Hesse-Bahn: Politiker aus dem Kreis Böblingen werfen Kreis Calw bewusste Täuschung der Bevölkerung vor.
Kreis Calw/Kreis Böblingen - Lang war es friedlich rund um die Hesse-Bahn. Jetzt feuern die Gegner des Projekts wieder aus allen Rohren, werfen dem Landkreis Calw Falschaussagen vor und selbst Böblingens Landrat ist entrüstet. Anlass für das Aufflammen des Konflikts: der vom Landkreis veröffentlichte "HHB-Express".
Es war als Informationsoffensive geplant. Ein aufwendig gestaltetes achtseitiges Magazin über Vorgeschichte, Gegenwart und Zukunft der Hermann-Hesse-Bahn. Verteilt wurde das Produkt im Kreis Calw sowie in Weil der Stadt und Renningen, den Anrainer-Kommunen des Projekts. Auflage: 70. 000 Stück. Zur Beruhigung der Lage hat das Magazin nicht beigetragen. Im Gegenteil: Vor allem im Kreis Böblingen ist angesichts der Veröffentlichung ein Sturm der Entrüstung losgebrochen. Und der reicht bis an die Spitze der Landkreisverwaltung.
Böblingens Landrat Roland Bernhard verkündete, er sei "stinksauer", weil er über die Veröffentlichung im Vorfeld nicht informiert worden sei. Wenn man im Kreis Böblingen Magazine verteile, müsse man die darin enthaltenen Formulierungen gemeinsam aussuchen, fordert Bernhard von Calws Landrat Helmut Riegger und bezeichnet die Veröffentlichung des HHB-Express als "unfreundlichen Akt", der das "über die vergangenen Monate mühsam aufgebaute Vertrauen" wieder zerstört und mehr Schaden als Nutzen erzeugt habe.
Bürgermeister fahren schweres Geschütz auf
Die dem Projekt seit jeher kritisch gegenüberstehenden Städte Weil der Stadt und Renningen sahen sich nach der Veröffentlichung des Magazins dazu genötigt, eine gemeinsame Pressemitteilung zu verfassen, in der die Bürgermeister Thilo Schreiber (Weil der Stadt) und Wolfgang Faißt (Renningen) schweres Geschütz gegen den Landkreis Calw und Landrat Helmut Riegger auffahren. Sie werfen dem Kreis Calw und Landrat vor, mit den in dem Magazin getroffenen Aussagen die Bürger bewusst täuschen zu wollen.
Das Magazin täusche vor, dass es zwischen den Kreisen Calw und Böblingen und den Städten Renningen und Weil der Stadt ein Einvernehmen zur Hesse-Bahn gebe. "Das Gegenteil ist der Fall", heißt es in der Pressemitteilung der beiden Städte. Die "erzielte Einigung" sei vielmehr gescheitert. Das – unter Beteiligung des Verkehrsministeriums – ausgehandelte "Papier für ein Stufenkonzept" stoße sowohl im Kreistag Böblingen als auch in den Gemeinderäten Weil der Stadt und Renningen auf Ablehnung und sei daher hinfällig.
Als "Falschdarstellung" bezeichnen die beiden Rathauschefs die Formulierung, dass sich die beiden Landkreise und die Anrainerkommunen im Kreis Calw die Kosten teilen werden. Es gebe dazu keinen Beschluss des Böblinger Kreistags – vielmehr zeichne sich dort eine Mehrheit gegen die finanzielle Beteiligung ab.
Eine Hermann-Hesse-Bahn bis Renningen sei nicht konsensfähig, fassen Faißt und Schreiber zusammen, die stattdessen eine Verlängerung der bestehenden S-Bahn-Linie 6 über Weil der Stadt hinaus bis Calw als "einzig richtige Lösung" bezeichnen.
Von der Intensität der Reaktion überrascht
Wie die Bürgermeister aus Renningen und Weil der Stadt kritisieren auch die vier Bürgerinitiativen gegen die Hesse-Bahn aus Malmsheim, Weil der Stadt, Ostelsheim und Calw, dass im HHB-Express davon gesprochen wird, dass das Projekt "beschlossene Sache" sei. Davon könne keine Rede sein, schreiben die vier Bürgerinitiativen in einem offenen Brief an Verkehrsminister Winfried Hermann, die beiden Landräte und den Böblinger Kreistag.
Es sei eine "dreiste Behauptung", wenn es in dem Magazin heiße, die Kosten würden sich auf 46 Millionen Euro belaufen. Das Verkehrsministerium habe bereits bestätigt, dass die Kosten über 60 Millionen Euro betragen würden. Gleich mehrfach sprechen die Initiativen von vorsätzlicher Täuschung durch den Landkreis und auch das Ministerium – etwa im Zusammenhang mit einer Elektrifizierung der Strecke und der Verlängerung der S 6 bis nach Calw.
Im Calwer Landratsamt zeigt man sich von der Intensität der Reaktionen aus dem Nachbarkreis überrascht. Man nehme sie zur Kenntnis und werde sie in der nächsten Ausgabe des Magazins aufarbeiten, so Anja Härtel, Sprecherin der Landratsamtes Calw auf Nachfrage unserer Zeitung. Man habe mit dem Blatt informieren wollen und keinerlei böse Absichten verfolgt. Den Vorwurf der Täuschung der Bevölkerung will man aber nicht auf sich sitzen lassen. In der Bröschüre gebe es keine falschen Fakten, ergänzt der verantwortliche Dezernent Andreas Knörle. So hätten die Bürgermeister aus Weil der Stadt und Renningen dem Stufenkonzept bei einem gemeinsamen Termin im Verkehrsministerium zugestimmt, betont der Dezernent.