Das Bild zeigt den geplanten Landratsamt-Anbau. Grafik: Landratsamt Calw Foto: Schwarzwälder Bote

Kommunales: Heftige Diskussion im Bau- und Umweltausschusses: Befreiung von Bebauungsplan abgelehnt

So hatten sich die Vertreter des Landratsamts (LRA) und des zuständigen Architekturbüros das bestimmt nicht vorgestellt: In der jüngsten Sitzung des Bau- und Umweltausschusses wollten sie den geplanten Anbau des LRAs vorstellen und die Zustimmung dafür einholen. Stattdessen hagelte es Kritik.

Calw. Rund ein Dutzend Anwohner des Landratsamts waren zur Sitzung des Bau- und Umweltausschusses gekommen, um ihre Sorgen bezüglich des geplanten Anbaus des LRA im Gremium vorzutragen. Der Entwurf sieht einen Querbau vor, der auf Haus A aufgesetzt wird und über die Votgteistraße ragt, bis zum Hang auf der anderen Seite. Die Straße würde dann unter dem Bürokomplex verlaufen. Das Ganze würde rund elf Millionen Euro kosten.

Die Anwohner sind mit diesen Plänen überhaupt nicht einverstanden. Das Gebäude, fürchten sie, würde ihre Wohnqualität enorm beeinträchtigen – von den negativen Auswirkungen auf den Wert der Immobilie ganz zu schweigen. "Jetzt haben wir eine Fassadenhöhe von 14 Metern, die wir direkt sehen. Mit dem Aufbau wäre es fast doppelt so hoch", sagte ein Vertreter, der im Namen aller Anwohner sprach. In den Wintermonaten hätte man damit praktisch keine Sonne mehr, weil der Anbau einen so massiven Schatten werfen würde. Auch die Privatsphäre würde leiden, wenn noch mehr Mitarbeiter des LRAs durch ihre Fenster direkt in die Gärten schauen könnten. Und die Anwohner gehen noch weiter: Sie sehen gar das Bild der ganzen Stadt beschädigt, wenn der Anbau in dieser Form kommen würde.

Nicht mehr zeitgemäß?

Stattdessen schlagen sie vor, ein Gebäude auf der anderen Seite der Vogteistraße zu errichten. Oder den Querbau weiter nach hinten zu versetzen. "Das würde uns gerade im Winter eine Stunde Sonne mehr schenken." Ganz generell fragen sich die Anwohner aber, ob so ein Anbau überhaupt noch zeitgemäß sei. Immerhin gebe es durch die Digitalisierung, Home Office und ähnliches, inzwischen Alternativen zum "normalen" Büro.

Schon seit 2008 gebe es im LRA einen Arbeitsplatznotstand, erklärte hingegen Andreas Knörle, Dezernent für Innere Organisation. Immer mehr Aufgaben werden den Landkreisen übertragen, sodass Arbeitskräfte benötigt werden. Momentan seien viele Leute "ausgelagert" in anderen Gebäuden – ein Dauerzustand sei das aber nicht. "Es war eine grundsätzliche Standortfrage", erklärt er. Zwar sei die Entscheidung für einen Anbau in der Hesse-Stadt knapp gewesen, "aber es ist ein klares Bekenntnis zu Calw", betonte Knörle. Der Anbau, der mit rund 1000 Quadratmetern geplant und für etwa 100 Mitarbeiter ausgelegt ist, würde dem höheren Arbeitsplatzbedarf Rechnung tragen. Und sei dennoch, mit zehn Quadratmetern pro Person, sparsam berechnet. Mobile "Sharing-Konzepte" seien überdies geplant.

Ein Problem der bisherigen Struktur sei zudem, dass es keinen zentralen Eingang gebe – beziehungsweise dieser schwer zu finden ist und man oft lange Wege in Kauf nehmen muss, so André Dieringer, Abteilungsleiter für Gebäudemanagement und Liegenschaften des Landkreises. Mit dem Anbau wäre ein wirklich zentraler Eingang möglich. "Ein Brückenschlag in die Zukunft" – und das im wörtlichsten Sinne. Aber: "Natürlich ist ein Gebäude mit 1000 Quadratmetern nicht unsichtbar", gab Dieringer zu. Auch räumte er ein, dass der neue Baukörper mehr Schatten werfen würde. "Aber der wandert entlang der Nachbarschaft, also ist nicht jedes Haus die ganze Zeit im Schatten." Auf den Schatten, den das bestehende Gebäude wirft, habe man keinen Einfluss. Und auch die Alternativen – zum Beispiel ein Aufbau über die komplette Breite – würden es nicht besser machen. Ein Überhang in Richtung Norden wurde schon während der Planungsgespräche, in denen auch Vertreter des Gemeinderats dabei waren, um fünf Meter zurückgenommen.

Den Aufbau noch einige Meter weiter in Richtung Süden zu versetzen, erschien mehreren Räten, unter anderem Adrian Hettwer (Gemeinsam für Calw) eine gangbare Alternative. "Das wäre ein Kompromiss, mit dem alle gut leben können", meinte er. "Ich halte die Notwendigkeit für nachvollziehbar. Der geringe Flächenverbrauch ist gut, die Brücke ist gut", sagte er. "Aber es ist schon sehr dominant." Werner Greule (FW) stellte sogleich einen Antrag, das Gebäude noch fünf Meter weiter zurückzusetzen. OB Eggert schlug als Kompromiss drei Meter vor. "Ich hoffe, dass wir das durchkriegen" – immerhin wäre damit eine erneute Erhöhung der Baukosten verbunden.

Harald Mast (CDU) sah es hingegen pragmatisch und verglich das Projekt mit Stuttgart 21. "Entweder wir müssen zustimmen oder es komplett umplanen – aber das ist nicht zu erreichen", meinte er. Ein Salto rückwärts helfe nicht, dafür seien die Planungen zu weit fortgeschritten. "Da hätten wir uns früher wehren müssen." Das Gebäude zurückzusetzen, ist für Mast nicht die Lösung. "Letztendlich ist es dann genauso sichtbar."

Ein weiterer Aspekt des geplanten Anbaus: Der Querriegel würde von den Baulinien, die im Bebauungsplan vom 1961 vorgesehen sind, abweichen und die überbaubaren Grundstücksflächen überschreiten.

"Veralteter" Plan

Der Paragraf 31 im Baugesetzbuch erlaubt aber eine Befreiung vom Bebauungsplan, wenn "Gründe des Wohls der Allgemeinheit (…) die Befreiung erfordern", "die Abweichung städtebaulich vertretbar ist" und "wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist", steht dazu im Gesetzbuch. Für die Verwaltung sind diese Kriterien erfüllt, weshalb der Beschlussvorschlag die notwendigen Befreiungen vorsah.

Die Grenzen würden allein schon wegen der Nord-Süd-Ausrichtung überschritten, erklärte Bernd Wössner vom Stadtplanungsamt Calw. Jedoch in Richtung Süden, nicht in Richtung der Nachbarschaft. Auch bei den anderen Gebäuden habe man sich nicht immer an den Plan gehalten, der laut Oberbürgermeister Ralf Eggert "veraltet" ist. "Aber jetzt, wenn ein Riegel draufkommt, zieht man den Plan heran?", fragte er in die Runde. Denn das Gremium war so gar nicht einverstanden damit, den Bebauungsplan mehr oder weniger zu ignorieren. Irmhild Mannsfeld (NLC) sah keine der Voraussetzungen von Paragraf 31 erfüllt, das Vorhaben von den Festsetzungen zu befreien. "Ich halte die städtebauliche Planung für nicht vertretbar", meinte sie. Ebenso sah es Linda Morhard (CDU). "Ich habe nichts gefunden, was für Paragraf 31 spricht", sagte sie. Das gesamte Konzept sei für sie nicht ganz schlüssig. Zumal Morhard sich nicht vorstellen könne, in einem Büro zu arbeiten, unter dem Autos fahren.

Von Einwänden überrascht

Eggert zeigte sich von diesen Einwänden überrascht – immerhin hätte jeder die Möglichkeit gehabt, in die Kreistagssitzungen zu gehen, in denen das besprochen wurde – zumindest, um sich zu informieren. Nicht hinzugehen, dann aber die Planungsvorschläge ändern zu wollen, das erschließe sich ihm nicht. Was wiederum eine Diskussion darüber auslöste, ob das Thema überhaupt schon mal im Kreistag öffentlich diskutiert wurde. Thomas Zizmann (Freie Wähler) sah mangelnde Transparenz, Eggert entgegnete, er erinnere sich noch genau an die betreffende Sitzung.

Hermann Seyfried (NLC) warf dem Architekten vor, dass die Planung noch nicht ausgereift sei. "Normalerweise bin ich ein Freund von so Gebäuden, aber hier geht es um Steuergelder", sagte er. Seyfried sprach den Rat aus, in Bestandsgebäude zu gehen – immerhin stehe bald das Krankenhaus leer. Knörle rief erneut ins Gedächtnis, dass "viele Experten sich viele Gedanken gemacht haben". Ein jahrelanger intensiver Prozess stecke hinter den Planungen. "Aber ich nehme die Kompromissvorschläge mit." Versprechen, dass es eine Lösung bringt, könne er aber nicht. Nach der geballten Kritik, die sogar eine Sitzungsunterbrechung zur Folge hatte, sehe er sich gezwungen, "das ganze Vorhaben zu überdenken".

Der Antrag von Greule wurde bei Stimmengleichheit abgelehnt. Auch die allgemeine Zustimmung für das Baugesuch fiel negativ aus: Bei acht Gegenstimmen, fünf Stimmen dafür und einer Enthaltung wurde es abgelehnt.

"Der Landkreis nimmt die ablehnende Haltung des Bau- und Umweltausschusses der Stadt Calw zur geplanten Erweiterung des Landratsamts zur Kenntnis. Es ist nicht vorgesehen, dass aufgrund des Beschlusses eine Umplanung erfolgt", erklärte Claudia Krause, Abteilungsleiterin Zentrale Steuerung im Landratsamt Calw, auf Anfrage unserer Zeitung.

"Für die Planung haben die Landkreisverwaltung, die Architekten und der projektbegleitende Ausschuss, dem ebenfalls Fachleute angehören und an dessen Beratungen zeitweise auch Gemeinderäte der Stadt Calw beteiligt waren, viel Zeit investiert, um eine planerische Lösung zu erarbeiten, die sämtliche Anforderungen an eine bauliche Erweiterung des Landratsamts erfüllt. Dazu gehört unter anderem die Schaffung von 100 Arbeitsplätzen, einer zentralen Eingangssituation mit neuer Zulassungsstelle, eine gute Anbindung mit kurzen Wegen zu den bestehenden Gebäuden, die städtebauliche Wirkung sowie die Option, mögliche künftige Erweiterungen auf der Hangseite der Vogteistraße darstellen zu können", so Krause.

Als Reaktion auf den Beschluss hätten Landrat Helmut Riegger bereits Anfragen anderer Kreiskommunen für die Ansiedlung einer Außenstelle des Landratsamts erreicht. Da der Erweiterung des Landratsamts kein Baurecht erteilt worden und die Raumsituation im Landratsamt nach wie vor sehr beengt sei, prüfe die Verwaltung jetzt die kurzfristige Anmietung von Büroflächen in anderen Kreiskommunen.

Landrat Riegger habe auch den Personalratsvorsitzenden über die neue Entwicklung informiert.

Die ablehnende Haltung des Bau- und Umweltausschusses sei ein schlechtes Signal an die Mitarbeiter des Landratsamts, die sehr darauf gehofft hatten, dass nach einer intensiven Planungsphase bald mit dem Erweiterungsbau begonnen werden kann, um die dringend benötigten Arbeitsplätze in absehbarer Zeit schaffen zu können.