben" – und bilden damit unter den großen deutschen Knabenchören eine Ausnahme. Die Domsingknaben aus Augsburg, Rottenburg, Freiburg und Speyer schreiben sich zusammen und nicht als "Dom Singknaben". Gleiches gilt etwa für die Hymnus-Chorknaben aus Stuttgart. Antje Häusser, Leiterin des künstlerischen Betriebsbüros der Aurelius-Sängerknaben, will die Calwer Eigenheit dennoch beibehalten: "Wir möchten unsere Schreibweise nicht ändern und freuen uns, wenn dies alle so akzeptieren."

Solidarität unter Schulen

Seine Schreibweise ändern wollte dagegen das Hermann-Hesse-Gymnasium. Jahrelang ließ es den ersten Bindestrich weg, doch der vor vier Jahren als Rektor eingesetzte Deutschlehrer Markus Köcher führte ihn leise, still und heimlich ein. Das HHG schreibt sich seitdem korrekt. Calws zweites Gymnasium, das Maria-von-Linden-Gymnasium, benutzt offiziell zwar weiterhin die Schreibweise ohne Bindestrich – doch gerät nun ins Grübeln. Schulleiter Matthias Heidenreich: "Der Grund, warum sich das ›Maria von Linden-Gymnasium‹ vor 20 Jahren für diese Schreibweise entschieden hatte und diese bisher beibehalten hat, war im Wesentlichen die Verbundenheit und Solidarität mit dem Herrmann-Hesse-Gymnasium." Man habe "in einer Stadt schlicht keine zwei grammatikalisch verschiedenen Schreibweisen" haben wollen. "Unabhängig davon, ob es mit den gültigen Regeln übereinstimmt oder nicht", erklärt Heidenreich und verdeutlicht, dass die Entscheidung "mit Tradition und künstlerischer Freiheit erklärt" wurde. Jetzt findet der Schulleiter aber: "Durch den Schritt des HHG wird die Diskussion sicher auch bei uns wieder neu entfacht und wir sind gerade in der Findungsphase. Diese ist noch nicht abgeschlossen."

Dass künftig beide Gymnasien in der Kulturstadt Calw die korrekte Rechtschreibung anwenden könnten, freut Kunkel-Razum. "Ich plädiere ganz generell dafür, dass Städte, Gemeinden, kommunale Einrichtungen ihrer Verantwortung auch in sprachlicher Hinsicht gerecht werden und korrekt schreiben sollten", sagt die Leiterin der Duden-Redaktion, "und das gilt dann natürlich auch für Calw."