Ein Fragment des 1896 von Pfarrer Karl Hermann Klaiber für die Hirsauer Marienkapelle gestifteten (und 1970 entfernten) Glasfensters im historisierenden Nazarenerstil. Foto: Langner Foto: Schwarzwälder Bote

Historisches: Vortrag und Mitgliederversammlung der "Freunde Kloster Hirsau" / Wissenschaftliche Erkenntnisse präsentiert

Das im Jahr 1075 vom Salierkönig Heinrich IV. ausgestellte so genannte "Hirsauer Formular" ist mit Abstand das bekannteste Dokument im Zusammenhang mit der Hirsauer Klostergeschichte.

Calw-Hirsau. Die auf den 9. Oktober 1075 datierte Urkunde dokumentiert die rechtliche Loslösung des Klosters von der Stifterfamilie der Grafen von Calw. Darin werden vor allem die Einsetzung des Abtes sowie die Vogteirechte neu geregelt. Darüber hinaus listet das Dokument eine Reihe von Gütern auf, die Graf Adalbert II. von Calw dem Kloster kurz zuvor übereignet hatte. Für viele Orte in der Region ist mit dieser Urkunde deren erste Erwähnung verbunden.

Zahlreiche Wissenschaftler haben sich in der Vergangenheit in erster Linie mit der Echtheit des Dokuments beschäftigt. Heute herrscht hier weitgehender Konsens, dass die Urkunde nicht aus der Zeit ihrer Datierung stammt, sondern eine spätere, vermutlich ergänzte Kopie aus dem frühen 12. Jahrhundert ist, deren Inhalte jedoch korrekt dargestellt sind.

In seinem Vortrag im Rahmen der Mitgliederversammlung des Vereins "Freunde Kloster Hirsau" lenkte Denis Drumm, Historiker an der Universität Tübingen, den Blick auf den Zeugenkreis der Urkunde, ein Aspekt, der bislang noch nie wissenschaftlich betrachtet wurde. Die 17 Zeugen wurden erstmals im württembergischen Urkundenbuch lokalisiert. Dieser Personenkreis bezeugte jedoch nicht die Erstellung der Urkunde, sondern den eigentlichen Akt der Übertragung der Rechte von der Grafenfamilie an das Kloster, der am Aureliustag desselben Jahres in Hirsau stattfand. Der bekannteste unter den Zeugen war Liutold von Achalm, dessen Familie das Kloster Zwiefalten stiftete. Drumm versuchte, sämtliche Zeugen oder zumindest deren Familien durch weitere Quellen zu belegen, was bei fast allen gelang. Jedoch wurde deutlich, dass manche bisherige geografische Zuordnung einer Überprüfung nicht standhält.

Dem Referenten gelang es, einige Zeugen neu zu lokalisieren und daraus ein schlüssiges Gesamtbild zu entwickeln. Alle stammten aus einem Umkreis von etwa 70 Kilometern um das Kloster, einige aus dem Altsiedelland entlang des Neckars und des Albtraufs, viele mehr jedoch aus dem neu zu erschließenden Landstrich an der Ostflanke des Schwarzwalds, vor allem im Bereich um das Waldachtal. Somit wird deutlich, dass der Zeugenkreis des Hirsauer Formulars bezeichnenderweise ausgewählt wurde, um die wirtschaftlichen Bestrebungen des Hirsauer Klosters, aber auch seiner Calwer Vogtherren bei ihrer Expansion in den Schwarzwald, abzusichern. So erscheint es plausibel, dass einige der dort verorteten Zeugen auch in Verbindung mit dem Kloster Alpirsbach und dem Hirsauer Priorat Reichenbach dokumentiert sind. Die Zeugen sorgten für die Rechtssicherheit des Hirsauer Engagements, besonders gegenüber anderen territorialen Konkurrenten wie zum Beispiel den Tübinger Pfalzgrafen.

Bei der Mitgliederversammlung im Vorfeld berichtete der Vorsitzende Klaus-Peter Hartmann von vielfältigen Vereinsaktivitäten. Es konnte wiederum ein Heft mit historischen Arbeiten zu Hirsau veröffentlicht werden, darin der bislang unveröffentlichte Vortrag von Hansmartin Decker-Hauff anlässlich der 900-Jahr-Feier zur Grundsteinlegung von St. Peter und Paul im Jahr 1982.

Zusammenarbeit mit Cluny ausgebaut

Die Zusammenarbeit mit der Fédération von Cluny, dem französischen Reformkloster, wurde bei Arbeitstreffen gemeinsam mit der Stadt Calw weiter ausgebaut. Die Ergebnisse des von Hartmann im vergangenen Jahr veröffentlichten Werks zur Hirsauer Klosterlandschaft konnte den Freunden in Cluny übermittelt werden, da diese einen wesentlichen Bestandteil zu deren Antrag auf immaterielles Weltkulturerbe bei der Unesco darstellen.

Auch im vergangenen Jahr fand wieder eine Studienfahrt "Auf Kloster Hirsaus Spuren" statt, dieses Mal als Tagesfahrt nach Lorch im Remstal, sowie zur Sonderausstellung zum "Meister von Meßkirch" in der Stuttgarter Staatsgalerie, wo dem Gothaer Altar besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Nicht zuletzt unterstützt der Verein Bemühungen, das 1970 ersetzte Chorfenster der Marienkapelle zu restaurieren und der Allgemeinheit wieder zugänglich zu machen.