Aus dem Zentrum für Psychiatrie in Calw sind am Mittwochabend vier Straftäter ausgebrochen. Inzwischen sind sie wieder hinter Schloss und Riegel. In der Politik sorgt der Fall für eine kontroverse Debatte. Foto: Buck

Calwer Polizei schnappt vier Ausbrecher am Donnerstag. Sozialminister Manfred Lucha fordert Reformen.

Calw - Die Freiheit währt für vier geflüchtete Straftäter aus der Psychiatrie in Calw nur kurz: Am Morgen nach dem Ausbruch sind sie wieder hinter Schloss und Riegel. Ein weiterer in Weinsberg entwichener Mann wird noch gesucht.

Schock am Morgen: Die Nachricht, dass am Mittwochabend vier Straftäter aus dem Zentrum für Psychiatrie (ZfP) in Calw-Hirsau geflohen sind, verbreitete sich am Donnerstag wie ein Lauffeuer – zumal zwei der Verbrecher zu diesem Zeitpunkt noch auf der Flucht waren. Wenig später konnte die Polizei aber Entwarnung geben: Im Rahmen einer groß angelegten Fahndung wurden die beiden noch flüchtigen Männer gegen 10.45 Uhr an den Bahngleisen zwischen Calw-Ernstmühl und Bad Liebenzell von der Polizei entdeckt und festgenommen.

Polizeihubschrauber und Spürhunde im Einsatz

Die vier Verbrecher hatten am Mittwochabend gegen 22 Uhr in der Abteilung für forensische Suchttherapie des ZfP einen Pfleger sowie eine Pflegerin überwältigt und in einen Raum gesperrt. Nach Angaben der Polizei gingen sie dabei mit einfacher körperlicher Gewalt vor, verletzt wurde niemand. Anschließend flüchteten die Männer.

Die Polizei leitete eine Großfahndung ein, bei der auch Spürhunde und ein Polizeihubschrauber zum Einsatz kamen. Zwei der Männer, 32 und 35 Jahre alt, die wegen Diebstahls und Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz einsitzen, wurden bereits gegen 5.15 Uhr im Bereich des Bahnhofs Calw-Hirsau festgenommen. Ein 23-Jähriger und ein 41-Jähriger befanden sich zu diesem Zeitpunkt weiter auf der Flucht. Trotz umfangreicher Suchmaßnahmen wurden die beiden Straftäter, die wegen Raubstraftaten verurteilt wurden, zunächst nicht gefasst.

Bei einem Fahndungsaufruf an die Öffentlichkeit wurden die beiden zu diesem Zeitpunkt noch Flüchtigen als gewalttätig, drogensüchtig und möglicherweise bewaffnet beschrieben. Der Stationsarzt gehe von keiner konkreten Eigen- oder Fremdgefährdung aus, könne aber nicht ausschließen, dass die Straftäter Gewalt anwenden, um an Fluchtmöglichkeiten zu kommen, hieß es.

Die vier Männer sind im Rahmen eines Maßregelvollzugs in der Klinik untergebracht und müssen mehrjährige Haftstrafen verbüßen. Beim Maßregelvollzug werden Straftäter behandelt, die aufgrund ihrer psychischen oder Suchterkrankung das Unrecht ihrer Straftat nicht einsehen können. Maßregelvollzugseinrichtungen müssen die Möglichkeit der Drogen- oder Alkoholentwöhnung bieten sowie über umfangreiche Sicherheitsvor-kehrungen verfügen. Da es sich aber um Krankenhäuser handelt, sind diese in der Regel nicht in jeder Hinsicht mit den Sicherheitsstandards von Haftanstalten vergleichbar.

Zu einem ähnlichen Vorfall ist es am Donnerstag in Weinsberg (Kreis Heilbronn) gekommen. Dort ist ein 52 Jahre alter Mann aus dem Zentrum für Psychiatrie geflohen. Der unter anderem wegen Gewaltdelikten verurteilte 52-Jährige verbüßte seine Strafe ebenfalls nicht in einem normalen Gefängnis, sondern im Maßregelvollzug.

Manfred Lucha (Grüne), Baden-Württembergs Minister für Soziales und Integration, forderte nach den Vorfällen in Calw und Weinsberg umgehend Gesetzesänderungen. Wenn der Erfolg einer Therapie als aussichtslos angesehen werde oder der Abbruch der Therapie bereits angeregt worden sei, sollte es ermöglicht werden, die Straftäter schnell wieder in den Strafvollzug zurückzuschicken, sagte Lucha.

Seine Aussage stieß auf heftige Kritik von Justizminister Guido Wolf (CDU). "Was wir hier sehen, ist der durchsichtige Versuch, sich aus der eigenen Verantwortung zu stehlen", sagte Wolf.