Soll ich oder soll ich nicht, scheint sich die Frau vor dem Wagen zu fragen. Foto: Fisel

Hamburger Fischmarkt in Calw: Händler palavern so lange, bis Kunden kommen. Außergewöhnliche Marktatmosphäre. 

Calw - Es ist Samstag, Markt- und Einkaufstag in Calw. Eigentlich nichts Besonderes für die Menschen in dem beschaulichen Schwarzwaldstädtchen. Und doch ist an diesem Wochenende vieles anders.

Das Marktgeschehen findet auch auf dem Brühl statt. Des Weiteren bieten neben den Lebensmittelständen auch noch zahlreiche Händler Schmuck, Kurzwaren, Textilien oder Lederartikel an. Dann ist da die Rede von Matjes oder Makrelen, vom Käpt’n oder Smutje, von Meer und Hafen. Auch die Gerüche erinnern an jene ferne Welt, die sich doch von der schwäbischen Heimat und dem Nordschwarzwald so gewaltig unterscheidet: Statt nach Krautnudeln oder Laugenbrezeln riecht es vornehmlich nach frittiertem Bratfisch und fangfrischem Kabeljau, nach Smutjes Kartoffelpuffer und Hamburger Pflaumen-Michel.

Die Ursache für all diese außergewöhnlichen Markt-Zu-stände liegt bei den Gästen aus dem hohen Norden, die für vier Tage Station in Calw machen: Der Hamburger Fischmarkt ist auf Tour und mit ihm seine weltbekannten Marktschreier: Wurst-Herby, Aal-Hinnerk, Käse-Rudi, Bananen-Fred sowie Nudel-Kiri. Hunger und Durst während des Einkaufs stillen Schokolade von Hanjo nebst verlockenden Süßspeisen, Fischimbiss von Käthe Kabeljau samt einer Fischmarkt-Schänke.

Das Kurioseste an der ganzen Sache aber erscheint letzten Endes die völlig andersgeartete Verkaufsstrategie: Die Händler warten nicht, bis ein Besucher Interesse bekundet oder kaufen möchte – weit gefehlt: Sie rufen, locken oder palavern so lange, bis sich ein Kunde einstellt!

"Bei uns schmeckt es wie bei Muddern", verspricht die freundliche Frau aus dem Wagen mit der Aufschrift "Das kleine Café". "Frag’ im Osten, frag’ im Westen, Herbys Würste sind die Besten", frohlockt daneben der Wurstverkäufer. "Hier noch’n Stück Fleisch, eine frische Kalbsleberwurst, dazu ein paar Frikadellen …" Herby füllt dabei die Tüte. Gegenüber bei "Italienische Teigwaren aus Hartweizengrieß ohne Ei" belehrt Nudel-Kiri zwei Kinder: "Geht fleißig zur Schule, denn die Kinder, die nicht zur Schule gehen, müssen später Käse verkaufen!" Der Käse-Rudi jedoch scheint auch ohne Schule eine funktionierende Verkaufsstrategie entwickelt zu haben: "Musst unbedingt noch was essen, Kind, siehst ja aus wie’ne Fahrradspeiche!" Und wer möchte nicht lieber zu schlank als zu dick wirken? Die Angesprochene jedenfalls freut sich und kauft.

Doch als Hinnerk verkündet, dass er auf der Suche nach einer reichen Frau zum Heiraten sei und vorlaut prahlt: "Es darf auch eine Junge sein, eine Alte hab ich zuhause" da können manche herzlich lachen, andere blicken weniger amüsiert. So zeigt sich letztlich die Stimmung den ganzen Tag über: Hier wird geschäkert und gefeixt, dort gibt man sich eher reserviert, als ob man damit kundtun möchte: "Ich bestimme schon selbst, wann ich aus meinem Versteck komme!"

Helga Engl aus Hirsau jedenfalls ist von dieser Einkaufsmöglichkeit begeistert: "Endlich kann ich frischen Fisch in großer Auswahl und richtig günstig kaufen!" Friedhelm und Heidrun Kugele aus Unterlengenhardt faszinieren die Menschen, gerade weil sie so anders sind: "Es macht richtig Laune, dem Hanjo zuzuhören, wenn er von früher erzählt und wie er tagelang aufs Meer zum Fischen ging." So ist das eben mit Calw und dem Hamburger Fischmarkt: Manche lieben das Neue, Fremdartige, andere bleiben lieber beim Altvertrauten.