Francis Guillaume vom Arbeitskreis Zeitgeschichte ruft auf einer Karte den Ort Althengstett auf, wo Informationen zum Fall des zwangsarbeiters Marian Tomczak gezeigt werden. Foto: Würfele

Stuttgarter Schau thematisiert auch Fälle aus Kreis. Wegen Liebesbeziehungen hingerichtet.

Kreis Calw - Seit Dezember des vergangenen Jahres ist im "Hotel Silber", dem ehemaligen Hauptquartier der Gestapo in Württemberg und Hohenzollern, einem Tatort des organisierten NS-Terrors, eine Dauerausstellung zu Polizei und Verfolgung zu sehen. Auch Opfer aus dem Kreis Calw und ihre Schicksale werden dort erfahrbar gemacht.

Heinrich Silber kaufte 1873 den "Bayrischen Hof" in Stuttgart. Das Haus wurde im Volksmund auch dann noch nach seinem früheren Besitzer genannt, als es in der NS-Zeit Leitstelle der Geheimen Staatspolizei in Württemberg und Hohenzollern war. Zuvor und danach hatte das Gebäude eine wechselvolle Geschichte bis in die jüngste Vergangenheit, als es um den Erhalt und die Finanzierung als Ort der Erinnerung ging. Nach einer 18-monatigen Bauzeit wurde das "Hotel Silber" dann 2018 als Zweigmuseum des Hauses der Geschichte eröffnet.

Öffnung im Mauerwerk gewährt Blick in die Verwahrzellen

Die Dauerausstellung zu Polizei und Verfolgung setzt sich auf 300 Quadratmetern mit der Institution Polizei und ihrer Rolle in unterschiedlichen politischen Systemen, in Demokratie und Diktatur, auseinander. "Die Ausstellung nimmt die Täter, ihre Helfer und auch Helferinnen genauso in den Blick wie die Gruppen, die ausgegrenzt, verfolgt und ermordet wurden. So kann man Ursachen und Motive aufzeigen sowie die Strukturen sichtbar machen, die den bürokratisch organisierten Staatsterror erst möglich gemacht haben", sagt Paula Lutum-Lenger, die Ausstellungsleiterin. Für Thomas Schnabel, den Direktor des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg, ist es ein bundesweit einmaliges Projekt.

Schon im Kellergeschoss, wo Besucher ihre Jacken ablegen können, fällt eine kleine Öffnung im Mauerwerk auf. Sie gewährt einen Blick in die Verwahrzellen, in denen die Häftlinge der Gestapo auf ihre Verhöre warten mussten. Der Calwer Kommunist Hans Ballmann, der während des Nationalsozialismus mehrere Jahre in verschiedenen Haftanstalten und Konzentrationslagern inhaftiert war, schreibt in seinem ausgestellten Erinnerungsbericht "Im Konzentrationslager" von schwersten Misshandlungen und von "Blutspritzer an den Wänden im Keller und den drei Zellen im Gestapo-Gebäude". Auch der Maler Rudolf Schlichter, der 1938 aufgrund einer Verleumdung wegen "unnationalsozialistischer Lebensführung und Kuppelei" festgenommen wurde, war dort drei Monate inhaftiert. Sein Aquarell "Der Gefangene" in das die damaligen Hafterfahrungen eingeflossen sind, ist ebenfalls zu besichtigen.

Die Ausstellung verschweigt nicht die Namen der Täter und setzt sich mit den Schicksalen der Opfer auseinander. So findet sich in einem Raum eine Karte, auf der die Orte verzeichnet sind, an denen die Gestapo polnische oder russische Zwangsarbeiter ohne richterliches Urteil hingerichtet hat. Auch Althengstett und Egenhausen tauchen da auf.

Der häufigste Grund für die Tötung war die Beziehung zu einer deutschen Frau, wie bei dem polnischen Zwangsarbeiter Marian Tomczak. Er ging 1941 eine im Sinne der NS-Rassenideologie strikt verbotene Liebesbeziehung ein, was für ihn und seine Freundin schwerwiegende Folgen haben sollte. Tomczak wurde am 3. August 1942 in Althengstett durch den Strang hingerichtet.

Auch sein 30-jähriger Landsmann Marian Swidersiki aus Egenhausen musste ein Verhältnis mit einer Deutschen am 29. Oktober 1942 mit dem Leben bezahlen.

Viele interessante und eindrucksvolle Originalobjekte und Dokumente eines abscheulichen politischen Tuns werden in den einzelnen Räumen gezeigt. Eine Präsentation von historischem und mahnendem Wert.

Weitere Informationen: www.Geschichtsort-Hotel-Silber.de

Das Museum "Hotel Silber" in der Dorotheenstraße 10 in Stuttgart ist von Dienstag bis Sonntag sowie an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr, Mittwoch bis 21 Uhr geöffnet. Montag ist geschlossen. Der Eintritt ist frei.