Auch in diesem Jahr hoffen die Veranstalter der Calwer Vesperkirche auf ein volles Haus. Foto: Archiv: Mehne

Wenn Obdachlose mit Schlipsträgern speisen: Rund 200 Helfer werden noch gesucht. "Startkapital" fehlt dieses Mal.

Calw - Bald ist es so weit: Die zweite Vesperkirche startet am 6. März in Calw. Die Vorbereitungen sind in vollem Gange und für reichlich gutes Essen ist bereits gesorgt. Im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten gibt Pfarrer Dieter Raschko Auskunft über das Projekt.

Ein Mann kommt in die Vesperkirche. Er erwartet nicht viel, er erhofft sich nur, etwas zu essen zu bekommen und nicht weiter aufzufallen. Doch als er die Vesperkirche zögerlich betritt, schlägt ihm etwas anderes als erwartet entgegen. Menschen aller Altersklassen, unterschiedlicher Herkunft und Berufsgruppen sitzen gemeinsam am Tisch. Sie essen, lachen und reden miteinander. Der Mann überlegt nicht lange und gesellt sich dazu, um auch ein Teil der Gemeinschaft zu werden.

So ging es vielen Menschen, die vergangenes Jahr die Vesperkirche besucht haben. Die ausschließlich positiven Rückmeldungen haben besonders Calws Stadtpfarrer Raschko erfreut. "Ich habe nichts Negatives gehört, sowohl die Helfer als auch die Besucher waren von der Vesperkirche und ihrer festlichen Atmosphäre hellauf begeistert", sagt Raschko. Das einzige was es zu verbessern gebe, sei die Tischmusik. Diese solle etwas gedämpfter sein, damit sich die Besucher besser unterhalten können.

Vorbereitungen Derzeit laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. "Wir brauchen noch freiwillige Helfer, denn beim letzten Mal kamen ungefähr 500 Gäste am Tag", erklärt er. Eine solch große Gruppe zu versorgen gelinge aber nur, wenn genügend Helfer mitarbeiteten. Bislang gebe es 70 Freiwillige, gebraucht würden aber etwa 270 Helfer, da 250 bis 400 Gäste pro Tag erwartet würden.

Die Spedition Bauer ist auch dieses Mal wieder mit im Boot. Sie liefern, lagern die Tische ein und helfen, die Kirchenbänke abzubauen. Die Stadt Calw stellt außerdem genügend Tische zu Verfügung, sodass die Kirche sich um fehlendes Material keine Sorgen machen muss.

Das Essen sei prinzipiell kostenlos, damit jeder, egal ob reich oder arm, etwas bekommt. Wer könne, sei gebeten, einen Euro zu bezahlen – oder, je nach finanzieller Situation, selbstverständlich auch mehr, um das Projekt Vesperkirche zu unterstützen. Nach oben sind den Spenden keine Grenzen gesetzt.

Der Kerngedanke Natürlich soll es bei der Vesperkirche aber nicht nur ums Essen gehen. "Das geheime Thema der Vesperkirche ist es, für zehn Tage die Milieus aufzubrechen und sich gegenseitig wirklich wahrzunehmen", sagt der Stadtpfarrer. Er betont, dass sich die Einladung in die Vesperkirche explizit nicht nur an Menschen mit kleinen Geldbeuteln richtet. Die Veranstalter wünschen sich ein gemischtes und vor allem großes Publikum. Durch die große Masse müsse sich niemand als Benachteiligter outen. Der Kerngedanke der Vesperkirche sei es, die Gemeinschaft zwischen verschiedensten Menschen zu fördern – und nicht zuletzt jenen, die einsam sind, eine Gelegenheit zu bieten, soziale Kontakte zu knüpfen. Ein gemeinsames Essen am selben Tisch sei dazu genau das Richtige. "Am Ende sollte es so sein, dass der Obdachlose neben dem Schlipsträger der Sparkasse sitzt und sie miteinander sprechen."

Das Essen Das Essen für die Vesperkirche wird wieder von der Metzgerei Blum kommen. Wie im vergangenen Jahr soll es wieder eine Suppe, ein Hauptgericht und eine Nachspeise geben. "Dieses Jahr wird aber häufiger Geflügel serviert, damit auch Menschen aus anderen Kulturkreisen mitessen können", erklärt Raschko. Es stehe jetzt schon fest, dass es einen Wildtag und stets eine vegetarische Alternative geben werde.

Zusatzangebote Darüber hinaus sollen wieder Ärzte und Seelsorger vor Ort sein, um sich die Probleme von jedem, der sich öffnen möchte, anzuhören. Dazu gibt es auch Rückzugsmöglichkeiten, um in Ruhe zu sprechen. Des Weiteren könne man sich jeden Tag segnen und salben lassen. Zudem gebe es wieder mehrere Friseure, die kostenlos die Haare schneiden. "Das war bisher der Renner, die Leute standen in Schlangen auf der Empore, um sich von den vielen Friseuren die Haare schneiden zu lassen", sagt der Pfarrer.

Abendprogramm Das Abendprogramm der Vesperkirche stehe ebenfalls schon fest. Am 9. März kommt die Brenz-Band nach Calw in die Vesperkirche. "Der Auftritt der Brenz-Band wird besonders spannend", freut sich Raschko. Doch das sei nicht die einzige Band, die in die Vesperkirche komme. Für den 7. März haben sich die Stuttgarter Saloniker angekündigt. Der Auftritt der Musiker sei im Rahmen eines alpenländischen Abends geplant, bei dem es typische Snacks und alpenländische Musik geben soll, erzählt der Pfarrer erfreut.

Zudem werde ein Informations- und Diskussionsabend unter der Leitung von Paul Schobel und Andres Hiller angeboten. Das Thema: "Autoland ist abgebrannt". Dabei sollen Fragen wie "Was tun, wenn keiner mehr Autos kauft?" oder "Kann sich der Autostandort hier in Baden-Württemberg halten?" aufgegriffen und diskutiert werden.

Finanzierung Trotz der bislang erfolgreich laufenden Vorbereitungen gebe es aber noch einen Wermutstropfen: Die Finanzierung des Projekts sei derzeit noch nicht im grünen Bereich. Denn: Insgesamt werde die Vesperkirche wieder rund 35 000 Euro kosten. Für die Vesperkirche im vergangenen Jahr seien auf dem Weihnachtsmarkt bereits 8000 Euro als "Startkapital" gesammelt worden. "Diese fehlen uns dieses Mal", erklärt Raschko. Die Frage der Sponsoren sei ebenfalls noch nicht geklärt. Im Vorjahr hatten sich vor allem die Firmen Börlind und Perrot als große Sponsoren beteiligt.