Nach dem Geschichtsunterricht zeigten viele Schüler Interesse an Hermann Vinkes Buch "Die DDR" und erstanden so manches Exemplar. Foto: Bausch Foto: Schwarzwälder-Bote

Schriftsteller Hermann Vinke stellt sein Buch "Die DDR" vor / Ungewöhnliche Geschichtsstunde kommt an

Von Bettina Bausch

Calw-Wimberg. Einen Geschichtsunterricht der besonderen Art erlebten sechs Klassen der Hermann-Gundert-Schule. Zusammen mit Sandra Gnädinger von der Kreisbibliothek hatte die Schule den renommierten Journalisten und Schriftsteller Hermann Vinke eingeladen.

Der Autor des preisgekrönten Jugendbuches "Das kurze Leben der Sophie Scholl" war geradezu prädestiniert für die Aufgabe, den Schülern über das Leben in der DDR zu berichten. Zum einen arbeitete der 72-jährige ehemalige Fernsehredakteur als Freier Korrespondent für Ostmittel- europa/Baltikum und war auch einige Zeit Leiter des ARD-Studios Ostdeutschland.

Neben vielen weiteren Jugendsachbüchern hat der Re- ferent ein lesenswertes Buch mit dem Titel "Die DDR" veröffentlicht, in dem er speziell für Jugendliche die DDR-Zeit sowie ihre Vorgeschichte und die Wiedervereinigung aufgearbeitet hat.

Obwohl die Veranstaltung als Lesung angekündigt war, hielt sich Vinke, abgesehen von wenigen Proben aus seinem Buch, weniger an seine gedruckten Texte. Der Autor war so sehr von seinem Lehrstoff erfasst, dass er lebendig und authentisch drauf los erzählte, und zwar so, dass es mucksmäuschenstill war im großen Saal. Da ging es nicht nur um DDR-Klischees wie Spreewaldgurken, Rotkäppchensekt, Mauer und Trabi, sondern die wirklichen Probleme dieser sozialistischen Diktatur wurden sichtbar gemacht. So wurden zum Beispiel die Frage gestellt: "Wisst ihr, wo das Tal der Ahnungs- losen in der DDR lag?" Gemeint war das Elbetal bei Dresden, in dem zu DDR-Zeiten keine Westsender empfangen werden konnten.

Weiter wurde das zuletzt marode System gezeichnet mit den Zuständen in den HO-Läden, wo es vergammelte Waren und ungenießbares Personal gegeben habe. Eigenartig hätten ihn Bilder angemutet, wie zum Beispiel ein großes Spruchband mit der Aufschrift "Alles zum höheren Wohle des Volkes", das an einem völlig vergammelten baufälligen Haus angebracht war. Weiter erfuhren die Schüler, dass die Staatssicherheit kein Geheimdienst im üblichen Sinne, sondern eine direkt dem Politbüro unterstellte Polizei war, die skrupellos zuschlagen konnte, ohne dafür eine Rechtfertigung liefern zu müssen.

Besonders beeindruckend in Vinkes Buch sind die Lebensbilder von DDR-Prominenten. Als Beispiel wurde den Schülern die Vita von Walter Ulbricht vorgestellt. Nie wurde der Referent zynisch, nie verurteilte er, sondern stellte einfach nur dar. Dabei zeigte er auch Vorzüge der Ostdeutschen auf: Sie waren fähig enge Netzwerke aufzubauen, hielten zusammen und hatten oft gute Gemeinschaften.

Auch die Westdeutschen blieben nicht ungeschoren. Nach der Wende wurden viele Ostdeutsche von westdeutschen Wirtschaftshaien regel- recht überfallen. Wie die Treuhand mit den Resourcen der DDR verfahren ist, prangerte Vinke ebenfalls an.

Bei den Schülern kam die ungewöhnliche Geschichtsstunde an. "Ich interessiere mich für Geschichte und fand die lebendigen Schilderungen sehr interessant", lobte der 17-jährige Adrian Schneider. Die 16-jährige Isabelle Sarici fügte hinzu: "Die lebensnahen Berichte haben mich geradezu innerlich berührt".