Konzert: Jazz-Sisters Quartet tritt am Schießberg auf / Gänsehaut beim Publikum / Designerin eröffnet mit Filmen
Wenn das folgende Urteil auf manchen Leser schlicht und einfach wirken könnte, drückt es doch Lob auf höchster Ebene aus: Dieses Konzert war wunderbar. Den Zuhörern gefiel die musikalische Darstellung des Jazz-Sisters-Quartets sowie deren Authentizität.
Calw. Dem Jazz-Sisters-Quartet, dieser Vier-Frauen-Band aus Frankfurt, gelang es durch mehrstimmigen Gesang beim Publikum für ein Gänsehautgefühl zu sorgen. Ein Herr gab im Gespräch fast verschämt zu, emotional berührt worden zu sein. Dies geschah, als die vier Freundinnen "Be still my heart" der norwegischen Jazz-Sängerin Silije Nergard auf eine Weise interpretierten, die mitten ins Herz traf.
Das Quartett hat zu 100 Prozent gehalten, was es selbst im Vorfeld angekündigt hatte. Die Vier spielten eine Sammlung eigener Lieblingslieder, von denen jedes einzelne eine Geschichte zu erzählen wusste. Immer verlieh die warme und wandlungsfähige Stimme von Juliane Schaper im Zusammenspiel mit Katrin Zurborg an der Gitarre, Nina Hacker am Kontrabass und Uta Wagner am Schlagzeug jedem Song einen ganz eigenen Klang. Mal kraftvoll, mal einfühlsam, mal leise, mal temperamentvoll – vom Ohr direkt ins Herz.
Die Organisatorin Sibylle Körholz erzählte, dass drei der vier Damen an derselben Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar studiert haben, an welcher auch der "Jazz am-Schiessberg"-Macher Urs Johnen ausgebildet wurde.
Sängerin stellt jede Situation gekonnt dar
So kam es zu diesem Stelldichein in der Hesse-Stadt. Mit "Dingen, die wir gerne mögen", wie Leadsängerin Schaper es ausdrückte, zauberten die Musikerinnen Töne, Melodien, Harmonien und Frequenzen hervor; wohlige Gefühle füllten den Raum.
Die musikalische Reise, wie Schaper das Programm ankündigte, startete mit einem Flug aus der Zeit des 1960er-Jahre-Jazz ("Come fly with me"), führte über das eigenwillig interpretierte "Leavin’ on a jet plane" direkt zu einem Stück, was an Roger Cicero erinnerte. Dieser viel zu früh verstorbene Sänger spielte mit der Jazzpianistin Julia Hülsmann "Riverman" ein. Auch hier: Gänsehaut-Feeling.
Die Jazz Sisters musizierten stets auf gleicher Höhe. So wurde die gemeinsame Schönheit in den Klangfarben deutlich. Nur ein einziger Kritikpunkt wurde hörbar. Weil sich das Vierstimmige so schön anhörte, wünschte man sich als Zuhörer mehr von diesen gemeinsam intonierten Passagen.
Natürlich ohne die Sangeskunst von Schaper zu schmälern. Denn diese war bei allen 17 Songs des satten, zweistündigen Programms stets präsent. Sie wusste jede Situation, von innen heraus geleitet, gekonnt darzustellen. Nicht nur die sanfte, warme, kristallklare und stets präzise Stimme – auch die jeweils passende Mimik und Bewegung zum Erzählten stimmte.
Nicht minder die Leidenschaft, mit der die Gitarristin Zurborg auch schon mal mit geschlossenen Augen ihre Finger über die Bünde und Saiten gleiten ließ. Knisternde Spannung und Aufmerksamkeit erfüllte den Saal, als sie zu "Get here" mit ihrem Gitarrenintro einsetzte. Wie bei allen Soli genoss man die ein- und dennoch unaufdringliche Lautstärke. Ganz groß das "Jockey full of bourbon" von Tom Waits, bei dem der Band am Ende ein vortreffliches Fadeout gelang.
Gemeinsame Urlaube stärken die Freundschaft der Frauen
"This boots are made for walking" war nur ein weiterer vieler Höhepunkte. Stets standen die vier Frauen wie in einer magischen Verbindung zueinander. Musikalisch ohnehin, so als ob die eine ohne die andere nicht sein sollte. Kein Wunder; gemeinsame Urlaube, wie jener neulich in den Vogesen, stärke Freundschaften. So lächelten sie sich immer wieder zu und hatten sichtlich Spaß. Ob beim Bossa Nova, einem französischen Chanson oder einer Ballade. Da 80 bis 90 Prozent aller Lieder von der Liebe handeln, war es folgerichtig, dass mit der Zugabe eine zu Ende gehende Liebe thematisiert wurde.
Eröffnet wurde der Abend von der Calwer Kommunikationsdesignerin Ilona Trimbacher. Die am Hesse-Platz residierende Inhaberin der "Studio Zeichnerei 6" überraschte mit drei kleinen Kurzfilmen und verschaffte so dem Abend einen Einstieg, der zum Nachdenken anregte. Durch die künstlerische Visualisierung entdeckte manch einer das Ringelnatz-Gedicht "Die Seifenblase" neu.