Bei der Umsiedlungsaktion wurden erst einmal vier der gefundenen Steinkrebse unter kontrollierten Bedingungen in einem aufgestellten Gewässer-Käfig im neuen Umfeld des Schwarzenbachs genau beobachtet. Foto: Kunert

Tierschutz: Aus Entwässerungsgräben der Hesse-Bahn in den Schwarzenbach zwischen Wenden und Rotfelden.

Kreis Calw - Während man wegen der Fledermaus-Population in den Tunneln der Hermann-Hesse-Bahn noch nach geeigneten Lösungen sucht, scheint für einen anderen seltenen Bewohner der historischen Bahn-Trasse bereits eine Lösung gefunden: den Steinkrebs.

An zwei Stellen der einstigen Württembergischen Schwarzwaldbahn wurde die heute extrem rare "kleinste" der einheimischen Großkrebsarten gefunden: in einstmals künstlich angelegten Entwässerungsgräben links und rechts des Schienenstrangs zwischen Calw-Heumaden und Althengstett. "Im Hau" heißt dieser rechts der Bundesstraße 295 gelegene Geländeabschnitt.

Rund 200 bis 300 der extrem empfindlichen Gewässerbewohner, so schätzt man, hatten hier "abseits von allem", wie es Jürgen Gaul von Bezirksfischereinverband kürzlich auf einem Ortstermin der Naturschutzverbände ausdrückte, ein sicheres Refugium gefunden.

Eigentlich "ein kleines Wunder", so Gaul. Denn seit mehr als 100 Jahren gelten die Steinkrebs-Bestände in Deutschland "als komplett vernichtet". Nur noch Restbestände hätten eben in solchen Refugien überlebt. Der Grund: Damals, ab Ende des 19. Jahrhunderts, gelangte die sogenannte "Krebspest" nach Europa. Sie wurde durch vorwiegend amerikanische Flusskrebse eingeschleppt, die selbst gegen diese Pilz-Erkrankung, die die Krebspest eigentlich ist, immun sind. Die amerikanischen Flusskrebs tragen zwar den Erreger in sich – und verbreiten ihn –, gehen aber selbst nicht an ihm zugrunde.

Anders die einheimischen Flusskrebsarten, unter ihnen der Steinkrebs. Ursprünglich besiedelte dieser typischerweise kleine sommerkalte Fließgewässer mit steinigem Untergrund, die komplett frei sind von jeder organischer Belastung und kommunaler Abwässer. Außerdem besiedelte der Steinkrebs die Uferbereiche von klaren Seen in höher liegenden Regionen.

Steinkrebse gelten als extrem empfindlich, reagieren auf kleinste Verschmutzungen wie eben organische und chemische Verschmutzung, besonders auf Insektizide. Entsprechend verheerend konnten die Auswirkungen der Krebspest in dieser Art wüten, als sie erst einmal in hiesigen Breiten ankam.

Daher gelte heute jede Population dieser kleinen, um die zehn Zentimeter großen Wasserbewohner als besonders wertvoll und schützenswert. Wobei zu früheren Zeiten, wie Gaul aus historischen Quellen berichtete, diese Edelkrebse auch in hiesigen Gewässern noch in rauen Mengen gefangen werden konnten. Und auf den reich gedeckten Tischen des Adels und des Klerus landeten.

Um nun die gefundene Population der Steinkrebse in den Entwässerungsgräben der künftigen Hesse-Bahn bei Heumaden zu retten, startete das Calwer Landratsamt gemeinsam mit Biologen und dem Bezirkfischereiverband eine Umsiedlungsaktion – erst einmal testweise mit vier der gefundenen Steinkrebse. Unter kontrollierten Bedingungen wurde dieses "Steinkrebs-Quartett" in den Schwarzenbach zwischen Ebhausen-Wenden und Rotfelden eingesetzt. Genauer in einen dort aufgestellten Gewässer-Käfig, und erst einmal für vier Wochen.

Ständige Kontrollen der "Pionier-Tiere" in ihrem neuen Refugium ergaben, dass sich die Tiere in diesen Ersatz-Lebensraum gut und bisher ohne Probleme einlebten. Weshalb man nun darangehen werde, so Gaul in seinem Bericht, in einem zweiten Schritt 50 Tiere nach dem selben Modell in den Schwarzenbach umzusetzen.

Gelingt auch das, sollen schließlich in einem letzten Schritt sämtliche Tiere aus den Entwässerungsgräben der Hesse-Bahn folgen. Was übrigens für die Tiere ein absoluter Glücksfall sei, wie Reinhold Rau vom Calwer Landratsamt beim selben Ortstermin unterstrich. "Denn die beiden Entwässerungsgräben sind aufgrund der Erosion in diesem Bereich massiv einsturzgefährdet." Der bisherige Lebensraum der Calwer Steinkrebs wäre also, wenn man nichts gemacht hätte, auch auf natürlichem Wege verschwunden.

Krebssperren zur Nagold wurden installiert

Doch auch in ihrem neuen Refugium im Schwarzenbach brauchen die Steinkrebse besondere Aufsicht, um den Bestand dort dauerhaft zu erhalten. Der Schwarzenbach ist ein linksseitiger Zufluss der Nagold. Zwar leben in der Nagold bekanntermaßen heute keine Flusskrebse – auch keine amerikanischen –, aber grundsätzlich könne man nicht ausschließen, dass es dort eben doch Tiere gibt, die den gefährlichen Erreger der Krebspest in sich tragen.

"Davor müssen unsere Flusskrebse unbedingt geschützt werden", so Gaul. Weshalb man Krebssperren zwischen der Nagold und dem Schwarzenbach installiert habe, um ein Übergreifen der Krebspest auf die neuen Bewohner dauerhaft zu verhindern.