Jörg Stahl präsentierte die positive Entwicklung der Volks- und Raiffeisenbanken online.Foto: Kunert Foto: Schwarzwälder Bote

Bilanz: Volks- und Raiffeisenbanken zeichnen optimistisches Bild der heimischen Wirtschaft

Nach einem Rekordjahr 2019 rechnete die Bezirksvereinigung der Volks- und Raiffeisenbanken im Kreis Calw (BZV) coronabedingt mit dem Schlimmsten. Doch nichts da – auch 2020 setzt sich die Rekordjagd der Genossenschaftsbanken fort. Mit einer Ausnahme.

 

Kreis Calw. Jörg Stahl, Vorsitzender des BZV, sprach bei der gemeinsamen Pressekonferenz der Volksbank Herrenberg-Nagold Rottenburg, der Raiffeisenbank im Kreis Calw, der Volksbank Nordschwarzwald und der Volksbank Pforzheim im Video-Live-Stream von einer "insgesamt erfreulichen Entwicklung" – was angesichts der Rahmenbedingungen und der ursprünglichen Prognosen eine Untertreibung sein dürfte: Um 7,3 Prozent legte die gemeinsame Bilanzsumme der Genossenschaftsbanken für das Kreisgebiet Calw (ohne Volksbank Pforzheim) 2020 zu – auf 3,86 Milliarden Euro. Rekord.

Auch die weiteren Zahlen legen nahe, dass es Unternehmen und Region ziemlich gut geht, die Finanzlage ziemlich robust sein muss: So wuchsen in der Krise die gemeinsamen Kundeneinlagen des BZV um sieben Prozent oder 291 Millionen Euro auf einen ebenfalls neuen Rekordstand von 4,46 Milliarden Euro – wovon 2,8 Milliarden Euro bilanziell (also in Spareinlagen), 1,659 Milliarden Euro außerbilanziell (in Wertpapierdepots) geführt wurden.

"Wir können aktuell Liquiditätsprobleme bei den Unternehmen nicht sehen", sagte Stahl.

Sollte man nach Ursachen dafür forschen, sei dafür sicher "die sehr gute Auftragslage" der Unternehmen unmittelbar vor der Corona-Krise und die damit verbundene "exzellente Liquiditäts-Situation" der heimischen Wirtschaft verantwortlich. "Die Unternehmen haben in der vergangen Jahren sehr gut gewirtschaftet." Aber die Zahlen der Genossenschaftsbanken bedeuteten deshalb nicht automatisch, dass die Unternehmen durch die Pandemie keine Verluste zu verkraften hätten – eher im Gegenteil. Da werde aktuell "sehr viel Eigenkapital der Unternehmen vernichtet", so Stahl. "Das ist, was mich am meisten schmerzt."

Aber das passiere alles auf einem vergleichsweise "hohem Niveau" und gefährde die Liquidität der Wirtschaft nicht existenziell. Stand heute heiße das: "Wir haben kein Problem", schon gar nicht als Bank. Auch wenn man selbst "weiter eher vorsichtig" agiere und eine nach wie vor "hohe Risikovorsorge" betreibe. Denn wenn noch "echte Probleme für die Wirtschaft", etwa durch einen weiter anhaltenden Lockdown, entstünden, rechne die BZV damit eher im Laufe des aktuellen und des kommenden Jahres. "Aber eigentlich blicken wir eher optimistisch in die Zukunft".

In der Corona-Krise konnte auch das Kreditvolumen der Genossenschaftsbanken im Kreis Calw zulegen, zwar "nur" um 3,9 Prozent oder 109 Millionen Euro auf 2,88 Millionen Euro – 2019 vor Corona war der Zuwachs noch nahezu doppelt so hoch gewesen. Aber das betreffe nur die Kredite, die in den eigenen Bilanzen ausgewiesen werden müssten.

Insgesamt sei das Kreditgeschäft jedoch "deutlich ausgeweitet worden", vor allem eben durch vermittelte Kredite anderer Banken. Während im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 die aus Kulanzgründen gewährte Tilgungsaussetzung von Krediten bei den BZV-Banken "noch ein großes Thema" gewesen sei, spielte das jetzt in der zweiten und dritten Welle "keine Rolle mehr". Stahls Vermutung: Im ersten Lockdown habe es noch große Unsicherheiten, Sorgen und Ängste gegeben, wie sich die persönliche finanzielle Situation entwickeln könnte. Ab der zweiten Welle konnten die Bankkunden dann bereits deutlich souveräner mit der Situation umgehen.

Womit man zu den mit Abstand "positivsten Zahlen" der BZV-Bilanz kommt – etwa bei der Entwicklung des Wertpapierbestands. Der konnte im abgelaufenen Jahr am Ende um 9,9 Prozent oder 103 Millionen Euro auf 1,15 Milliarden Euro zulegen – und das trotz eines "drastischen Kursrückgangs" an den Börsen zu Beginn der Pandemie. Wobei die BZV-Banker darauf hinweisen, dass alle Einkommens- und Gesellschaftsschichten mittlerweile vom Börsenboom profitierten. Was Gerd Haselbach von der Raiffeisenbank im Kreis Calw bestätigt: "Es gibt einen regelrechten Run auf Sparpläne" – ein Trend, der sich auch zu Beginn des aktuellen Jahres "ungebrochen fortsetzt".

Immobilien sindweiterhin gefragt

Und dann gibt es noch diese Zahl in der BZV-Bilanz: Um 42,6 Prozent oder 18,4 Millionen Euro auf die Rekordhöhe von 62 Millionen Euro sprang der Immobilienumsatz im abgelaufenen Jahr hoch – für insgesamt 197 veräußerte Immobilien. Zum Vergleich: Im bisherigen Rekordjahr 2018 wurden mit 207 Immobilien ein Umsatz von 48 Millionen Euro erzielt. "Die Kunden ließen sich von den Lockdowns nicht abschrecken", besichtigten – und kauften – auch weiterhin Immobilien, was den niedrigen Zinsen, der hohen Liquidität und der weiterhin herrschenden Wohnungsnot in der Region geschuldet sei. Und auch hier gehe "der Boom 2021" ungebrochen weiter. Was ein gutes Signal sei – denn gerade die Bauwirtschaft sei "ein Rückgrat der heimischen Wirtschaft" aus BZV-Sicht.

Bleibt "der einzige Wermuts-Tropfen", allerdings "auf hohem Niveau": die Neuabschlüsse bei den Bausparverträgen. Denn hier ging das Volumen um 16,2 Prozent oder 22,8 Millionen Euro auf nur noch 118 Millionen Euro oder 2237 Neuverträge zurück. Hintergrund dafür sei, dass auch hier die Neugestaltung der Vertragsbedingungen aufgrund des Nullzins-Marktes Bausparverträge als Anlageform unattraktiv gemacht hätten. Nur diejenigen, die in Zukunft wirklich Bauen wollten und dafür die Ansparsumme bräuchten, schlössen noch solche Bausparverträge ab. Dafür wieder auf Rekord-Höhe: Die Neuabschlüssen von Lebensversicherungen, die um 17,1 Prozent oder 8,4 Millionen Euro auf 57 Millionen Euro oder 2378 Neuverträge zulegten.