Calw-Stammheim - Orangefarbene Sammeleimer für Schuhe und Textilien säumen derzeit die Straßen von Stammheim. Ein Satz auf dem Deckel der Eimer lässt dabei aufhorchen: "Mit Katzenfängern haben wir nichts zu tun". Wir erklären, was dahintersteckt.

"Immer wieder hört man davon, dass quer durch Deutschland Katzen verschwinden. Sind Altkleidersammlung, Schuhsammlung und Tierfänger eng miteinander verknüpft?" Diese Frage findet, wer die Internetseite www.haustierdiebstahl-in-deutschland.de aufruft.

Die Gerüchte

Die Homepage ist nur eine von vielen im Netz, die eine Verbindung zwischen verschwundenen Tieren und Altkleidersammlungen vermutet. Weiter steht dort zu lesen, dass die Sammler zwar wohl nicht direkt mit den Tierfängern in Verbindung stehen. "Tierfänger nutzen jedoch die Altkleider-Sammelgebiete als Deckung für Ihre Arbeit. Sie fangen dort die Haustiere ein, die sie brauchen und der Verdacht fällt auf die Altkleidersammler, die sauber sind", heißt es ferner. Allein die Wachsamkeit von Tierhaltern könne dagegen helfen. Doch was ist dran an dieser Vermutung?

Seit Jahren kursieren vor allem im Internet Gerüchte dieser Art. Häufig taucht in diesen Geschichten ein weißer Lieferwagen ohne Firmenaufschrift auf, in dem einer oder mehrere meist nicht näher zu definierende Zeugen Gitterboxen erkannt haben wollen. Der Verdacht: Skrupellose Tierfänger nutzen Altkleidersammlungen, entweder direkt oder indirekt, um Häuser vor allem nach Katzen auszuspähen, die dann gefangen und als Versuchstiere oder wegen ihres Fells gefangen werden.

Die Firma Menschliche Arbeit (MA), die dieser Tage in Stammheim orangefarbene Eimer für eine gewerbliche Schuh- und Textiliensammlung ausgeteilt hat, erklärt auf den Deckeln ihrer Behälter deshalb sogar eigens "Mit Katzenfängern haben wir nichts zu tun". Doch gibt es sie denn wirklich, diese anderen Sammler, die angeblich Tiere fangen? Wer weiß – die Fakten sprechen jedoch eher dagegen.

Die Fakten

So berichtete die überregionale Tageszeitung "Welt" im Jahr 2014, die Rechtslage in Europa lasse keinen vernünftigen Grund erkennen, in größerem Stil auf Katzenfang zu gehen. Denn: Laut europäischer Verordnung und deutschem Tierschutzgesetz müssten Versuchstiere seit Jahrzehnten aus kontrollierten, registrierten Zuchten stammen. Einerseits aus Tierschutzgründen, andererseits, damit Forschungsergebnisse vergleichbar sein könnten. Willkürlich eingefangene Katzen würden die Forschungen somit unbrauchbar machen. Zwar sei es möglich, die Papiere der Tiere zu fälschen; dann könne aber auch gleich das gesamte Forschungsergebnis gefälscht werden.

Die Theorie, dass die Fänger es auf die Felle abgesehen hätten, hält laut einem Medienbericht sogar der Landestierschutzverband Baden-Württemberg für äußerst unwahrscheinlich. Der Grund: Es sei es einfacher, für einen solchen Zweck Tiere zu züchten, statt diese aufwendig einzufangen. Laut dem Bericht habe der Heilbronner Tierschutzverein vor einigen Jahren sogar Sammeleimer auf Lockstoffe untersucht. Gefunden worden sei aber nichts.

Der mögliche Ursprung

Doch woher stammen die Gerüchte? Ein möglicher Ursprung der Geschichten könnten nachgewiesene Machenschaften der 1980er-Jahre sein, von denen ebenfalls die "Welt" berichtete. So seien bis Anfang jenes Jahrzehnts vermutlich Hunderte Katzen unter anderem von reisenden Vertretern gefangen worden, die dann für 20 oder 30 Mark pro Stück zu Versuchszwecken an Pharmafirmen verkauft worden seien.

Die Sammlung

Auch abgesehen von den Gerüchten über gefangene Tiere lohnt es sich übrigens, bei Schuh- und Textilsammlungen genauer hinzusehen. Denn manche jener Aktionen erwecken den Eindruck, im Dienste der Umwelt oder anderer wohltätiger Zwecke zu stehen – obwohl dies gar nicht der Fall ist.

"Wir garantieren, dass Ihre Ware aussortiert wird und tragbare Kleider und Schuhe weitergegeben werden", heißt es beispielsweise auf den derzeit in Stammheim verteilten Eimern. Eine Formulierung, wie sie auch von gemeinnützigen Sammlungen verwendet werden könnte. Fairerweise sei jedoch gesagt: Insgesamt betrachtet spielt die Firma MA mit offenen Karten. Denn direkt unter dem Hinweis mit den Katzenfängern ist deutlich erkennbar zu lesen, dass es sich um eine gewerbliche Sammlung handelt; der Betrieb also mit dem Verkauf der Waren Geld verdient.

Etwas anders verhielt es sich – ebenfalls in Stammheim – dagegen bei einer Sammlung im vergangenen Jahr. "Schuh- und Kleidersammlung im Dienste der Umwelt" prangte in großen Buchstaben auf dem Deckel der grünen Plastikeimer, die im Sommer 2017 vor Häusern und in Hofeinfahrten in Stammheim verteilt wurden. Weiter unten dann der Satz: "Das Sammelgut wird nach der Sortierung nach Afrika geschickt." Was wie Wohltätigkeit aussah, hatte vermutlich einen anderen Hintergrund. Denn: Ganz oben, neben dem Firmennamen "T.S. Gebrauchtwaren", war das Kleingedruckte zu lesen: "Kommerziell und steuerlich angemeldet". Die Firma "T.S. Gebrauchtwaren" ist im Internet übrigens nicht zu finden. Dafür ein mittlerweile rund ein Jahr alter Medienbericht, in dem die Firma zugibt, dass die gesammelten Waren dazu verwendet würden, "Unkosten" zu decken.

Info: Rechtslage und Wohltätigkeit

Eine gewerbliche Schuh- und Textilsammlung, wie sie derzeit in Stammheim läuft, ist durchaus legal. Das hatte der frühere Calwer Ordnungsamtsleiter Matthias Rehfuß bereits im vergangenen Jahr auf Anfrage unserer Zeitung erläutert.

Im Jahr 2013 wurde das Sammlungsgesetz Baden-Württemberg aufgehoben. Dieses regelte, wer wann wo sammeln darf – und warum. "Jetzt darf quasi jeder entsprechende Eimer vor die Türen der Hausbesitzer stellen", hatte Rehfuß ausgeführt. Das Problem seien jedoch nicht die Eimer – sondern dass gewerbliche Sammlungen gemeinnützigen das Wasser abgraben.

Diese Schwierigkeiten kennt man auch beim Deutschen Roten Kreuz, einem der größten Altkleider-Sammler Deutschlands. Auf ihrer Homepage verkündet die Organisation, sie betrachte die Entwicklung mit Sorge: "Denn natürlich wirkt sich das negativ auf unsere Sammlungsmengen aus." Sie appellieren daher, "nur an bekannte und seriöse Organisationen zu spenden, die sich mit Namen und Adresse zu erkennen geben und dort auch erreichbar sind."