Großer Zuspruch: In den Hirsauer Klosterruinen wurde die nicht so bekannte Novelle "Heumond" gelesen. Fotos: Fritsch Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Bei Veranstaltung des Gerbersauer Lesesommers stimmt alles / Schnierle-Lutz nahezu ergriffen

"War das ein schöner Abend!" Herbert Schnierle-Lutz hat seit 2003 schon unzählige Male Veranstaltungen des Gerbersauer Lesesommers konzipiert. Dass er sich, wie am Freitagabend, bei seinem Dank an die Mitwirkenden nahezu ergriffen zeigte, ist wahrscheinlich noch nicht allzu oft vorgekommen.

Calw-Hirsau. Kein Wunder, denn es hat alles gestimmt. Das begann schon damit, dass die Helfer des Kulturamts der Stadt als Veranstalter des Lesesommers mit der Bestuhlung ob des Zuspruchs kaum nachkamen. Als hätten die Menschen geahnt, was für ein gelungener Abend sie erwartete.

"Unter dem Heumond" heißt die Erzählung von Hermann Hesse, die von Ulrike Goetz und Rudolf Guckelsberger gelesen wurde. "Heumond" steht für Heumonat. Gemeint ist der Juli. Hesses Lieblingsmonat, wie Schnierle-Lutz erläuterte. Und das nicht nur, weil er am 2. Juli geboren worden ist, sondern weil er den Sommer liebte. Das war angesichts der angenehmen sommerlichen Wärme am Freitagabend gut nachzuvollziehen.

Erste Verliebtheit

Und dazu passt wiederum die Geschichte. Anschaulich schildert Hesse die sommerlich-träge Stimmung, in der der 16-jährige Paul seine Ferien im väterlichen Landhaus verbringt. Von Wärme ist die Rede, zirpenden Grillen, von Vögeln im Sonnenlicht.

Diese Idylle wird jäh durchbrochen durch den Besuch von zwei jungen Damen – der mädchenhaften Berta und der schon damenhaften Thusnelde. Sie stürzen den jungen Mann in die Wirrungen eines ersten Verliebtseins.

Hesse schildert das Geschehen zuweilen mit Witz, zumeist mit stiller, feiner Ironie. Die beiden Rezitatoren machen das auf schon meisterhafte Weise deutlich. Etwa, wenn Ulrike Goetz parodistisch die Rolle von Pauls Vater übernimmt.

Immer wieder muss das Publikum lächeln und wird dabei an die eigene Jugend erinnert. Etwa, wenn Paul versucht, sich mit seiner Hand der von Thusnelde zu nähern und sie dann seine ergreift. Bang und heiß wird ihm. Und er weiß nicht, ob er Thusnelde, die ihm zunächst so abweisend und hochnäsig erschienen war, näher rücken soll – oder ob er doch besser die Flucht ergreift. Mal kommt sich Paul, der auch Berta nicht abgeneigt ist, "im feinen Filter der warmen Nacht" erwachsen vor. Dann überkommen ihn wieder Zweifel und Traurigkeit.

Teerose stibitzt

Auch wenn der Umgang mit Liebe und Sexualität heute ein anderer sein mag – die Reaktionen der Zuhörer zeigen, dass sie Hesses Schilderungen eines erstmals verliebten jungen Menschen, diesen "Wirrwarr von quellenden Gefühlen", aus der eigenen Jugend kennen und der somit zeitlos erscheint. Da zeige sich, so Schnierle-Lutz, dass Hesse ein Meister im Schildern der verschiedenen Lebensphasen ist.

Als nach zwei Tagen die beiden jungen Frauen das Landhaus verlassen, stibitzt Paul heimlich eine Teerose aus Vaters streng gehütetem Beet – von diesem augenzwinkernd beobachtet – und schenkt die Blume Thusnelde.

Dem alten Herren hat das gefallen, weiß er doch aus seiner eigenen Jugend, dass vor seinem Sohn Paul "das Land des Lebens und der Leidenschaft" liegt.

Goetz und Guckelsberger hatten sichtlich ihre Freude, dem Publikum eine sommerliche Geschichte in sommerlicher Atmosphäre darzubieten. Das ist ihnen auf unvergleichliche Weise gelungen.

Ganz wesentlich zu der zauberhaften Stimmung beigetragen haben Birgit Zacharias und Helmut Rauscher. Etwa, wenn sie den lateinamerikanischen Jazz-Standard "Besame mucho" mit ihren Gitarren über die Wiese vor der Marienkapelle im Hirsauer Kloster wehen ließen. Es war das i-Tüpfelchen auf einen rundum gelungenen Abend in Hesses Lieblingsmonat Juli.