Das wirtschaftlich prosperierende Nagold muss laut Zensus mit 1385 das stärkste Minus bei den Einwohnern verkraften. Ob man das Ergebnis so hinnimmt, ist noch nicht entscheiden Foto: Fritsch

Landkreis rechnet mit 2,3 Millionen Euro weniger Schlüsselzuweisungen pro Jahr. Nur Simmozheim im Plus.

Kreis Calw - Der Zensus könnte ein riesiges Finanzloch in die ohnehin klamme Kreiskasse reißen. Da die Volkszählung für den Kreis knapp 6000 Einwohner weniger als bisher errechnet hat, geht man im Calwer Landratsamt von einem Rückgang der Schlüsselzuweisungen um 2,3 Millionen Euro pro Jahr aus.

Laut dem Ende vergangener Woche vom Statistischen Landesamt veröffentlichten Zensus hat der Landkreis Calw rund 6000 Einwohner verloren und liegt jetzt bei nur noch knapp 151 000.

Zwar haben alle Landkreise in Baden-Württemberg verloren, doch mit einem Einwohnerverlust von 3,78 Prozent liegt der Kreis Calw deutlich über dem Landesdurchschnitt und zählt zu den großen Verlierern der Befragung. Am meisten Einwohner hat – in absoluten Zahlen – Nagold mit 1385 verloren. Calw, die andere Große Kreisstadt, liegt bei einem Minus von 1092, gefolgt von Bad Wildbad mit 856 weniger. Prozentual ist das Minus in Bad Wildbad mit 8,24 am größten. In Schömberg liegt diese Zahl bei 7,51, in Bad Liebenzell bei 6,61. Zugewinne konnten die wenigsten Kommunen verzeichnen. Einzige Kommune mit einem Plus von mehr als einem Prozent ist Simmozheim mit 2,21 Prozent.

Diese Zahlen haben im Calwer Landratsamt alles andere als Freude ausgelöst. Denn der Verlust hat nicht nur statistischen Wert, sondern bedeutet auch noch weniger finanziellen Spielraum als angesichts einer klammen Kreiskasse ohnehin schon. Denn die Schlüsselzuweisungen, die jährlich von Bund und Land an den Landkreis gehen, berechnen sich nach der Zahl der Einwohner.

Zwar rechnet man in der Kämmerei des Landkreises fieberhaft, ganz genaue Zahlen gibt es noch nicht. Mit denen ist erst in einigen Tagen zu rechnen. Aber derzeit geht man auf den Höhen über Calw von einem Minus bei den Schlüsselzuweisungen von rund 2,3 Millionen Euro jährlich aus. Und das in Zeiten von Krankenhauskrise und dem anstehenden Jahrhundertprojekt S-Bahn-Anschluss. "In finanzieller Hinsicht ist dieses Ergebnis nicht erfreulich", kommentierte Thiemo Stock, Pressesprecher des Landratsamts Calw, die Nachrichten aus Stuttgart. "Dieses Geld könnten wir für die Kliniken gut gebrauchen und nicht nur dafür." Den Weg, den derzeit andere Kommunen im Land erwägen – eine Klage gegen die Ergebnisse des Zensus – will man im Kreis Calw nicht mitgehen. "Davon sind wir weit entfernt", sagte Landkreispressesprecher Stock gegenüber unserer Zeitung.

Ob man auch in Zukunft stillhalten wird, ist damit allerdings noch nicht gesagt. Das dürfte unter anderem davon abhängen, wie sich das Land in Zukunft in Sachen Schlüsselzuweisungen verhält. Wie werden sie verteilt? Bekommen alle weniger, da alle an Einwohnern verloren haben? Und was passiert mit dem möglicherweise weniger verteilten Geld? Fragen, die noch nicht geklärt sind.

Dass mit dem demografischen Wandel ein Riesenproblem auf den Kreis Calw zurollt – wenn es ihn nicht schon erfasst hat – ist für das Landratsamt in Calw nichts Neues. "Darüber waren wir schon längst beunruhigt – schon vor dem Zensus", so Thiemo Stock. Lösungen, wie man den Bevölkerungsschwund stoppen könnte, werden zwar gesucht, doch welche Maßnahme wirklich greift, ist nicht klar, denn über die Gründe für das klare Minus beim Zensus kann man im Landratsamt "nur spekulieren".

Nagold prüft ernsthaft Vorgehen gegen Zensus-Ergebnisse

Im prosperierenden Nagold zweifelt man an den Ergebnissen, die der Stadt das massivste Minus an Einwohnern (1385) im Kreis Calw bescherten. Normalerweise habe das Statistische Landesamt immer deutlich über den Werten des eigenen Einwohnermeldeamts gelegen, berichtet Bürgermeister Hagen Breitling. Dass das Zensusergebnis für Nagold die Einwohnerzahl so massiv nach unten korrigiert, ruft im Rathaus das Misstrauen der Stadtoberen hervor.

"Die Möglichkeit, gegen das Ergebnis vorzugehen, wird ernsthaft geprüft", verkündete gestern OB Jürgen Großmann, der seine Stadt doppelt gestraft sieht. Weniger Einwohner bedeuten nicht nur weniger Kaufkraft, sondern auch ein deutliches Minus bei den Schlüsselzuweisungen. Wenn alles zum Tragen kommt, muss Nagold mit 1,4 Millionen Euro jährlich weniger an solchen Zuweisungen rechnen.

Auch Calws Stadtoberhaupt Ralf Eggert rechnet durch das starke Minus bei den Einwohnern (1092) mit einem starken Minus auf der Einnahmenseite durch wegfallende Schlüsselzuweisungen. Für Eggert leitet das Ergebnis eine "kleine Gemeindereform" ein. Denn viele Kommunen könnten sich angesichts wegbrechender Finanzhilfen manche eigenen Einrichtungen nicht mehr leisten. Deshalb sei man zu mehr Kooperation mit Umlandgemeinden gezwungen, die man als gleichwertige Partner anerkennen müsse. Im Fall von Calw nennt Eggert die Kooperation im Fall der Hallenbäder mit Althengstett und Gechingen.