Als SRH Hochschule Heidelberg Campus Calw firmiert die Bildungseinrichtung heute. Foto: Verstl

Schließung der SRH Hochschule schmerzt Mitbegründer der FH Calw. Stadt zog bei Erweiterung nicht mit. Mit Kommentar

Calw - Die Schließung der SRH Hochschule schmerzt Bernd Neufang. "Es tut weh", sagt der Mitbegründer der Fachhochschule Calw, die 2005 vom SRH-Konzern übernommen worden ist.

"Wir haben da viel Herzblut und auch Engagement reingesteckt – und natürlich auch Geld", sagt der Seniorchef der Neufang-Akademie, eine Fortbildungseinrichtung für Steuerberater, im Gespräch mit unserer Zeitung.

Neufang ist überzeugt: Eine Hochschule ist nur dann attraktiv, wenn sie einen hohen Grad an Spezialisierung aufweist. Dann hat sie auch im ländlichen Raum eine Chance. Das zeigen die Dualen Hochschulen im Land oder auch die Hochschule in Furtwangen (Schwarzwald-Baar-Kreis).

Genau diese Spezialisierung wies die damalige Fachhochschule Calw auf, als sie 2011 gegründet wurde und ein Jahr später den Betrieb aufnahm. Sie sollte Steuerberater praxisnah ausbilden, was es bis dahin bundesweit nicht gab. Und da eine Hochschule nach Gesetz zwei Fachbereiche braucht, kamen unter der Ägide des damaligen Präsidenten der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg Thomas Hirschle die Medien- und Kommunikationswissenschaften hinzu.

Am Anfang im Ranking ganz vorne dabei

Der Erfolg ließ laut Neufang nicht lange auf sich warten. Die Fachhochschule Calw rangierte im Ranking deutschlandweit unter den Top Ten. Bald schon begannen Planungen für eine Erweiterung. Das scheiterte letztlich an der Stadt Calw unter dem damaligen Oberbürgermeister Manfred Dunst.

Er lehnte eine städtische Beteiligung an einer Kapitalerhöhung ab. Damals zählte die Hochschule 300 Studenten, zum Jahresende werden es noch 140 sein.

Dann begann die Suche nach einem Investor. Zwei Partner kamen damals in Frage. Letztlich entschied man sich für den SRH-Konzern. Neufang gesteht unumwunden ein: "Das war mein größter strategischer Fehler."

Denn schon bald musste der Mitgründer feststellen, dass Zusagen nicht eingehalten wurden.

Aus Neufangs Sicht hat der damalige Vorstandsvorsitzende Klaus Hekking die Bedeutung und Akzeptanz des Lehrkörpers nicht erkannt. Viele Dozenten kehrten der Hochschule den Rücken. Auch Hirschle (2007) und Neufang (2008) zogen die Konsequenzen.

Dozenten ohne Bekanntheitsgrad

Unter der neuen Leitung von Claudia Ossola-Haring seien die bisherigen Professoren und Dozenten durch Lehrkräfte ohne Bekanntheitsgrad ersetzt worden. Neufang: "Das konnte mittelfristig nicht gut gehen." Die Folge aus seiner Sicht: Die Spezialisierung musste aufgegeben werden. Stattdessen wurden allgemeine Studiengänge angeboten. Somit seien für die Schließung nicht die Akkreditierungskosten ausschlaggebend. "BWL muss man nicht", so Neufang, "in Calw studieren."

Nach Auffassung von Thomas Hirschle sind Hochschulen "nicht konzernfähig". Dann die Individualität, die solche Bildungseinrichtung gerade im ländlichen Raum brauchen, "passt da nicht rein".

Neufang hat dieser Tage eigens noch mal in den Gesellschaftsvertrag anlässlich der Gründung geschaut. Darin heißt es, dass strategische Entscheidungen nicht gegen den Willen der Stadt Calw getroffen werden können. Neufang: "Hier wurde unter Umständen versäumt, auf die Entwicklung der Hochschule einzuwirken und gegebenenfalls rechtzeitig nach einem neuen Träger zu suchen."

Kommentar

Erosion

Calw hat im Wettbewerb mit anderen Städten nur eine Chance als Bildungsstandort. So lautete das Credo des früheren Oberbürgermeisters Werner Spec. Das ist zwar schon ein paar Tage her, hat aber an Gültigkeit nichts verloren. Denn Industriestandort ist die Hesse-Stadt nun mal nicht und wird es trotz eines neuen Gewerbegebiets Lindenrain auch nicht werden. Da gibt die Schließung der SRH Hochschule schon zu denken. Es setzt sich ein schleichender Prozess fort. Vor Jahren schon hat die Lehrerakademie geschlossen. Dann machte die Bundesfachschule für Betriebswirtschaft im Kfz-Gewerbe (BFC) dicht. Dadurch erodiert nicht nur der Bildungsstandort, es ging der Stadt auch viel Kaufkraft verloren. Das wirkt sich im Laufe der Zeit aus. Einzelhandelsgeschäfte schließen und die Kneipen sterben. Lebendiger ist Calw seither jedenfalls nicht geworden.