Das Innere der Nagolder StadtkircheFoto: Fritsch Foto: Schwarzwälder Bote

Corona: SPD-Bundestagsabgeordnete spricht bei Telefonkonferenz mit Glaubensvertretern aus den Kreisen Calw und Freudenstadt.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Saskia Esken setzt ihren intensiven Austausch zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie fort: In einer Telefonkonferenz suchte sie das Gespräch mit Vertretern der evangelischen und katholischen Kirchen und weiteren Religionsgemeinschaften in den Kreisen Calw und Freudenstadt.

Kreis Calw/Kreis Freudenstadt. Wie auch die anderen Teilnehmer zeigte sich die SPD-Vorsitzende im Kreis Freudenstadt, Viviana Weschenmoser, dankbar und erfreut über das überkonfessionelle Gesprächsangebot von Esken.

"Gerade die konkreten Einblicke und Berichte aus den verschiedenen Bereichen helfen mir und uns in der Politik, die Situation im Land zu erfassen, Auswirkungen unserer Entscheidungen zu verstehen und sie entsprechend weiterzuentwickeln", erläuterte Esken zu Anfang des Gesprächs. "Es ist natürlich immer wichtig, politische Entscheidungen rückzukoppeln. In dieser nie dagewesenen Situation, für die wir alle kein Drehbuch haben, in der Entscheidungen zum Schutz der Gesundheit und zum Ausgleich sozialer und wirtschaftlicher Belastungen unter hohem Zeitdruck getroffen werden müssen, sehe ich es aber als meine besondere Pflicht an, mir aktiv Feedback einholen."

Nicht allein lassen

Übergreifend berichteten die Religionsvertreter von den Herausforderungen durch die Einschränkungen des öffentlichen und gesellschaftlichen Lebens. Um die Verbreitung des Coronavirus zu verhindern, konnten bis vor kurzem keine Gottesdienste und religiöse Zusammenkünfte stattfinden. Achim Wicker, Geschäftsführer des katholischen Dekanats Freudenstadt, berichtete von Telefongottesdiensten, die gut angenommen würden. Schwierig sei es, insbesondere die älteren Gemeindemitglieder mit den neuen Angeboten, wie Live-stream-Gottesdiensten, zu erreichen, und es sei wichtig, gerade auch sie in dieser Zeit nicht allein zu lassen, erläuterte in diesem Zusammenhang Werner Trick, Dekan des evangelischen Kirchenbezirks Freudenstadt.

Der Vorsitzende der alevitischen Gemeinde in Nagold, Ergül Ciftci, berichtete von dem großen Schmerz darüber, dass Verstorbene in dieser Krisenzeit bei ihrer Überführung in die Türkei nicht wie üblich durch Angehörige der Familie und Gemeinde begleitet werden könnten. Auch für die anderen Gemeinden stellten die bisherigen Beschränkungen bei den Beerdigungen einen besonders schmerzlichen Einschnitt dar. Bis zu den Lockerungen vorletzte Woche durfte nur die engste Familie und ein sehr kleiner Kreis an weiteren Trauergästen Verstorbenen die letzte Ehre erweisen. Positiv sei aber, wie gefragt die Kirche nun sei, und dass etwa die Kirchengebäude wieder vielfach als stille Orte für den Rückzug und das Gebet entdeckt und genutzt würden, ergänzte Holger Winterholer vom katholischen Dekanat Calw.

Auch die seelsorgerische und soziale Arbeit hat sich weitgehend auf das Telefon und in den digitalen Raum verlagert oder kann gar nicht stattfinden. Erich Hartmann, geschäftsführender Dekan des evangelischen Kirchenbezirks Calw-Nagold, sprach von einem "Digitalisierungsschub" in den Kirchen, vieles in diesem Bereich komme nun schneller voran. Viele Pfarrer führten zudem in den vergangenen Wochen zahlreiche Telefonate mit Gemeindemitgliedern.

Kinder im Blick behalten

Auch in der alevitischen Gemeinde setze man auf Telefonate, gerade um mit älteren Mitgliedern regelmäßig in Kontakt zu treten und ihnen Unterstützung anzubieten, etwa beim Einkaufen. Thorsten Trautwein, evangelischer Schuldekan für Calw-Nagold, berichtete von einem neu etablierten Schulseelsorge-Chat, über den sich SchülerInnen und Lehrkräfte austauschen könnten. Auch habe man besondere Lehr- und Lernmaterialien entwickelt, mit denen ReligionslehrerInnen mit ihren Klassen diese besondere Zeit aufarbeiten könnten.

Der kommissarische Leiter des katholischen Dekanats Freudenstadt, Armin Noppenberger, ergänzte wie wichtig es sei, gerade auch die Kinder und Jugendlichen und ihre Bedürfnisse im Blick zu behalten. Saskia Esken dazu: "Ich bin Ihnen und Ihren Mitarbeitern sehr dankbar für das große Engagement in Ihren Einrichtungen. Die Religionsgemeinschaften sind Orte des Zusammenhalts! Ohne den großen gesellschaftlichen Rückhalt können wir diese Krise nicht stemmen. Politische Maßnahmen alleine reichen nicht aus, um die drastischen sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen abzufedern. Jetzt müssten wir nur noch kulturell eine größere Bereitschaft entwickeln, uns auch helfen zu lassen."

Bildung ist der Schlüssel

Für die diakonische Arbeit sprach Ralf Albrecht, Vorsitzender des Diakonieverbands Nördlicher Schwarzwald, zudem verschiedene Problemlagen an, in denen die Einschränkungen auch finanzielle Nöte mit sich brächten: etwa im Bereich der ambulanten Pflege, in der Kindertagespflege und der Erwachsenenbildung. Freizeitheime und Gästehäuser, in denen Bildungsarbeit stattfindet, stünden derzeit leer, auch hier entstünden größere finanzielle Lücken, auf die er auch die Politik aufmerksam machen wolle.

Saskia Esken versprach, die Hinweise und Anregungen nach Berlin mitzunehmen: "Wir sehen natürlich, unter welchem hohen Druck auch die Einrichtungen der Erwachsenenbildung stehen und müssen überlegen, unter welchen Voraussetzungen hier Lockerungen möglich werden. Bildung ist doch der Schlüssel zur Bewältigung gesellschaftlicher Entwicklung, und da sind wir auf die Vielfalt der Anbieter angewiesen.