Zum neuen Bezirk gehören die Nagolder (links) und die Calwer Stadtkirche. Fotos: Bernklau/Fritsch Foto: Schwarzwälder Bote

Dekanat: Zum Jahreswechsel ist die Fusion des evangelischen Kirchenbezirks Calw-Nagold in Kraft getreten

Künstliche Intelligenz an der Orgel, geistliche Wanderwege und neue ehrenamtliche Impulse: Wie sieht Kirche in Zukunft aus? Dieser Frage will sich der frisch fusionierte evangelische Kirchenbezirk Calw-Nagold mit vereinten Kräften stellen.

Kreis Calw. Zum Jahreswechsel ist die Fusion der evangelischen Kirchenbezirke Calw und Nagold in Kraft getreten. "Wir gehen diesen Schritt zu einem Zeitpunkt, zu dem wir die Fusion und ihre Rahmenbedingungen selbst gestalten können", erklärt der Calwer Dekan Erich Hartmann. Der Zusammenschluss sei nicht aus der Not heraus entstanden. Vielmehr soll der Blick mit gebündelten Kompetenzen in die Zukunft gerichtet werden. "Es geht um die Frage: Wie schaffen wir im ländlichen Raum lebbare und sinnvolle Strukturen?", fasst der Dekan zusammen.

Denn auch in Calw und Nagold sehen sich die insgesamt 70 evangelischen Kirchengemeinden mit sinkenden Mitgliederzahlen konfrontiert. Grund sei der demografische Wandel, darin sind sich Hartmann und der Nagolder Dekan Ralf Albrecht einig. Die Austrittsquote liege bei unter 0,5 Prozent und sei damit im Vergleich zum Landesmittel sehr stabil.

Mitgliedszahlen erreichen selbst gesetzte Grenze

So zählt der frühere Bezirk Calw etwa 31 000 evangelische Gemeindemitglieder, in Nagold sind es rund 29 400.  Damit sei eine selbst gesetzte Grenze erreicht, erklärt Hartmann. Vor etwa drei Jahren hatten die beiden Bezirke deshalb Sondierungsgespräche aufgenommen.

Im April vergangenen Jahres fiel dann in Sondersynoden die Entscheidung für einen Zusammenschluss. Dieser kommt als logischer Schritt der intensiven Zusammenarbeit zwischen beiden Kirchenbezirken daher. Diese teilten sich nicht nur einen gemeinsamen Diakonieverband, sondern arbeiteten beispielsweise bei der Erwachsenenbildung seit Jahren Hand in Hand.

Mit der Fusion sollen Aufgaben nun funktionaler verteilt werden. Die dadurch frei gewordenen Kapazitäten will der Kirchenbezirk für neue Projekte verwenden. "Es fallen durch die Fusion keine Stellen weg", versichert Hartmann. Aktuell sind in den Kirchengemeinden etwa 800 haupt-, vor allem aber nebenberuflich oder geringfügig beschäftigte Mitarbeiter angestellt.

Hinzu kommen etwa 7000 Ehrenamtliche. "Man muss sehen, wie viel Potenzial da zusammenkommt", schwärmt Hartmann. Mit vereinten Kräften und erschlankten Strukturen sieht sich der neue Kirchenbezirk für künftige Aufgaben "gut gewappnet". "Das geht von Mobilität über Digitalisierung bis hin zur Frage, wie junge Familien ihr Leben organisieren", führt der Dekan aus.

So werden beispielsweise in den Kirchengemeinden sonntags zum Gottesdienst Organisten benötigt. Diese zu finden werde zunehmend schwerer, weiß Hartmann. Deshalb sei angedacht, mit sogenannter künstlicher Intelligenz zu arbeiten. Dann könnten an den Instrumenten Computer zum Einsatz kommen.

"Es geht nicht darum, sich gegenseitig Terrain streitig zu machen"

Aber auch die Frage, wie die Botschaft der Kirche zu den Menschen komme, beschäftige den Kirchenbezirk, erläutert Albrecht. Mit "Plan B" gibt es bereits eine Gruppe, die geistliche Wanderwege erschließt. Diese sollen den Blick nicht nur für die Landschaft, sondern auch für neue Impulse öffnen.

Gerade im Ehrenamt müsse ein Umdenken stattfinden, bestätigt Hartmann. Nicht die Aufgaben, sondern die Menschen sollen dann mit ihren Fähigkeiten im Fokus stehen.

In erster Linie ändern sich mit der Fusion aber administrative Strukturen. Konkret bedeutet die neue Geschäftsordnung, dass das Calwer Dekanat die Geschäftsführung übernimmt. In Nagold ist die Kirchenkasse angesiedelt. Zudem ist das dortige Dekanat für die Themen Diakonie und Prädikantenarbeit zuständig. Die Visitationen der einzelnen Kirchengemeinden sind wie bisher aufgeteilt. "Wir sind auf Augenhöhe unterwegs", sagt Hartmann. "Es geht nicht darum, sich gegenseitig Terrain streitig zu machen."

Mit Blick auf die Finanzen versichern Hartmann und Albrecht, dass niemand schlechter gestellt sei. So haben die alten Gremien noch im Herbst die aktuelle Bezirksumlage beschlossen. Aufgrund der schlankeren Strukturen seien langfristig Einsparungen möglich.

"Als entscheidender Motivationspunkt kommt für mich aber ein ganz einfaches christliches Motiv hinzu", betont Dekan Albrecht. Er wolle den Blick auf das Gemeinsame und auf die Zusammenarbeit richten.