Beim Betrachten der Bilder entstanden teilweise rege Diskussionen unter den Besuchern. Foto: Tröger Foto: Schwarzwälder Bote

Vernissage: Sebastian Wehrle stellt Porträts im Klostermuseum aus / Begeisterung sowie Widerspruch

Calw. Sind Tradition und Moderne zu verbinden? Und wenn ja, wie? Inwiefern spielt hier der Begriff Heimat mit? Anregungen zu einer munteren Diskussion hierüber lieferte die am Sonntag im Klostermuseum Hirsau eröffnete Ausstellung "Facing | Tradition" mit großformatigen Porträts des Freitaler Fotografen Sebastian Wehrle. Der Künstler kleidet für sein Projekt "Facing | Tradition" junge Menschen mit Lippenpiercings, bunten Haaren und großflächigen Tattoos oder ältere "Typen", mal hell-, mal dunkelhäutig in Schwarzwälder Original-Trachten. Damit löst er beim Betrachter Begeisterung und Widerspruch im positiven Sinne gleichzeitig aus.

Diesen Kosmos aus Tradition und Moderne, aus Brauchtum und Heimat und die vielen Facetten, die hier mit hineinspielen, thematisierte auch Hans-Martin Dittus, Fachbereichsleiter für Kultur, Tourismus und Bildung der Stadt Calw, bei der Eröffnung in der Aurelius-Kirche.

Das Fremde im Eigenen

Der Leiter der städtischen Museen Timo Heiler diskutierte mit Wehrle und Uwe Baumann, Initiator des Künstler-Projektes "Kosmos Schwarzwald" und Mitveranstalter der Ausstellung, wie modern Brauchtum sein darf. Gefragt, wo er seine Heimat verortet, nannte sich Wehrle einen "badischen Weltbürger", war er doch schon weltweit unterwegs, mit dem Fahrrad zum Beispiel von Kalifornien nach Peru. Seinen Lebensmittelpunkt hat er in der Nähe von Freiburg. Wehrle und Baumann machten deutlich, dass der Schwarzwald eine spannende Region ist, geprägt durch die Summe der Vielfalt an Dialekten und Unternehmen sowie die abwechslungsreiche Landschaft. In jedem Tal ist eine andere Tracht zuhause, meinten sie. Beim anschließenden Rundgang durch die Ausstellung im Dachgeschoss des Klostermuseums überraschten die lebensgroßen Porträts. Zu jedem findet der Betrachter eine ausführliche Beschreibung der Tracht.

Das "Urbild" der Serie, die Hornkappe aus Freiamt, mit einem geheimnisvoll, schwarz-geschminkten Model, das eine schwarze Tracht trägt, ist Ausgangspunkt für den Stil der Porträts. Mal der direkte Blick zum Betrachter, mal der Blick nach oben – immer jedoch eine spürbare Intensität in der Begegnung und Interaktion mit Fotograf und dem Betrachter. Ein auf eineinhalb Meter groß sind die auf Leinwand gedruckten Fotografien.

Im Gespräch mit den Besuchern erzählt Wehrle vom Entstehungsprozess der Porträts. Etwa eine Woche Arbeit steckt in jedem von ihnen. Eine interessante Diskussion über das Fremde im Eigenen entstand vor dem Exponat mit dem dunkelhäutigen Model in Alt-Villinger Tracht samt goldgewirkter Radhaube. Laut Wehrle spricht das Model breites Schwyzer Dütsch.

Die Eröffnung in der Aureliuskirche wurde umrahmt von der Musikerin Sann Liedtke aus Herbolzheim (Kreis Emmendingen). Sie singt zu ihrem Spiel auf der Harfe in einer Fantasiesprache.