Bezirkskantor Martin W. Hagner und seine Musiker beschäftigten sich mit dem Thema Tod und Sterben. Foto: Fritsch Foto: Schwarzwälder-Bote

Bezirkskantor Martin W. Hagner hat alles fest im Griff / Chor legt anfängliche Nervosität mit der Zeit ab

Von Daniel Krummacher

Calw. Am Montagabend widmeten sich Kantorei, Kantatenchor, Kirchenchor und Kammersinfonie unter der Gesamtleitung von Bezirkskantor Martin W. Hagner in der Stadtkirche dem Thema Tod und Sterben. Mit Distlers "Totentanz" und Cherubinis "Requiem" versetzten sie die Zuhörer in ergriffene Stille.

Gelegentlich wird vermutet, dass die Christen den Termin für Allerheiligen vom keltischen Fest "Samhain", einem Totenfest am ersten Tag des Winters, übernommen hätten. Insofern bot sich dieser Tag für eine musikalische Auseinandersetzung mit dem Thema Tod und Sterben an. Mit ihrer Akzentuierung auf die Unerbittlichkeit des Todes schienen Hugo Distlers Chorwerk "Totentanz", vom gleichnamigen Lübecker Bilderzyklus inspiriert, und Luigi Cherubinis "Requiem" dafür wie geschaffen.

In seiner A-Cappella-Komposition vertonte der Nürnberger Kirchenmusiker die Sprüche von Johannes Scheffler, genannt Angelus Silesius, aus dessen "Cherubinischem Wandersmann", während er die Dialogtexte von Johannes Klöcking, Nachbildungen der alten mittelniederdeutschen Reimverse, einem Sprecher zuwies. Ergänzend dazu hat Hagner ein Figurentheater entworfen, bei dem die Dialoge durch Scherenschnitt-Silhouetten anschaulich dargestellt wurden.

Der Calwer Kantorei gelang es dabei vor allem im fünften, siebten, zehnten und elften der insgesamt 14 Sprüche, die groteske Zusammenstellung von Todeserschrecken und gesteigerter Lebenslust musikalisch umzusetzen. Hier machten die Sänger die tödliche Unerbittlichkeit erfahrbar. Dabei stimmten Engagement, Spannung und damit die Intonation. Insgesamt steigerte sich der Chor bei dem anspruchsvollen Stück zunehmend und legte den anfänglichen Respekt immer mehr ab. Dass Hagner vor jedem Teil mit viel Ruhe die Töne angab, verlieh weitere Sicherheit.

Leicht steigern könnte sich auch Hans Kriese als Sprecher, der deutlich artikulierte und seinen Fokus auf die gereimten Alexandriner legte, die diversen Rollen aber in puncto Prosodie noch differenzierter hätte ausgestalten dürfen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Tod seine Dialogpartner in hierarchischer Abfolge der Ständegesellschaft zum Tanze bittet – vom Kaiser bis hin zum Säugling – hätte man sich die ersten Sprüche vom Chor ebenso intensiv gewünscht wie den letzten. Dann wäre das alle Strophen verbindende Totentanz-Motiv als roter Faden noch klarer erkennbar gewesen.

Bei Cherubinis Requiem in c-Moll verstärkten Kantatenchor, Kirchenchor und Kammersinfonie die Kantorei, was sich klanglich bemerkbar machte. Das Dies Irae zu Beginn der Sequentia und besonders Quaerens Me Sedisti erwuchsen so zu eindrucksvollen Spektakeln. Kontrastierend dazu schön sanft "sanctus Michael" im Offertorium, dann wieder italienisch-leidenschaftlich von "quam olim Abrahae" bis "semini eius" – die Musiker überzeugten in dem frühromantischen Werk gerade in den wenigen energischen und opernähnlichen Passagen. Das machte die überwiegend im Orchester auftretenden Intonationsschwankungen wett.

Mit leisem, nachdrücklichen Ende beendeten die Instrumentalisten schließlich ihr Konzert, für das sie sich den Applaus verbaten und die Zuhörer so in ergriffener Stille minutenlang verharren ließ.