Ein heißer Hauch von Moulin Rouge, vor allem, wenn die Straußenfedern weichen - das bot die Show "Let’s Burlesque". Foto: Fritsch

Tänzerinnen bringen Aula zum Kochen. Viel nackte Haut, aber stilvoll - nie billig.

Calw - Okay, es ist ein verdammt schmaler Grat, auf dem "Burlesque" agiert - stilvoll, nicht billig will es sein. Humor-, aber auch lustvoll. Eine "wilde, heiße" Party, kündigt Moderatorin Miss Evi das Glamour- und Glitzer-Programm in der Calwer Aula an. Und das Publikum tobt von der ersten Sekunde an ausgelassen mit.

Frauen sind klar in der Mehrheit im Publikum. Kein Wunder - "Burlesque ist eine extrem weibliche, superemanzipierte Form von Feminismus", sagt eben Evi Niessner in einem Interview über diese Show, die sie gemeinsam mit ihrem Mann ("Mr. Leu" am Gala-Flügel) entwickelt und inszeniert hat. "Let’s Burlesque" heißt sie. Und der Name ist Programm: Das Wort Burlesque stammt vom italienischen Wort "burla" für "Schabernack" - und genau der wird an diesem Abend mit einer ordentlichen Portion Erotik auf die Spitze getrieben.

Sinnlichkeit gefeiert

Ja, die "Herzkammer des Pietismus", wie man die Region hierzulande ja auch gerne nennt, muss nun ganz tapfer sein – viel, sehr viel nackte Haut gehört unbedingt zum Burlesque dazu. Aber nie zu viel. Hier wird niemand entblößt, hier wird die Sinnlichkeit gefeiert. Auf höchstem Niveau. "Jede Frau kann schön sein", ruft Miss Evi den Calwern zu. Die (vor allem die weiblichen) noch ein paar Grad lauter toben. Nicht Lust-, nicht Opfer-, nicht Nutzobjekte. Schon gar nicht ein Konsum-Produkt, gar nur für Männer.

Doch genug Politik und "political correctness". Lustvoll ruft Evi in die Runde: "Lasst ›Es‹ uns gemeinsam tun!" Was? Na ja - vor allem Spaß haben. Mr. Leu am Piano, das sündige Saxofon, der handgespielte Bass und das Schlagzeug legen fulminant los, als stünde ein Riesen-Orchester auf der Aula-Bühne. Tara la Luna, das Wunder von Berlin - Miss Erochica Bamboo, die Geisha aus Japan - und Coraline de Paris aus (natürlich) Paris kommen - hinter weißen Straußenfedern verborgen - die kleine Show-Treppe herunter. Ein heißer Hauch von Moulin Rouge, vor allem, wenn die Straußenfedern weichen. Wie gesagt - viel, sehr viel nackte Haut. Aber eben nie zu viel.

Es geht nicht nur um Sex

Jede der drei Burlesque-Tänzerinnen des Ensembles bekommt natürlich auch ihr Solo. Anmutig. Erotisch. Coraline von "der höheren Töchterschule" aus Paris macht den Anfang. Sie hat Astralphysik "und natürlich französisch" studiert. Koketterie, Wortwitz. Doppeldeutigkeit. Damit spielt Burlesque. Überhaupt - alles ist nur ein ganz großes Spiel hier. Einen Handschuh vom Arm zu perlen kann so viel erotischer sein als rohe Nacktheit. "Es geht nicht nur um harten, billigen Sex", sagt - heftig augenzwinkernd - Miss Evi in einer ihrer vielen, unendlich geistreichen, aber auch rastlos durch-geplapperten Moderationen ("Ich bin kein Mensch großer Worte..."). "Wir haben auch Gefühle." Das Publikum liebt sie dafür von der ersten Sekunde weg.

Apropos Liebe: "Lasst uns die Liebe und die Schönheit feiern!", forderte Miss Evi auch noch zum Auftakt der Show. Und zeigt später, was das meinen kann: beim unglaublichen, lustvollen Flirt eben mit dem sündigen, jammernden, prahlenden, buhlenden sexy (englisch gesprochen) "Saxophone" von Ben "King" Perkoff.

Der "King" verlässt bei seinem Solo schließlich die Bühne, sucht sich im Publikum eine Muse für den Abend - und himmelt sie in immer schmachtenderen Sounds seines Instruments an. Erotik am Zenit – aber gleichzeitig unendlich keusch. Genau das ist dieser schmale Grat, auf dem echte Burlesque zur Perfektion gerät.

"Ihr dürft gucken!"

Aber das geht auch noch ein bisschen derber. Die Abend-Muse vom "King" hat einen Partner dabei - Volker. Den holt sich jetzt Miss Evi jetzt an die Bühne. "Volker!? So hieß mein erster ›richtiger‹ Freund", schmachtet nun auch Evi. Und plappert sich in lustvollen Erinnerungen an "Volker" einmal mehr dermaßen in Ekstase, dass sie glatt zum Höhepunkt kommt - zumindest akustisch. Meg Ryan aus "Harry and Sally" lässt grüßen. Finaler Lacher - der zwangsläufige Kommentar: "Und? Wie war ich?"

Auch ein "Geschenk für die Ladies" gibt es: Robert Choinka, der Manic Mechanic am Reifenstapel. Ein Geschenk, das die außer Rand und Band geratenen Mädels zwar nicht mit nach Hause nehmen dürfen. "Aber ihr dürft gucken!" Und der Muskelmann in James-Dean-Optik schwitzt sich in die Herzen der Damen ("Stimmt’s, Mädels, darauf stehen wir!?"). Entledigt sich im Handstand seiner schmutzigen Jeans - erst nur halb, in der Zugabe dann endlich ganz. Steht dann da in seinen schmucken Boxershorts. Lässt sich feiern. Deutet ins Publikum, wer ihn anrufen darf. Und hat dabei nicht ein Tabu gebrochen. Nur verdammt gut ausgeschaut.