Annika Roos macht eine Ausbildung zur Bestatterin / Mit ihrem Traumberuf trifft sie in ihrem Umfeld nicht nur auf Verständnis

Von Jannik Nödinger

 

u  Es ist morgens acht Uhr. Annika Roos sitzt mit ihren Kollegen im Besprechungsraum. Sie gehen die anstehenden Arbeiten durch. Karten müssen gedruckt, Särge ausgeschlagen und ein Grab muss ausgehoben werden.

Annika Roos ist 22 Jahre alt. Gerade macht sie eine Ausbildung zur Bestatterin und ist im zweiten Lehrjahr bei der Firma Weiß-Bestattungen in Jettingen. Ihr Ziel ist es, Bestattungs-Fachkraft zu werden.

Einfühlungsvermögen und Geschicklichkeit

Für sie ist das ein Traumjob, den sie sofort wieder wählen würde, da er sehr vielfältig ist: Büroarbeit gehört ebenso dazu, wie das Ausheben der Gräber mit dem Bagger. Auch handwerkliche Geschicklichkeit ist gefragt, wenn sie etwa Beschläge an den Sarg anbringt. Genauso wichtig ist Einfühlungsvermögen bei Trauergesprächen mit Angehörigen. Auf der anderen Seite muss sie sich kreativ bei der Dekoration zeigen sowie würdevoll beim Herrichten des Verstorbenen.

Eigentlich wollte Annika Roos nach dem Abitur Psychologie studieren, aber noch während das Bewerbungsverfahren lief, lernte sie auf dem Begräbnis ihrer Oma einen Bestatter kennen, kam mit ihm ins Gespräch, und beschloss dort ein Praktikum zu machen. Danach war für sie alles klar, der Berufswunsch stand fest. Ihre Familie unterstützte sie dabei, doch für einige ihrer Freunde war es nicht einfach, ihre Arbeit zu akzeptieren. Einige Freundschaften zerbrachen sogar.

So sehr Annika Ross ihren Beruf liebt, stößt sie dennoch gelegentlich an ihre Grenzen, etwa wenn sie bei eisigen Minusgraden Gräber ausheben oder bei schlechtem Wetter draußen sein muss. Besonders schlimm ist es für sie, wenn sie die Gräber von jungen Menschen ausheben muss – von jungen Leuten etwa in ihrem Alter, die bei einem Verkehrsunfall gestorben sind. Genauso schrecklich ist es für sie, wenn Kinder versterben. Dann denkt sich Annika manchmal: "Oh Mann, wo anders hätte ich es vielleicht leichter heute." Doch wenn die Angehörigen sich trotz ihres Schmerz und Leids bei ihr bedanken, gibt es ihr die Bestätigung das Richtige zu machen.

Viele brechen die Ausbildung ab

In den letzten Jahren hat sich die Art der Bestattung geändert. Früher waren es hauptsächlich Erdbestattungen, heute überwiegt die Feuerbestattung. Diese Form wird oft gewählt, weil sie billiger ist, oder weil die Angehörigen das Grab nicht pflegen können oder wollen. Manche wählen eine besondere Form der Bestattung, etwa in einem Wald, auf dem Meer oder sogar im All. Wieder andere wählen eine anonyme Bestattung. Damit ist der genaue Ort des Grabs oder der Urne unbekannt.

Annika Roos ist sich sicher, man kommt nur dann mit dem Alltag klar, der ihr Beruf mit sich bringt, wenn man es wirklich möchte Bestatter zu sein. Aus der Berufschulklasse haben viele inzwischen die Ausbildung abgebrochen, die einmal mit ihr zusammen begonnen haben. Bestatterin zu werden ist eben kein alltäglicher Beruf – da ist sich Annika Roos sicher. u  Der Autor ist Schüler der Klasse 8a des Otto-Hahn-Gymnasiums in Nagold.