Stadtkirche Repro: Würfele Foto: Schwarzwälder-Bote

Heimatgeschichte: Calwer würdigen Reformation seit Jahrhunderten / Vor 100 Jahren Bitte um Dankspende

Calw. Mit dem Reformationstag, 31. Oktober, fanden in Deutschland die Feierlichkeiten zum 500-jährigen Jubiläum der Reformation ihren Abschluss. In Calw wurde dieses Jubiläum wie an anderen Orten mit Veranstaltungen, Gottesdiensten, Ausstellungen und Konzerten gewürdigt.

Zum Ende des Kirchenjahres stellt sich nun die Frage, wie in der Stadt an der Nagold vor 200 und vor 100 Jahren an Luthers Thesenanschlag erinnert wurde.

1817 hatte Calw noch keine eigene Zeitung, die gab es erst ab 1826. Doch im Calwer Tagblatt ist zum Reformationsjubiläum von 1917 zu lesen, dass auch 100 Jahre zuvor eine Reformationsfeier in der Stadt abgehalten wurde. Dabei sollen zwei Lindenbäume vor der Stadtkirche gepflanzt worden sein, die Schuljugend habe damals mit Liedbeiträgen mitgewirkt.

Bäume gepflanzt

Wenige Tage später erschien eine Zeitungsnotiz, wonach die Pflanzung am 17. Dezember 1817 stattgefunden habe. Der Calwer Kirchenchronist Hanspeter Michel schreibt in seiner Geschichte über die Stadtkirche 1988, dass man "zur 300-Jahr-Feier der Reformation 1817 vor der Kirche zwei Bäume, eine Eiche und eine Akazie gepflanzt habe. Beide Bäume gingen aber bald ein, sodass bereits vier Jahre später an deren Stelle zwei kleine Linden standen."

Die am südlichen Teil des Chores stehende Linde ist, wie Hermann Wulzinger in den Unterlagen des evangelischen Kirchengesangvereins feststellen konnte, am 20. Juli 1919 einem heftigen Südwind zum Opfer gefallen. Die andere "Lutherlinde" war im Laufe der Zeit zu einem stattlichen Exemplar herangewachsen und bildete zusammen mit der Stadtkirche fast zwei Jahrhunderte lang ein prächtiges Ensemble am oberen Marktplatz. Sie musste im Juli 2011 wegen eines Brandkrustenpilzes gefällt werden.

Zur 400-jährigen Wiederkehr der Reformation im Oktober 1917 stand Deutschland mitten im Ersten Weltkrieg. Während das Calwer Tagblatt von "amtlich verordneten" Erfolgsmeldungen auf den Kriegsschauplätzen berichtete, litt die einheimische Bevölkerung große Not. Fleisch, Brot und andere Lebensmittel gab es nur noch gegen Bezugsmarken. Königliches Oberamt, städtische Ämter und Geschäfte mussten zur Einsparung von Licht und Brennstoffen ihre Öffnungszeiten verkürzen. Der Gasverbrauch bei Haushaltsanschlüssen wurde begrenzt. Ein praktischer Arzt in der Stadt namens Mezger teilte mit, dass wegen Kohlenmangels Sonntag, Dienstag und Freitag vorerst keine Sprechstunde mehr ist. Ledersohlen mussten Holzsohlen an den Schuhen weichen.

Anstelle großer Jubelfeiern zur Erinnerung an die Reformation wurde in Württemberg um eine Dankspende gebeten, zur Lösung der durch den Krieg dringenden kirchlichen Aufgaben.

Trotz aller Not beging man am 31. Oktober 1917 das 400-jährige Reformationsjubiläum in der Stadtkirche. Bei einem Festgottesdienst mit den Schüler aller Calwer Schulen hielt der Religionslehrer am Realprogymnasium, Dekan Zeller, die Predigt.

Am Abend fand ein Gottesdienst für die Erwachsenen mit Stadtpfarrer Schmid statt, bei dem der Kirchengesangsverein mit zwei Chören aufgetreten ist.