Die erste Neujahrsrede des neuen Oberbürgermeisters Florian Kling zog viele Interessierte an. Foto: Rousek

Großer Andrang. Zwei Bürgermedaillen werden verliehen. Eine "stabile Mittelstadt" attestiert.

Calw - Das Interesse der Calwer Bevölkerung am diesjährigen Neujahrsempfang war besonders groß, war es doch der erste mit Neu-Oberbürgermeister Florian Kling. Der präsentierte eine fein ausgearbeitete Analyse zur Situation der Stadt. Und konnte gleich zwei Bürgermedaillen überreichen.

Immer mehr Leute strömen in die Calwer Aula, ein Ende ist nicht in Sicht. "So voll war es seit Jahren nicht", ist aus den Reihen der Gäste zu hören. Einige scheinen gar Sorge zu haben, dass das Essen nicht reichen könnte - wenn diese Bedenken auch eher scherzhaft gemeint sind. Und doch ist es erstaunlich, wie viele Bürger an diesem Dreikönigstag zum Neujahrsempfang der Stadt Calw erschienen sind. Obwohl alle Stuhlreihen besetzt sind, müssen noch Dutzende Gäste stehen. Gut und gern 350 Leute hören zu, als die Stadtkapelle unter der Leitung von Thomas Daub die Veranstaltung eröffnet und schließlich der seit Dezember amtierende OB Florian Kling ans Mikrofon tritt.

Im Gepäck hat er eine sogenannte SWOT-Analyse, in Unternehmen und Organisationen ein Werkzeug zur strategischen Planung. Hierbei werden Stärken (englisch Strengths), Schwächen (Weaknesses), Chancen (Opportunities) und Risiken (Threats) analysiert und gegenübergestellt. Was ist hierbei über Calw zu sagen? Kling hebt bei den Stärken die schöne Lage inmitten der Natur hervor, ebenso wie das Vereinsleben, die steigenden Touristenzahlen, den Bildungsstandort, laufende Großprojekte (Sanierung des Maria von Linden-Gymnasiums, Sanierungsgebiet "Nördlicher Stadteingang", Gesundheitscampus) sowie die stabile Bevölkerungsentwicklung.

Mehr Auspendler als Einpendler

"Calw ist in der glücklichen Lage, mit einem leichten Wachstum rechnen zu können", meint Kling. Derzeit liegt die Einwohnerzahl bei 24.700. Was sogleich zu einer der Schwächen führt, auf die der OB nur kurz eingeht: Auf diese Einwohnerzahl kommen in Calw nämlich rund 21.500 Autos. Mobilität, sei es durch den Ausbau der Radwege oder durch den öffentlichen Personennahverkehr, sei deshalb eine der Herausforderungen der kommenden Jahre. Ebenso die Umkehr eines Trends, den Kling kritisch beäugt: So übersteige die Zahl der Auspendler die der Einpendler deutlich. "Die Leute verbringen weniger Zeit hier und können sich auch weniger einbringen", meint der OB. Durch die Gewerbegebiete Lindenrain und Würzbacher Kreuz jedoch müsse man es schaffen, Unternehmen und damit Menschen nach Calw zu locken. Natürlich auch, um die Finanzen der Stadt aufzubessern. Der Schuldenabbau sei zwar in den vergangenen Jahren mächtig vorangeschritten. Da es aber in der derzeitigen wirtschaftlichen Entwicklung nicht unbedingt leichter werde zu haushalten, kündigt der Neu-OB eine klare Priorisierung an. "Geld da ausgeben, wo ein Attraktivitätsgewinn erzielt werden kann, um weiter Familien und Firmen anzuziehen", so die Devise.

"Wir stehen gut da", resümiert Kling. Eben ganz die "stabile Mittelstadt", die Calw laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung ist, die der OB in seinen Ausführungen zitiert. "Wir dürfen uns aber deshalb nicht dazu verleiten lassen, nichts zu tun", betont er. Mit Weitsicht und einer proaktiven Steuerung wolle Kling Calw voranbringen und sogleich das "Leitbild 2040" angehen. Unterstützung dafür sei ihm schon vielerorts signalisiert worden. "Jetzt müssen wir nur noch wollen. Ich hab’ Lust drauf", schließt Kling.

Zwei Bürgermedaillen verliehen

Die erste Neujahrsansprache des neuen Stadtoberhaupts bleibt nicht die einzige Besonderheit an diesem Tag. Es werden auch zwei Bürgermedaillen der Stadt Calw für besondere Verdienste und persönliche Leistungen verliehen – an Günther Stricker und Hugo Bott. Ersterer, ehemaliger Leiter der Volkshochschule (VHS) Calw engagiert sich seit Jahren für Flüchtlinge. Schon lange bevor der Fokus der Öffentlichkeit auf das Thema gerichtet war, hatte Stricker Sprachkurse für Asylbewerber angeboten, geholfen wo zu helfen war und schließlich den Verein AK Asyl gegründet, dem er bis heute vorsitzt. In einer flammenden Rede hebt Andreas Reichstein, Leiter der Erlacher Höhe Calw und Bekannter von Stricker, das Engagement sowie die Menschlichkeit desselben hervor – im Gegensatz zur Flüchtlingspolitik der Europäischen Union, die Reichstein harsch kritisiert. "Du nimmst Menschen an die Hand", meint der Redner, an den Preisträger gerichtet. "Du bist ein Chancengeber und Zukunftsmacher. Deshalb hast du diese Auszeichnung verdient."

Bott war nicht nur 35 Jahre lang als Stadtrat tätig, sondern ist auch seit 1994 Vorsitzender des größten Vereins in Calw, führt Kling aus. Unter Botts Führung sei das Jahrhundertprojekt TSV Sportzentrum realisiert worden. "Und es wird immer schwieriger, solche Leute zu finden." Paul Graef, ein langjähriger Wegbegleiter des Geehrten sieht es als "wunderbare Aufgabe" an, die Laudatio für Bott zu halten. Er habe durch sein Engagement viele Bereiche berührt. "Du warst immer zur Stelle, wenn Not am Mann war, du warst immer unter Strom." Unter anderem durch seine große Liebe zum Handball habe Bott über die Jahre jungen Leuten vieles gelehrt und "eine vorbildliche Einrichtung geschaffen".

Es bleibt nicht bei diesen beiden Auszeichnungen. Kling hat bei seinem ersten Neujahrsempfang noch eine Liste mit 76 Sportlern vor sich, die für ihre Erfolge als Mitglied eines Calwer Vereins ausgezeichnet werden. "Das ist uns ein großes Anliegen", unterstreicht er. Den Abschluss der musikalischen Darbietungen bildet das Gitarren-Ensemble der Musikschule.