OB Ralf Eggert (links), hier mit Gemeinderat Dieter Kömpf, am Tag seiner offiziellen Amtseinsetzung 2011. Foto: Archivfoto: Fritsch

Verhalten von Teilen des Gemeinderates hat Entscheidung offensichtlich geändert. Mit Kommentar

Calw - Ein Paukenschlag für Calw: Oberbürgermeister Ralf Eggert hat am Samstag verkündet, im Herbst nicht mehr als Kandidat für die OB-Wahl anzutreten. Der Grund dafür: das Verhalten eines Teils des Gemeinderats, mit dem er sich offensichtlich keine Zusammenarbeit mehr vorstellen kann.

Es ist eine lange Liste an Menschen, an die Calws OB Ralf Eggert am Samstag eine E-Mail versendete: an Regierungspräsidentin Nicolette Kressl (SPD), die Mitglieder der kommunalen Gremien, Bürgermeisterkollegen, Mitarbeiter der Verwaltung und des Landratsamtes, Abgeordnete, und, und, und...

Der Inhalt des Schreibens: der "Verzicht auf eine weitere Kandidatur um das Amt des Oberbürgermeisters der Großen Kreisstadt Calw" – obwohl er erst Anfang dieses Jahres im Gespräch mit unserer Zeitung bekräftigt hatte, nochmals anzutreten.

"Entgegen meiner ursprünglichen festen Absicht, ein viertes Mal um das Amt des (Ober-)Bürgermeisters und ein zweites Mal um dieses Amt in Calw zu kandidieren, nehme ich von diesem Ziel Abstand", erklärt Eggert. Er gebe dies "bewusst sehr frühzeitig" bekannt, "damit genügend Zeit bleibt, zahlreiche fachlich und menschlich geeignete Kandidatinnen und Kandidaten gewinnen zu können".

Obwohl er aus seiner langjährigen Dienstzeit als Bürgermeister der Überzeugung sei, dass es sich um "ein sehr schönes und erstrebenswertes Amt" handle, in dem man mit Gemeinderat, der Bevölkerung und den Kollegen viel gestalten könne, um eine Gesellschaft gut auf die Zukunft vorzubereiten, ist für Eggert nun Schluss. Denn: "Trotz der guten Zeit und der Liebe zur Stadt muss ich zugeben, dass mir von zwei Gruppierungen das Leben sehr schwer gemacht wird", erklärt der OB. "Die Einstellung einiger Stadträte, gegen so gut wie alles zu sein, macht es der Stadt schwer, sich zu entwickeln. Der Ton, mit dem man im Gremium miteinander, mit Gästen sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgeht, entspricht nicht meiner Art und meinem Wesen." Wen genau er damit meint, lässt der OB auch auf Anfrage offen.

Neuanfang ermöglichen

Mit seinem Verzicht auf eine erneute Bewerbung als Oberbürgermeister, so schreibt Eggert, wolle er seinen Teil dazu beitragen, dem kommunalen Gremium einen guten Neuanfang zu ermöglichen. "Ich wünsche dem Gemeinderat für die Zukunft, dass er wieder einen angemessenen Umgangston findet und dadurch wieder eine innere Ruhe entsteht", führt er aus, "die Ruhe, die notwendig ist, um gemeinsam, geduldig und kontinuierlich auf ein demokratisch beschlossenes Ziel hinzuarbeiten, um überlegt Schritt um Schritt zu tun. Die Ruhe, die wichtig ist, um wesentliche Ziele der Zukunft definieren zu können und die Stadt darauf auszurichten. Die Ruhe, die notwendig ist, um über die Stadt wertschätzend zu sprechen."

Sein Antrieb, so betont Eggert, sei gewesen, "durch demokratische Beschlüsse die Zukunft zu gestalten, Chancen zu ergreifen, die Stadt gemeinsam sukzessive an die sich verändernde Welt anzupassen, stetig wachsen zu lassen und finanziell gut aufzustellen, Gebäude zu sanieren, die Stadt voranzubringen, verlässlich zu sein".

Ganz besonders liebe er den Umgang mit Menschen, schätze es, ausgleichend wirken zu dürfen, die Suche nach Lösungen oder Kompromissen, gerade in schwierigen Situationen. Vor allem aber habe er den Wert des Erreichten – auch das, was seine Vorgänger für die Stadt erarbeitet hätten – geschätzt.

Keine Angst vor Konkurrenz

"Ich sehe, was diese Stadt Calw so wunderschön und einzigartig macht. Was jeden Auswärtigen besonders verzaubert und auch uns. Und ich bin glücklich und dankbar, dass ich einen Anteil daran haben durfte", schreibt Eggert. "Meine Frau und ich haben uns die Meinungsänderung wirklich nicht leicht gemacht. Meine Familie hat hier viele Freundschaften geknüpft und ist hier heimisch geworden. Ich mag meine Kolleginnen und Kollegen, meine Bürgerinnen und Bürger und weite Teile des Gemeinderats sehr – und, wie gesagt, ich liebe diese Arbeit."

Die reine Suche nach einem weiteren Bewerber für das Amt des Oberbürgermeisters habe seine Entscheidung im Übrigen nicht beeinflusst: Dies sei ein demokratisches Grundrecht. Und bei allen bisherigen Wahlen habe er Mitbewerber gehabt – "und das war auch immer gut so".

Ein Schlussstrich

Mit seiner Entscheidung zieht der noch amtierende OB auch einen Schlussstrich unter seine Zeit in Calw. "Ja, wir ziehen leider weg", erklärt Eggert auf Anfrage. "Das fällt uns echt schwer. Aber ich will nach meinem Dienstende ab dem 30. November nicht von Menschen zu den Entscheidungen meiner Nachfolgerin und meines Nachfolgers befragt werden. Die Stadt soll sich ohne meine Kommentare entwickeln", führt Eggert aus. Für ihn und seine Familie soll es zurück in die Gegend gehen, woher sie stammen: in Richtung Schwäbisch Gmünd/Gaildorf.

Beruflich freut Eggert sich dann auf eine Tätigkeit, in der er keine Person von öffentlichem Interesse mehr sei, mit keiner 50- bis 70-Stunden-Woche mehr. Eggert hat zwei Studienabschlüsse (Diplom Verwaltungswirt und Diplom Betriebswirt in Steuern, Rechnungswesen, Revision).

Dennoch möchte der OB im Herbst offensichtlich nicht im Groll aus der Stadt scheiden. In seinem Schreiben bedankt er sich, auch im Namen seiner Familie, bei Freunden, Bürgern, Kollegen, Gemeinderat, Kreistag, Landratsamt, Regierungspräsidium, Polizei, Amtsgericht, dem Regionalverband Nordschwarzwald und den Bürgermeistern der Region. "Ihnen allen ist es zu verdanken, dass die Große Kreisstadt Calw sich bisher gut entwickelt hat", so Eggert. "Natürlich, es ist wie überall, Unzulänglichkeiten sind immer da und ein Teil des Lebens. Sie zu beseitigen ist eine schöne Aufgabe. Die Stadt durch menschliche Wärme, steten Wandel, Wachstum und zunehmende finanzielle Stärke voranzubringen wird, entgegen unserer ursprünglichen Absicht, nun ein anderer Mensch an dieser Position ausüben dürfen."

So gesehen: Ein Alarmsignal

Von Ralf Klormann

Plakative Formulierungen sind selten ein Zeichen von gutem Stil – und doch lässt es sich in diesem Fall kaum vermeiden, um die Botschaft zu transportieren: Calws Oberbürgermeister Ralf Eggert wirft das Handtuch, weil Teile des Gemeinderats ihm das Leben schwer machen. So könnte man die Nachricht, die Eggert am Wochenende unter anderem Kollegen und politischen Würdenträgern zukommen ließ, zusammenfassen.

Gewiss: eine zugespitzte Aussage. Der OB wird nicht von heute auf morgen abtreten, sondern bis zum Ende seiner Amtszeit weiterarbeiten. Und vermutlich werden nicht allein einzelne Gemeinderäte der Grund sein, warum Eggert sich entschieden hat, kein weiteres Mal anzutreten.

Fakt ist aber auch: An der Spitze einer Verwaltung zu stehen, Projekte vorzuschlagen, zu koordinieren und umzusetzen sowie manchmal unpopuläre Ansichten vertreten zu müssen – Stichwort: Erhöhung der Kinderbetreuungsgebühren – zehrt an den Nerven, kostet Kraft und braucht Unterstützung. Von Mitarbeitern, Kollegen und den kommunalen Gremien.

Eine Unterstützung, die Calws OB zumindest von Teilen des Gemeinderats nicht mehr zu haben glaubt. Und – mal ehrlich – wer regelmäßig Sitzungen der Gremien besucht, kommt nicht umhin, ihn zu verstehen.

Natürlich ist es die Aufgabe von Kommunalpolitikern, die Arbeit der Verwaltung zu hinterfragen, zu kritisieren und diese zu überwachen. Natürlich dürfen Volksvertreter nicht zu "Abnickern" jedweder Idee städtischer Bediensteter werden. Was im Calwer Gemeinderat jedoch zum Teil vor sich geht, übersteigt dies bei Weitem.

Bei nicht nur einer Gelegenheit schlug sowohl Eggert, als auch den Verwaltungsmitarbeitern oder externen Gästen, beispielsweise aus dem Landratsamt, offenes Misstrauen entgegen – ohne dafür einen konkreten Anlass liefern zu können. Zahlen und Daten wurden bezweifelt, Kompetenzen infrage gestellt, den Staatsdienern unterschwellig Unfähigkeit unterstellt. Was erschwerend hinzukommt: In vielen Fällen geschah dies, ohne einen zu Ende gedachten Gegenvorschlag vorzutragen.

Eggerts Entschluss ist ein Alarmsignal. Wer möchte schon in einem Gremium mitwirken, das seinen Vorsitzenden – in diesem Fall den Oberbürgermeister – vergrault? Und wer möchte überhaupt noch diesen Vorsitz übernehmen?

In einem Jahr, in dem sowohl die Wahlen des Gemeinderates als auch des Oberbürgermeisters anstehen, ein verheerendes Zeichen nach außen, das sich nur schwer wird relativieren lassen. Die Leidtragenden dürften die Calwer Bürger sein.

Wie eingangs erwähnt, sind die hier getroffenen Aussagen zugespitzt und plakativ. Denn selbstverständlich arbeiten die Gemeinderäte im Großen und Ganzen meist konstruktiv zusammen. Ein Großteil der Entscheidungen wird sachlich diskutiert und unaufgeregt getroffen. Und die Zukunft der eigenen Stadt mitzugestalten ist nicht nur eine notwendige, sondern für die Räte sicher häufig erfüllende Aufgabe.

Eggerts Verzicht sollte dennoch auch als Weckruf verstanden werden, aufeinander zuzugehen, bevor sich Fronten endgültig verhärten. Zum Wohl der Stadt und ihrer Bürger. Ein Antrieb, der wohl jeden Gemeinderat leiten dürfte. Oder es zumindest sollte.