Derzeit wird heftig über die künftige medizinische Ausrichtung des Calwer Krankenhauses diskutiert. Foto: Fritsch

Rege Diskussion über medizinische Ausrichtung diskutiert. Resolution verabschiedet.

Calw - Jetzt braucht es Dialog- und Kompromissbereitschaft: Die Stadt Calw will sich vor womöglich finalen Entscheidungen zur künftigen Ausrichtung des Krankenhauses Luft verschaffen. "Der Zeitplan ist viel zu knapp, um die Öffentlichkeit mitzunehmen", sagte Oberbürgermeister Ralf Eggert am Samstag.

Das tat der Calwer Rathauschef während der kurzfristig einberufenen Sondersitzung des Gemeinderats im Bauzentrum Kömpf, die von Dutzenden Zuhörern verfolgt wurde. Dazu eingeladen waren auch Mitglieder der Bürgerinitiative (BI) Krankenhaus Calw. Die Begeisterung und Freude über den geplanten Calwer Gesundheitscampus, für den unlängst die architektonischen Entwürfe ausgewählt wurden (wir berichteten), wird derzeit durch die Neufassung der "Medizinkonzeption – Szenario 2021" zum genannten Campus arg gedämpft.

Nicht kommuniziert

Zu groß ist die Angst, ein vollwertiges Calwer Krankenhaus zu verlieren, weil das neue Medizinkonzept 2021 entgegen der bisherigen Planungen den Verbleib der Orthopädie in Calw vorsieht sowie die Verlagerung der Neurologie an die Klinik in Nagold. Das würde bedeuten, dass es keine Basis- und Unfallchirurgie im 24-Stundendienst mehr an sieben Tage in der Woche geben würde, sondern in Calw nur noch zu den üblichen Tages-Dienstzeiten operiert würde (siehe "Info"). "Bei den Themen Neurologie und Orthopädie wurde vieles nicht kommuniziert, deshalb sind wir aktiv geworden", erläuterte Eggert das gemeinsame Schreiben der Stadtverwaltung und der BI an die Kreisräte, mit dem sie selbige bitten, dem veränderten Medizinkonzept nicht zuzustimmen (wir berichteten).

Chronisch unterfinanziert

Sorge bereitet auch die Zukunft der Gynäkologie, die trotz bundesweiter Vorbildqualität geschlossen werden könnte, weil sie chronisch unterfinanziert und defizitär ist. Stadt und BI sehen sie zur Versorgung junger Familien im ländlichen Raum allerdings als unverzichtbar an.

In der rund zweistündigen Sitzung machten sowohl die Vertreter der BI, unter anderem Bernd Neufang und Eberhard Bantel, als auch der OB deutlich, warum die Neufassung der Medizinkonzeption 2021 überdacht werden sollte. Diese weiche deutlich von bisherigen Zusagen des Landrats und Kreistags zur notfallmedizinischen Versorgung des nördlichen Landkreises ab. Nicht alles an dem Konzept sei schlecht, Gutes müsse man durchaus als gut bezeichnen. Die einschneidenden Veränderungen in der Notfallversorgung halten Gemeinderäte, BI und auch Zuhörer allerdings für unzumutbar. "Wir sollten uns auf die Notfallversorgung konzentrieren und die Emotionen rausnehmen, um einen richtigen, sachlichen Gesprächskanal zu finden", betonte Eggert.

Neufang betonte, dass ohne die Ärzte, die mobilisiert hätten werden können, keine qualifizierte Stellungnahmen, etwa zu den Gutachten Oberender und GÖK, möglich gewesen wären. Schließlich wird es immer komplexer, je mehr man bei der Gesundheitsversorgung und der Krankenhausfinanzierung ins Detail geht. Die Calwer Gemeinderäte wiederum sind der BI für ihr Engagement für eine gute Gesundheitsversorgung dankbar, wie am Samstag betont wurde.

"Die Orthopädie und die Unfallchirurgie sind eine Einheit", betonte Bantel, der jahrzehntelange Erfahrung als Notarzt besitzt. Würden die genannten Pläne umgesetzt, habe man wieder keine Vollabteilung mit Assistenzärzten sowie Ober- und Chefarzt und stehe erneut ganz am Anfang. Nicht alle Schwerpunkte dürften nach Nagold verlagert werden. Die Bevölkerung im nördlichen Landkreis habe ein Recht auf adäquate medizinische Versorgung wie jeder andere Patient im Kreis auch. Deshalb brauche es am Standort Calw eine Unfallbehandlung rund um die Uhr.

Möglichst in einem Haus

"Warum wird beim Medizinkonzept jetzt zurückgedreht? Geht es um die Kosten?", wollte Gemeinderat Jürgen Ott wissen. Wirtschaftliche Erwägungen seien bei der jetzigen Neufassung der Konzepts denkbar, so Eggert. Außerdem werde stets angestrebt, medizinisch möglichst viel in einem Haus zu bündeln.

Die Ratsmitglieder stellten sich schließlich in einer Art Resolution einstimmig hinter Stadtverwaltung und BI. Gemeinsam bitten sie um die Erweiterung des Klinikkonzepts: In den ohnehin vorhandenen Abteilungen (Innere und Chirurgie) solle die Notfallversorgung nicht nur montags bis freitags zwischen 8 und 16 Uhr möglich sein, wie vom Landrat zugesagt und vom Kreistag beschlossen, sondern rund um die Uhr in einer Akutklinik. Die bundesweit herausragende Gynäkologie und Geburtshilfe müssten erhalten bleiben.

Die Gemeinderäte sprachen sich ebenso einstimmig für den Vorschlag Eggerts aus, nach der Aufsichtsratssitzung der Kreiskliniken am Mittwoch das Gespräch mit Landrat Helmut Riegger zu suchen. Denn bereits am 23. April steht die Sitzung des Kreistags an, in der die Medizinkonzeption 2021 beraten und eventuell beschlossen wird.

Eggert möchte Zeit gewinnen, um wegen der Neufassung der Medizinkonzeption mit den Kreisräten zu sprechen und die Bevölkerung mit ins Boot zu holen. Für die Zukunft wünscht sich der Calwer Verwaltungschef, dass frühzeitig über solch gravierende Änderungen in der Gesundheitsversorgung im Kreis gesprochen wird.

Info: Neufassung der "Medizinkonzeption – Szenario 2021"

Das neue Medizinkonzept 2021 enthält einige gravierende Änderungen:

Neurologie: Diese soll entgegen der ursprünglichen Planung dem Standort Nagold zugeordnet werden. Damit liegt laut Calwer Gemeinderat und BI Krankenhaus Calw ein Abrücken des Landrats von seinem Versprechen, "in Calw können weiterhin Schlaganfälle behandelt werden", vor. Das Problem sei die zeitgerechte Versorgung von Schlaganfallpatienten. Hier gelte das Gleiche wie beim Herzinfarkt.

 Orthopädie/Chirurgie: Die Orthopädie verbleibt anders als bisher geplant in Calw. Vorgesehen ist aber nur Alterstraumatologie, Basis-, Allgemein- und Unfallchirurgie im Tagdienst (8 bis 16 Uhr) – nicht nachts und nicht an den Wochenenden. Damit würde eine orthopädische Fachklinik entstehen, die tagsüber durch Basischirurgie ergänzt werden soll. Demnach gibt keine Basis- und Unfallchirurgie rund um die Uhr mehr. Die mit zwei Assistenzärzten ab 16 Uhr besetzte Klinik führt nach 16 Uhr und an den Wochenenden in der Regel keine Notfall-Operationen mehr aus.

Innere Medizin: Nur noch eingeschränkte Behandlung von montags bis freitags zwischen 8 und 16 Uhr. Nur im Tagesdienst an den Werktagen gibt es einen Notfall-Linksherzkatheter. Die eingeschränkten Leistungszeiten gelten nun ebenfalls für die Gastroenterologie, Endoskopie und die Onkologie.

Gynäkologie/Geburtshilfe: Die Klinik ist gefährdet und soll wegen der chronisch defizitären Geburtshilfe geschlossen werden, sollte nicht bis Ende des Jahres ein ausgeglichenes Ergebnis unter dem Strich stehen. Der Kreistag hatte ursprünglich entschieden, das Defizit tragen zu wollen, um die Abteilung in Calw beizubehalten. Das Problem der Gewinnung von Hebammen und Ärzten ist nach Ansicht von Stadtverwaltung und BI Krankenhaus Calw stets gelöst worden und weiter lösbar.