Beim Projekt Hesse-Bahn macht der Landkreis Calw Nägel mit Köpfen. Foto: avmediafactory

Zweckverband setzt Großprojekte auf die Schiene. Riegger kritisiert "Verzögerungstaktik" in der Region Stuttgart.

Kreis Calw - Im Kreis Böblingen wird mal wieder gegen die Hesse-Bahn geklagt. In der Region Stuttgart diskutiert man eifrig über eine Express-S-Bahn bis nach Calw. Im Kreis Calw lässt man sich davon aber nicht beirren. Man bleibt auf dem eingeschlagenen Kurs und macht millionenschwere Nägel mit Köpfen.

Eigentlich wollte Landrat Helmut Riegger die nach der Kommunalwahl neu in die Versammlung des Zweckverbands Hesse-Bahn berufenen Mitglieder über den Stand der Dinge und die Ereignisse der vergangenen Monate in Kenntnis setzen. Doch dabei blieb es nicht. Denn in den vergangenen Monaten hatte sich bei Riegger jede Menge Ärger angestaut. Und diesem Ärger machte er zu Beginn der Verbandsversammlung mächtig Luft.

Anlass war – nicht zum ersten Mal – das Vorgehen von politisch Verantwortlichen im Kreis Böblingen und in der Region Stuttgart. Während sich der Kreis Calw in der Sache Hesse-Bahn an das halte, was man gemeinsam mit allen Beteiligten – auch denen aus dem Kreis Böblingen – vereinbart habe, halte sich etwa die Stadt Renningen nicht an eben diese Vereinbarungen. Konkret hat Riegger dabei die jüngste Klage gegen die Hesse-Bahn im Blick. Renningen hat nämlich gegen die Maßnahmen zum Ausbau des Bahnhofs Renningen Klage eingereicht.

Keine Informationen zu einer möglichen Express-S-Bahn

Auch die derzeit – vor allem in der Region Stuttgart – laufende Debatte um eine mögliche Express-S-Bahn von und nach Calw sieht Riegger kritisch. Bisher habe man aus Stuttgart noch keinerlei nähere Informationen zu einer möglichen Express-S-Bahn bekommen. Auch über die Finanzierung einer solchen Bahn – immerhin koste diese 30 Millionen Euro mehr als die Hesse-Bahn – gebe es keine konkreten Vorschläge, so Riegger, für den klar ist, warum diese Debatte geführt werde. Das mit der Express-S-Bahn sei nichts anderes als eine "reine Verzögerungstaktik" seitens der Region Stuttgart, ist der Calwer Kreischef überzeugt.

Doch dadurch werde man sich nicht vom eingeschlagenen Weg abbringen lassen, betonte Riegger. "Wir machen unser Ding weiter", stellte der Landrat klar, der in diesem Zusammenhang die "sehr gute Zusammenarbeit" mit dem Verkehrsministerium in Stuttgart betonte.

Tunnel-Neubau aufwändigstes Projekt

Eben jenes Ministerium meldete sich denn auch prompt am Mittwoch zu Wort. Ministerialdirektor Uwe Lahl stellte im Rahmen einer Pressemitteilung klar, dass man an dem zwischen den Beteiligten vereinbarten Stufenplan nicht rüttle. "Es bleibt beim vereinbarten Stufenplan für Hermann-Hesse-Bahn und möglicher S-Bahn-Verlängerung", heißt es in der Mitteilung.

Den Worten ihres Vorsitzenden ließ die Verbandsversammlung dann auch konkrete Taten, sprich Beschlüsse folgen. Das Gremium gab einmütig grünes Licht für die Ausschreibung von insgesamt fünf millionenschweren Bauprojekten, die zusammengenommen rund 18 Millionen Euro kosten werden. An erster Stelle gab es das grüne Licht für das aufwändigste Projekt im Rahmen der Hesse-Bahn: den Tunnelneubau zwischen Weil der Stadt und Ostelsheim, dessen Baukosten mit 13 Millionen Euro beziffert werden. Der Tunnel wird die Streckenlänge um drei Kilometer und die Fahrtzeit um vier Minuten verkürzen. Die Planer im Calwer Landratsamt rechnen mit einer Gesamtbauzeit für das Projekt von etwa zwei Jahren.

Grünes Licht gab es auch für den Neubau von zwei Fledermausersatzquartieren, für den man mit Kosten von etwa einer Million Euro kalkuliert. Diese neuen Quartiere sind Bestandteil der Einigung mit dem Naturschutzbund NABU und sollen in der Nähe des Forst-Tunnels und am Nordportal des Hirsauer Tunnels entstehen. Beim Bau dieser Quartiere betritt der Zweckverband Neuland. Man habe in dieser Sache keinerlei Erfahrungswerte, so Holger Schwolow vom Projektteam Hesse-Bahn im Calwer Landratsamt. Das jetzt geplante Konzept habe man mit dem im Zuge des Konflikts mit dem NABU eingerichteten Arbeitskreis Fledermaus erarbeitet.

Auch Entwässerung schluckt Millionensumme

Ebenfalls komplett neu gebaut wird die Eisenbahnüberführung über die Bahnhofstraße in Ostelsheim. Als Kosten stehen da 1,1 Millionen Euro im Raum. Sie werden zu 73 Prozent vom Zweckverband und zu 27 Prozent von der Gemeinde Ostelsheim getragen, wobei der Zweckverband Bauherr der Maßnahme sein wird. Angestrebt ist ein Baubeginn im Jahr 2020.

Eine Millionensumme wird auch die Entwässerung der beiden Bestandstunnel – der Hirsauer Tunnel und der Forsttunnel – kosten. Nötig sind diese Arbeiten, weil die bestehende Entwässerung – vor allem im Forsttunnel – marode ist und ihren Zweck nicht mehr erfüllt. Als Zeit der Umsetzung ist die Spanne von Mai bis September 2020 vorgesehen. Nur in diesen Monaten kann in den Tunneln aus Rücksicht auf die Fledermäuse gearbeitet werden.

Gut 60.000 Tonnen Schotter befinden sich aktuell auf der Bestandsstrecke zwischen Calw und Weil der Stadt. Sie sollen, so weit möglich, auch auf der neuen Strecke Verwendung finden. Nach Angaben der Planer kann man 75 Prozent des Schotters wiederverwenden. Dazu muss dieser aber mit Sieben aufbereitet werden. Den Großteil der für dieses Vorhaben vorgesehenen 1,1 Millionen Euro wird allerdings nicht für die Aufbereitung selbst verwendet, sondern für die Entsorgung des Materials, das nicht mehr wiederverwendet werden kann.

Die Versammlung segnete die Bauprojekte jeweils ohne große Debatte und einmütig ab.