Experten und Politiker diskutierten über den Breitbandausbau im ländlichen Raum. Foto: Biermayer Foto: Schwarzwälder Bote

Infrastruktur: Breitbandgipfel in Hirsau mit Experten und Vertretern der Regionalpolitik / Unzufriedenheit der Wirtschaft

Eine schnelle Internetverbindung ist heutzutage für Unternehmen eine unabdingbare Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg. Deshalb haben die IHK Nordschwarzwald, der Regionalverband Nordschwarzwald und die Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald einen Breitbandgipfel in Hirsau organisiert. Geladen waren 100 Vertreter aus Wirtschaft, Verwaltung, Kommunal- und Landespolitik.

Calw-Hirsau/Kreis Calw. Das Ziel der Bundesregierung war eigentlich, bis 2018 eine bundesweit flächendeckende Breitbandinfrastruktur mit einer Downloadrate von 50 Mbit/s zu gewährleisten. Im Kreis Calw zeigt sich jedoch ein anderes Bild. Von den 25 Gemeinden im Kreis erreichen fünf, namentlich Simmersfeld, Neuweiler, Bad Teinach-Zavelstein, Haiterbach und Enzklösterle nicht einmal eine Breitbandabdeckung von 50 Prozent. In Enzklösterle haben sogar 14 Prozent der Haushalte gar keinen Internetzugang, vom Breitbandanschluss ganz zu schweigen.

Diese Zahlen machen die Notwendigkeit des Breitbandgipfels deutlich. "Eine moderne Infrastruktur ist ein wichtiger Standortfaktor für Unternehmen", unterstrich Jochen Protzer, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung NSW. "In Stuttgart gibt es eine Kooperation mit der Telekom, die dort über eine Milliarde Euro in den Ausbau investiert", so Matthias Proske, Direktor des Regionalverbandes NSW. So eine Zusammenarbeit könne doch auch in dieser Region möglich sein, warf Proske in den Raum.

Wie wichtig schnelles Internet in Zukunft sein wird, verdeutlichte ein Vortrag von Sven Gábor Jánszky, Zukunftsforscher der Denkfabrik 2B AHEAD. "Quantencomputer werden bald eine schnellere Auswertung von Echtzeitdaten ermöglichen", erläuterte der Wissenschaftler. Diese Datenverarbeitung erlaube zuverlässige Prognosen und bringe dadurch einen Wettbewerbsvorteil. Eine Breitbandanbindung sei für solche Prozesse die unabdingbare Basis.

Als Vertreter der Landesregierung war der Amtschef im Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration Andreas Schütze vor Ort. Auch er bekräftigte die Wichtigkeit des Breitbandausbaus. Doch gebe es auch Schwierigkeiten wie die Topgraphie des Schwarzwalds oder die Rentabilität für Telekommunikationsunternehmen. Deshalb sei eine enge Kooperation mit diesen Unternehmen notwendig. "Wir haben zudem die Fördermittel und -kriterien des Landes angepasst", erklärte Schütze die Bemühungen der Landesregierung.

In der anschließenden Podiumsdiskussion trafen Michael Zügel, Referatsleiter für digitale Infrastruktur im Landesinnenministerium, der Bad Wildbader Bürgermeister und Vorsitzende des Regionalverbandes Klaus Mack sowie Karl Peter Hoffmann vom Verband Kommunaler Unternehmen auf Jürgen Lück, Konzernbevollmächtigter der Telekom für den Südwesten und Simon Japs, Director Public Policy der Unitiymedia.

Zügel bestärkte die Wichtigkeit von Kooperation der Kommunen mit den Telekommunikationsunternehmen. Dazu verwies er auf die Kosten. "80 bis 90 Prozent der Ausgaben verursacht der Tiefbau beim Breitbandausbau", so der Referatsleiter.

Auch Lück betonte lokale Besonderheiten beim Ausbau. Er bekräftige jedoch die Verpflichtung für den ländlichen Raum. "Das Herz der Digitalisierung schlägt bei uns lokal", so Lück. Außerdem investiere die Telekom jährlich über vier Milliarden Euro in das Breitbandnetz. Zudem verwies er auf das erfolgreiche Modell der Kooperation in Stuttgart.

Ein Modell, welches Hoffmann kritisierte. Es seien dort schwammige Ziele formuliert, und der Wettbewerb unter den Anbietern finde nicht mehr statt. Trotzdem erkannte auch er die Wichtigkeit von Kooperationen an.

Japs verwies auf die regionale Präsenz von Unitymedia. "Wir tragen rund 80 Prozent der Kosten des Ausbaus selbst", so Japs. Und dabei sei die Rentabilität für sein Unternehmen gerade im ländlichen Raum wegen der hohen Gesamtkosten oft gering.

Klaus Mack betonte, dass die Bürger wenig Interesse für Zuständigkeiten hätten. "Die wollen, dass es funktioniert", so Mack. Deshalb hätten die Gemeinden des Kreises Calw selbst 14 Millionen in den Ausbau des Basisnetzes investiert. Allerdings fehle dieses Geld dann beispielsweise für Schulen oder Kindergärten. Hier nahm er die Landesregierung in die Pflicht, für bessere Förderungen zu sorgen.

An die Podiumsdiskussion schlossen sich Fragen und Anregungen aus dem Publikum an. Hier waren viele kritische Töne zu vernehmen, Andreas Knörle vom Eigenbetrieb Breitband Landkreis Calw merkte an, dass das Stuttgarter Projekt der Telekom sehr wohl Einfluss auf die Investitionen im Kreis habe. Er stelle dies in seiner täglichen Arbeit fest.

Der Landrat des Enzkreises, Bastian Rosenau, bezweifelte den Erfolg weiterer Deregulierungen. Dies habe in der Vergangenheit schon nicht funktioniert. Er forderte mehr Pragmatismus. "Die Politik muss mehr in lokale Mandatsträger vertrauen", so Rosenau. Er verwies auf Estland als Musterbeispiel in Sachen Breitbandausbau.

Der Unternehmer Bruno Erhardt machte seinem Ärger Luft. Er habe Standorte in Waldrennach und Langenbrand. Diese könne er wegen des schlechten Breitbandnetzes jedoch nicht miteinander verbinden. Er habe selbst eine Antenne aufs Dach montiert. Doch selbst diese habe nicht ausgereicht, um eine Verbindung herzustellen. Fördermittel kämen bei ihm keine an. Öffentliche Stellen böten keine Hilfe. "Dieses Verhalten gefährdet meine Existenz", verdeutlichte Erhardt die Dringlichkeit einer Lösung.

Auch Dietmar Fischer, Bürgermeister von Bad Liebenzell, warf der Politik Versagen vor. Das Problem sei seit 20 Jahren bekannt. Der Grundfehler sei mit der Privatisierung der Netze passiert. Da hätte man die Telekommunikationsunternehmen auf eine 100-prozentige Abdeckung verpflichten müssen. Zudem bemängelte er zu viel Bürokratie und mangelndes Vertrauen in die Expertise der Kommunen seitens der Regierung. Jürgen Lück von der Telekom betonte, dass die Privatisierung zu Wettbewerb und geringeren Verbraucherentgelten geführt habe.

"Beim Glasfaserausbau brauchen die Kommunen vor allem eine gute Strategie und einen langen Atem", meinte Referatsleiter Zügel. Der Ausbau dauere auch deshalb so lange, weil Baukapazitäten vielerorts ausgeschöpft und durch die hohe Nachfrage die Preise für Tiefbauvorhaben zum Teil stark gestiegen sind. Da der Bund seit Mitte 2018 wie das Land seit 2015 ausschließlich Glasfaser und keine anderen Technologien fördert, "können die Kommunen im Land aber auf eine nachhaltig ausgerichtete und auch finanziell attraktive Breitbandförderung zurückgreifen", so Zügel.

"Ohne Breitbandanschluss können die Unternehmen ihre Arbeit nicht machen", fasste Martin Keppler, Hauptgeschäftsführer der IHK Nordschwarzwald, den Gipfel zusammen. Man brauche diesen Ausbau so schnell wie möglich, sonst stehe der Wohlstand der gesamten Region auf dem Spiel. Auch seien die angepeilten 50 Mbit/s eigentlich schon zu wenig. "Wir brauchen Verbindungen im Gigabitbereich, um beispielsweise Anwendungen aus der Cloud nutzen zu können", mahnte er.

Die Bundesregierung hat einen flächendeckenden Ausbau von Gigabitnetzen bis 2025 versprochen. Es bleibt abzuwarten, ob die selbst gesteckten Zielvorgaben diesmal erreicht werden.