Dem Bahnhof Weil der Stadt kommt eine Schlüsselposition in den Bahn-Plänen zu. Foto: avmediafactory

Verkehrsausschuss trifft Entscheidung einstimmig. Hermann-Hesse-Bahn soll reaktiviert werden.

Kreis Calw/Stuttgart - Die S 6 nach Calw wird die erste S-Bahn, die über die Grenze der Region Stuttgart hinaus verkehrt - das hat der Verkehrsausschuss der Region Stuttgart in seiner jüngsten Sitzung einstimmig beschlossen.

In Vorberatungen mit dem Landkreis Calw und dem Verkehrsministerium Baden-Württemberg habe man die Rahmenbedingungen und Finanzierung festgelegt, die nun zur Umsetzung kommen können, heißt es in einer Pressemitteilung der Region Stuttgart. In der Vorstufe soll die Hermann-Hesse-Bahn reaktiviert und eine Zusatz-S-Bahn zwischen Weil der Stadt und Zuffenhausen eingeführt werden, bevor die S 6 nach Calw verlängert wird.

Förderung von bis zu 90 Prozent der Kosten möglich

Zur Entscheidung beigetragen haben laut Region Stuttgart unterschiedliche Aspekte. So bedürfe die S 6 einer Entlastung im Abschnitt zwischen Weil der Stadt und Zuffenhausen, da die S-Bahn dort derzeit das einzige Schienenangebot ist. Eine Zusatz-S-Bahn in der Hauptverkehrszeit könnte die Entlastung ganz ohne Infrastrukturausbau bringen. Diese würde nicht an allen Haltestellen auf der Strecke halten und hätte daher eine etwas kürzere Reisezeit.

Das im Ausschuss vorgestellte Konzept sieht vor, dass die Zusatz-S-Bahn im Abschnitt zwischen Renningen und Weil der Stadt Vorrang vor der Hermann-Hesse-Bahn erhält. Letztere endet in der Hauptverkehrszeit bereits in Weil der Stadt. Der Einsatz der Hermann-Hesse-Bahn auf dem Abschnitt zwischen Calw und Weil der Stadt erfordert für Reisende bis nach Stuttgart einen Umstieg auf die Zusatz-S-Bahn, weshalb dieses Konzept nur bis zur durchgängigen Verlängerung der S 6 bis Calw zum Tragen kommt. Hierfür ist noch die Elektrifizierung des Abschnitts zwischen Calw und Weil der Stadt nötig.

Die vorgesehene Neuregelung des Bundesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes begünstigt dieses Konzept zusätzlich, denn es ermöglicht eine Förderung von bis zu 90 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten.

Für den Bau und Betrieb der beiden Ausbaustufen sollen die regionalen Finanzierungsgrundsätze gelten. So wird die Zusatz-S-Bahn in den bestehenden Verkehrsvertrag aufgenommen und bedarf für ihren Betrieb innerhalb der Region keiner zusätzlichen Finanzierungsregelungen. Mit dem Verkehrsministerium Baden-Württemberg und dem Landkreis Calw will die Region eine Vereinbarung über die weitere Finanzierung schließen. Der Verband Region Stuttgart bleibt bei der grenzüberschreitenden S-Bahn der Besteller, sodass er weiterhin die vollumfängliche Zuständigkeit hat.

Der regionale Verkehrssauschuss hat in seiner Sitzung die Umsetzung des Ausbaus sowie die Vorbereitung einer Kooperationsvereinbarung mit dem Land und dem Landkreis Calw beschlossen.

Rainer Ganske (CDU/ÖDP) zeigte sich erleichtert: "Was lange währt, wird endlich gut. Es macht Sinn, eine durchgehende und umsteigefreie Verbindung ins Oberzentrum Stuttgart anzubieten." Er plädierte dafür, die S-Bahn-Lösung "schnellstmöglich" umzusetzen. Das Ergebnis befriede nun das strittige Thema und sei insofern gut für die Fahrgäste und die Bevölkerung vor Ort.

Riegger: Es lohnt sich, an politischen Zielen festzuhalten

Stefan Belz (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete die Lösung als "großen Schritt". Es sei gut, dass "der Knoten aufgelöst" sei. Belz betonte, dass die Vorstufe jedoch nur ein "erster Baustein" sein könne, Ziel sei eine rasche umsteigefreie Verbindung in den Landkreis Calw. Mit dem zusätzlichen Angebot nehme die Region ihre Verantwortung wahr, den ÖPNV weiter voranzubringen.

Bernhard Maier (Freie Wähler) kritisierte, den Bahnhof Renningen nur für eine Übergangsphase wegen des Halts der Hermann-Hesse-Bahn in der Nebenverkehrszeit umzubauen. Zudem forderte er, die Strecke "bereits jetzt S-Bahn-kompatibel zu bauen". Für Thomas Leipnitz (SPD) ist es erfreulich, dass nun eine S-Bahn-Lösung komme und das Projekt bald Fahrt aufnehme. Weiter: "Das nützt den Fahrgästen und den Menschen an der Strecke." Auch er appellierte an den Landkreis Calw, seine Zusagen einzuhalten.

Joachim Hülscher (AfD) zweifelt den raschen Fortgang des Vorhabens an: "Nach den jahrelangen Verhandlungen gehe ich nicht davon aus, dass das Projekt jetzt schnell umgesetzt wird." Hans Dieter Scheerer (FDP) sagte: "Wir sind ein ganz großes Stück weiter." Doch auch er hält den Umbau des Renninger Bahnhofs für falsch. Wolfgang Hoepfner (DIE LINKE/PIRAT) bedauerte die jahrelangen Verzögerungen. Auch kritisierte er das "Nadelöhr" zwischen Weil der Stadt und Renningen, das leistungsfähige Nahverkehrsangebote verhindere.

Positiv reagiert man im Calwer Landratsamt auf den Stuttgarter Beschluss. Der Zweckverband Herrmann-Hesse-Bahn begrüßt es sehr, dass sich die Mitglieder des regionalen Verkehrsausschusses des Verbands Region Stuttgart einstimmig für die Hermann-Hesse-Bahn und die Verlängerung der S 6 über die Regionsgrenzen hinaus bis Calw ausgesprochen haben, heißt es in einer Mitteilung aus Calw.

Diese Entscheidung für eine künftig durchgehende und umsteigefreie Schienenanbindung von Calw nach Stuttgart als Stufe zwei des im Zuge der Realisierung der Hermann-Hesse-Bahn vereinbarten Stufenkonzepts sei ein "Meilenstein für die gesamte Metropolregion". Sie trage "ganz wesentlich zur Weiterentwicklung eines nachhaltigen, leistungsfähigen und attraktiven Verkehrsangebots für die Berufs- und Freizeitpendler in der europäischen Metropolregion Stuttgart und zur Stärkung des ÖPNV bei". Damit könne man eine weitere Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene erreichen und folglich auch einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

"Es zeigt sich einmal mehr, dass es sich lohnt, an seinen politischen Zielen festzuhalten. Nur so können gute Ergebnisse für die Bürgerinnen und Bürger erzielt werden", so das Fazit des Calwer Landrats Helmut Riegger in seiner Funktion als Vorsitzender des Zweckverbands Hermann-Hesse-Bahn.