Uneingeladener Besuch: Ein Reh hat sich in einen Garten in Calw "verirrt". Foto: Meyer

Uneingeladener Besucher stromert über Grundstück von Familie und frisst Pflanzen. Was tun in solchen Fällen?

Calw - Füchse in Wohngebieten und Gärten? Längst keine Seltenheit mehr. Vor allem im Frühjahr, wenn die neugierigen Jungfüchse durch die Gegend streunen, sind Begegnungen an der Tagesordnung. Aber auch zu anderen Jahreszeiten wurden sie bereits gesichtet. In der Calwer Innenstadt wurde vergangenen Herbst sogar ein Passant von einem Fuchs gebissen.

Ein Reh im Garten hingegen kann schon mal für Verwirrung sorgen. So erging es Martina Meyer aus Calw, als sie vor einigen Wochen von der Arbeit nach Hause kam und mitten im Garten einen Rehbock entdeckte. "Das Reh blickte zu mir und verschwand dann gemächlich hinter dem Busch. Sehr scheu war es nicht", erklärt sie auf Nachfrage von schwarzwaelder-bote.de. Ein weiteres, in dem Fall weibliches Reh, wurde dieser Tage auf der Straße am Jungscharhüttle gesichtet, erzählt sie weiter.

Dabei wohnt ihre Familie nicht gerade am ruhigen Waldrand, sondern zwischen der viel befahrenen Stuttgarter Straße und der Langen Steige. Wie es in den Garten gekommen ist? Martina Meyer zuckt mit den Schultern. Der Zugang sei nur direkt über die Straße möglich. Gestört habe sie der uneingeladene "Besuch" anfangs nicht - bis er anfing, sich die Rosen- und Kirschbaumblätter schmecken zu lassen und die Stauden kahl fraß.

Von Rehen geht keine Gefahr aus

Genau dies aber könnte der Grund für die wiederholten Besuche sein. "Dass Rehe in Siedlungsgebiete vordringen, hat immer einen Grund", erklärt Janina Müssle vom Landratsamt in Calw. "Oft finden sie dort besonders schmackhafte Pflanzen, Gräser oder Blumen zum Fressen." Gefährlich seien Rehe nicht, beschwichtigt Müssle. "Menschen müssen sich nicht davor fürchten." Ein ähnlicher Fall in Calw sei ihr bislang nicht gemeldet worden.

Ähnliches ist auch vom NABU Baden-Württemberg zu erfahren. "Rehe in Wohngebieten kommen ausgesprochen selten vor", meint Rolf Müller, Fachbeauftragter für Jagd und Wild. Er vermutet ein junges Reh, das sich verlaufen habe. Oft seien solche Probleme allerdings hausgemacht. "Viele unserer größeren Wildtiere - seien es Wildschweine, Füchse oder Rehe - profitieren von der Anwesenheit des Menschen." Land- und Forstwirtschaft sowie leicht zugängliche Abfälle böten den Tieren gute Nahrungsquellen und lockten sie in Gebiete, in denen sie normalerweise nicht beheimatet sind.

Auch während eines zweiwöchigen Urlaubs der Familie Meyer ließ sich das Reh immer wieder im Garten blicken, erzählt die Hausbesitzerin. "Während mein Sohn mit einem Freund auf der Terrasse saß, spitzelte es um die Ecke und beobachtete die beiden", erzählt sie. Als ihr Sohn ihr schließlich ein Video aufs Handy schickte, in dem der Rehbock um den Gartentisch streift und sich über die Blumentöpfe hermacht, wurde sie schließlich doch unruhig.

Das Video hat uns Familie Meyer zur Verfügung gestellt:

Wen aber benachrichtigen, wenn ein Reh durchs Wohngebiet stromert? Die Polizei? "Da sind Sie bei einem Förster vermutlich besser aufgehoben", erklärt Sabine Doll, Pressesprecherin beim Polizeipräsidium Karlsruhe. Anders sehe es aus, wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet sei. "Dann auf jeden Fall die 110 wählen oder das örtliche Polizeirevier anrufen."

Die Polizei selbst müsse in solchen Fällen auch Profis hinzuziehen, die entscheiden, wie weiter vorgegangen werden soll. Bis auf eine Ausnahme, so Doll. "Wenn das Tier schwer verletzt ist und leiden muss, können es auch die örtlichen Kollegen mit einem Schuss erlösen."

Grundstücksbesitzer müssen selbst Vorkehrungen treffen

Im Fall von Familie Meyer hätten allerdings weder Polizei noch Landratsamt helfen können. "In befriedeten Gebieten greift das Jagdrecht nicht, da sich die Grundstücke überwiegend im Privateigentum befinden", heißt es beim Landratsamt. "Daher gibt es weder Jagdrechte, noch einen zuständigen Jagdpächter." Heißt im Klartext, dass die Grundstücksbesitzer selbst Vorkehrungen treffen müssen. "Wenn man sichergehen möchte, dass kein Tier mehr auf das Grundstück kommt, muss das Grundstück eingezäunt werden."

Im Normalfall sei dies jedoch gar nicht notwendig, so Janina Müssle. "Lässt sich das Reh durch die Anwesenheit von Menschen nicht beirren, wird empfohlen, laut zu klatschen und zu rufen."

Eine ähnliche Idee hatte vor einigen Tagen auch die Familie von Martina Meyer in Calw: "Wir luden Freunde zum Grillen ein und wollten dann später zusammen durch unseren Garten gehen und es raustreiben", schildert sie. Und tatsächlich: "Plötzlich stand es auf der Wiese." Gemeinsam wurde das Tier in den angrenzenden Schrebergarten gedrängt. Dessen Besitzer hatte vorsorglich das Tor geöffnet, woraufhin das Reh in Richtung Wiese entschwand. "Wir hoffen, es hat den Weg gefunden, denn wir haben es seither nicht mehr gesehen."

Info: (Wild-)Tiere in der Stadt

Ein eigentlich wildes Tier treibt sich mitten in einer Stadt herum - kein Einzelfall. Immer mal wieder verirren sich Wildschweine, Füchse und Co. in Städte und Siedlungen; mitunter kommt es dann auch zu Einsätzen der Polizei. Wir haben einige Ereignisse aus dem Nordschwarzwald zusammengetragen.

Im Juni 2014 hielt ein wild gewordenes Wildschwein die Polizei in Pforzheim in Atem. Das Tier war nach einem Zusammenstoß mit einem Auto durch die Stadt geflüchtet, hatte eine Passantin gestreift und sich in einer Garage verschanzt. Verfolgt von drei Streifenwagen hatte es dort dann ein Fenster durchbrochen und war schließlich im Wald nahe des dortigen Wildparks verschwunden.

Im Oktober 2015 hatte es sich ein Fuchs – möglicherweise auf der Suche nach einem warmen Schlafplatz – in einem Wohnhaus in Bad Herrenalb gemütlich gemacht. Als die Anwohnerin ihren Hund zur Terrassentür hinaus ließ, schlich sich das Tier in die Wohnung und ließ sich im Treppenhaus nieder. Die Frau verständigte die Polizei, hatte den Fuchs jedoch bereits mit einem Eimer Wasser vertrieben, als ein Beamter der Polizeihundeführerstaffel eintraf.

Zwar kein Wildtier, aber dennoch ein ungewöhnlicher Anblick war ein Blauer Pfau, der in der zweiten Hälfte des Jahres 2016 durch den Calwer Ortsteil Spindlershof streifte. Monatelang wusste niemand, wo das Tier hergekommen war; Anwohner sorgten sich bereits, wie der exotische Vogel wohl den Winter überstehen würde. Um den Jahreswechsel 2016/2017 wurde das Rätsel dann gelöst - und eine traurige Geschichte offenbart: Auf einem Grundstück in Spindlershof wurden viele verschiedene Vögel gehalten, auch der Blaue Pfau. Im Herbst 2016 war dessen Partnerin gestorben. In seiner Trauer hatte er sich wahrscheinlich auf die Suche nach ihr begeben.

Und erst im Herbst vergangenen Jahres war ein Fuchs mehrfach mitten in der Calwer Innenstadt gesichtet worden. Im November 2017 schnappte er oder einer seiner Artgenossen sogar nach einer Frau, die dem Tier zu nahe gekommen war. Füchse erobern seit Jahrzehnten Städte Siedlungsgebiete als Lebensraum. Dort finden die Tieren mit Essensresten oder Komposthaufen oft einen reich gedeckten Tisch vor; Schuppen, Holzstapel oder Parks bieten geeignete Rückzugsmöglichkeiten, wo sie sich verstecken können.

Wgen einer Schlange wurden Beamte des Polizeireviers Calw im Juni 2018 in ein Motel in Althengstett gerufen. Polizisten und Feuerwehrleute durchkämmten daraufhin das Gebäude, das Kriechtier wurde schließlich in der Nähe eines Getränkeautomaten gefunden und stellte sich als völlig harmlose Ringelnatter heraus.