Auch der Nikolauskapelle hat Karl Doll ein Sonett gewidmet. Foto: Bausch Foto: Schwarzwälder-Bote

Auf den Spuren des früheren Calwer Oberamtmanns Karl Doll / Auch Kreisarchivar Martin Frieß ist beeindruckt

Von Bettina Bausch

Calw. Die Schönheit der Hessestadt mit anderen Augen sehen: Das konnte eine Gruppe geschichtlich und literarisch interessierter Teilnehmer erleben, die an einer besonderen Führung mit Vor-Ort-Lesungen teilnahm.

"Ein freundlich Schwarzwaldkind mit duft’gen Wangen, dem kühle Wasser leis den Fuß bethauen, so ruhst du zwischen lichten, grünen Auen. Von echter Schönheit wunderbar umfangen". Könnte Hermann Hesse mit solchen Worten sein geliebtes Gerbersau besungen haben? Weit gefehlt, die Zeilen sind jedoch der Anfang des Sonetts "Chalewa", in dem der frühere Calwer Oberamtmann Karl Doll die Schönheit Calws preist.

Noch vor kurzem wusste kaum jemand, wer dieser Dichter war. Erst als der Stuttgarter Jiri Hönes in Zusammenarbeit mit Kreisarchivar Martin Frieß ein Buch über den Chef des früheren Oberamts Calws vorlegte, wurde man auf Doll aufmerksam. Dieser wurde in Stuttgart geboren, wuchs in Ulm auf, studierte in Tübingen und wurde württembergischer Verwaltungsbeamter. Von 1872 bis 1879 lebte er in Calw und war von der Schwarzwaldstadt und ihrer Umgebung so angetan, dass er sie mit vielen Gedichten einfühlsam lobte.

Hönes und Frieß hatten zu einem literarisch-historischen Spaziergang durch Calw eingeladen. Der Rundgang begann neben der Stadtkirche, wo bis in die 1960erJahre das Oberamtsgebäude stand. Hier hörten die Teilnehmer zunächst das Gedicht "Calewa", in dem es unter anderem heißt: "Zwar magst du nicht in Gold und Marmor glänzen… Und dennoch ziemt es, dir die Stirn zu grenzen".

Auch der Kreisarchivar zeigte sich beeindruckt von der Schönheit Calws. "Sie stehen hier auf einem der schönsten Markplätze Deutschlands", schwärmte er und verwies auf die schmucken Fachwerkhäuser rund um den Platz.

Die Vorgängerkirche der heutigen Stadtkirche hat Doll in einem Gedicht ebenfalls gewürdigt. Darin heißt eine Zeile: "Um deiner Jugend Zierde längst betrogen". So drückte Doll poetisch den schlechten Zustand des Barockbaus aus, der dann auch wenige Jahre später abgerissen und durch die neugotische Stadtkirche ersetzt wurde.

Weiter ging es zum Rathaus. Auch für diesen imposanten Bau hat Doll ein Sonett geschrieben, das dort zu Gehör gebracht wurde. Ausführlich ging Hönes auf Besonderheiten der betreffenden Stelle ein. So erfuhren die Zuhörer vieles über den Bau des Rathauses nach dem großen Brand von 1692, über den imposanten Löwen als Wappentier von Calw, den Unteren Marktbrunnen und vieles mehr. Auch dem Georgenäum wurde ein Besuch abgestattet. Im gleichnamigen Sonett preist Doll diesen damals ganz neuen Bau und ihre Stifter Emil Wilhelm von Georgii-Georgenau sowie seine Calwer Frau Sophie Emilie, geborene Gärttner.

So wurden zehn Stationen besucht, darunter die Nikolauskapelle, die Nagold und die Bischofstraße. Alle hat Doll in seinen Gedichten gewürdigt. Das Gedicht "Schienenwege" zeigte, dass der Oberamtmann nicht nur ein feinfühliger Schöngeist, sondern auch fürsorglicher Verwaltungsmann war. Als er 1872 nach Calw kam, war die Bahnverbindung nach Stuttgart erst wenige Monate in Betrieb. "Der Ruf erscholl: Dem Dampfross eine Gasse!" lässt Oberamtmann Doll sein Gedicht über die damals neue Eisenbahn enthusiastisch erklingen. Er hatte trotz seiner Liebe für das Schöne auch die große Bedeutung der Bahnanbindung von Calw erkannt.