Die Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie am Zentrum für Psychiatrie in Hirsau (Bild) besteht zehn Jahre. Foto: Fritsch Foto: Schwarzwälder-Bote

Gesundheitswesen: Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie besteht seit zehn Jahren / 500 Rechtsbrecher behandelt

Eine Chance für suchtkranke Straftäter kann der Aufenthalt in der Klinik für forensische Psychiatrie in Hirsau sein. In den vergangenen zehn Jahren wurden hier rund 500 Rechtsbrecher im Rahmen des Maßregelvollzugs behandelt.

Calw-Hirsau. Die Therapie hat das Ziel, den Patienten die Rückkehr in ein gesellschaftlich akzeptiertes Leben zu ermöglichen. Das zehnjährige Bestehen feierte die Einrichtung mit einer Fachtagung, an der Patienten, Mitarbeiter, Mediziner sowie zahlreiche Vertreter der Justiz und der Vollzugsbehörden teilnahmen.

Meistens großen Teil der Strafe abgesessen

Der Aufenthalt in einer forensischen psychiatrischen Klinik wird durch eine gerichtliche Einweisung nach Paragraf 64 im Strafgesetzbuch initiiert.

Nicht in Hirsau therapiert werden Rechtsbrecher mit psychischen Erkrankungen oder Störungen. In der Regel haben die abhängigkeitskranken Straftäter bereits einen großen Teil ihrer Haftstrafe abgesessen und auch einen körperlichen Entzug hinter sich. "Das Entgiften ist der leichtere Schritt. Die eigentlichen Schwierigkeiten sind die psychische Abhängigkeit und die Einflüsse, die das Milieu haben kann", so Matthias Wagner, medizinischer Direktor der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie am Zentrum für Psychiatrie (ZfP) in Hirsau.

Die Therapie, die auf zwei Jahre befristet ist, erfüllt den gesetzlichen Auftrag der "Sicherung und Besserung" der Verurteilten und ist Teil des Maßregelvollzugs in Baden-Württemberg. Wer die Chance zum Aufenthalt in der forensischen Psychiatrie erhält und die Therapie ernst nimmt, hat deutlich bessere Aussichten, nicht wieder rückfällig zu werden.

Häufig werden die Patienten nach der Verurteilung für Eigentumsdelikte, Körperverletzungen, Beschaffungskriminalität oder Drogenhandel von den zuständigen Amts- oder Landgerichten eingewiesen. Dies stellt hohe Anforderungen an die Therapeuten.

Kontinuierlicher Weg in selbstständiges Leben

Denn für eine erfolgreiche Wiedereingliederung in die Gesellschaft und ein straffreies Leben bedarf es einer Veränderung der persönlichen Einstellungen und des Verhaltens. "Wer die Zeit hier nutzt und sich aktiv beteiligt, hat gute Aussichten, suchtmittel- und straffrei zu werden", so die Erfahrung von Wagner. Neben dem Ziel, abstinent zu bleiben, gehören Risiko- und Konfliktmanagement, sinnvolle Freizeitgestaltung, Arbeit, Bildung und soziale Verantwortung zu den Themenfeldern, die im Rahmen der Therapie erarbeitet werden.

Den Straftätern soll ein kontinuierlicher Weg aus der Haft über Therapie und Ausgliederungsmaßnahmen in ein selbstständiges Leben aufgezeigt werden. 40 bis 50 Prozent der Patienten sind jedoch nicht in der Lage oder bereit, zu kooperieren und brechen die Therapie vorzeitig ab – was, so Wagner, der normalen Abbrecherquote im Suchtbereich entspricht.

Das zehnjährige Bestehen der Forensischen Psychiatrie und Psychotherapie in Hirsau war für Matthias Wagner ein willkommener Anlass zur Standortbestimmung und Überprüfung der Ansätze und Positionen des Maßregelvollzugs sowie der therapeutischen Konzepte. "Wir bewegen uns im Grenzfeld zwischen Justiz und Medizin", erklärte der medizinische Direktor. Er sieht die Patienten der Einrichtung sowohl als Täter wie auch als Opfer ihrer Erkrankung: "Wir müssen auf beide Rollen schauen."

Schutz geht vor erneuter Straffälligkeit

Fachlich fundiert geschah dies im Rahmen der Fachtagung durch die beiden Referenten Klaus Hoffmann, vom ZfP Reichenau, der die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unter Berücksichtigung aktueller Forschungsergebnisse beleuchtete, und Bundesrichter a.D. Wolfgang Pfister, der die Frage erörterte, ob die gesetzgeberischen Bemühungen des Maßregelvollzugs nach dem Strafgesetzbuch eine "hinreichende Erfolgsaussicht" haben.

Dabei stand außer Frage, dass der Schutz der Bevölkerung vor einer erneuten Straffälligkeit Priorität haben müsse und dies am effektivsten durch eine erfolgreiche Therapie erreicht werden könne.