Das Kloster Hirsau heute. Foto: Würfele

"Sagenhafte Heimat": Alles begann mit dem Säugling in einer alten Mühle. Die Kaiserin tat wie ihr befohlen.

Calw-Hirsau - In der Form einer Sage erzählt Hartmut Würfele aus Calw die Geschichte, die zum Bau des Klosters Hirsau führte.

 

Es war im Jahre 1024, Konrad II., ein Franke, war römischer Kaiser. Unter seiner Herrschaft wurden alle getötet, die den Landfrieden brachen. Der schwäbische Graf Leopold von Calw missachtete diese Weisung und floh deshalb, als der Kaiser ins Land kam, mit seiner Gemahlin in eine leer stehende Mühle, nicht weit vom Kloster Hirsau entfernt.

Da geschah es, dass der Kaiser zufällig in dieser Gegend jagte und in die Nähe der Mühle kam. Der Graf erkannte den Kaiser und verließ heimlich seine Frau, die in Kindsnöten lag, und versteckte sich im Wald. Der Kaiser hörte die Gräfin in ihren Wehen schreien und vernahm dreimal eine Stimme, die sagte: "Dieses Kind, o Kaiser, wird dein Tochtermann und Erbe werden."

Darüber erschrak der Kaiser, denn er dachte die Frau wäre eine Bäuerin. Er sann, wie er dem zuvorkommen könne, dass seine Tochter einen Bauern als Mann bekommen würde. Er schickte zwei Diener in die alte Mühle, dass sie den Knaben töteten und ihm als Beweis das Herz des Kindes brächten. Die Diener entrissen zwar der Mutter das Kind, hatten aber Mitleid mit ihm und fürchteten Gottes Zorn. Sie wollten das Kind nicht töten, denn es war ein gar hübsches Knäblein. Sie legten es auf einen Baumstumpf, damit es vor den Tieren des Waldes sicher war. Dann fingen sie einen Hasen, rissen diesem das Herz aus dem Leib und brachten es dem Kaiser, der sie reichlich dafür beschenkte.

In dieser Zeit jagte auch Herzog Heinrich von Schwaben im Schwarzwald. Er fand das Kindlein mutterseelenallein im Wald liegend, nahm es mit und brachte es seiner Gemahlin. Diese konnte keine Kinder bekommen und ließ sich deshalb von ihrem Mann überreden, das Kind als ihr eigenes auszugeben. Sie tat dies gern, stellte sich als Wöchnerin, legte sich ins Bett und ließ verbreiten, sie habe einen Sohn geboren. Der Junge wurde getauft und erhielt den Namen Heinrich, und alle hielten ihn für den jungen Herzog von Schwaben. Das Kind wuchs gut heran und der Kaiser ließ den Jüngling oftmals an den Hof kommen, da er klug, weise und wohlerzogen war.

Nun geschah es, dass dem Kaiser eine Verleumdung zu Ohren kam, der junge Herr wäre nicht ein rechter Herzog von Schwaben, sondern ein Findelkind. Mit der Zeit schien dem Kaiser dies immer mehr glaubhaft, denn die Herzogin galt zuvor stets als unfruchtbar und von einer Schwangerschaft war auch nichts bekannt geworden. Wie er nun das Alter des Knaben nachrechnete, verstärkte sich sein Verdacht, es könne am Ende das Kind sein, von dem jene Stimme in der Waldmühle geweissagt und welches er zu töten befohlen hatte.

Mit einem Brief an dieKaiserin nach Aachen

Deshalb wollte er abermals dem vorbeugen, dass Heinrich nicht seiner Tochter Mann würde, und schickte ihn mit einem Brief an die Kaiserin nach Aachen in dem er ihr befahl, wenn ihr Leib und Leben lieb wären, den Überbringer des Briefes töten zu lassen. Den Brief gab er dem jungen Herzog und befahl ihm, dass er diesen der Kaiserin aushändigen solle und niemand anderem.

Mit dem Brief machte sich der junge Herzog frohen Mutes auf den Weg und ahnte nicht, was ihm drohte. Unterwegs kehrte er bei einem gelehrten Wirte ein und vertraute diesem zur Sicherheit seine Tasche mit dem Brief an, bevor er sich zur Ruhe begab. Die Neugier trieb den Wirt an, den Brief an den Kaiser ohne das Siegel zu verletzten, zu öffnen und zu lesen. Dabei erkannte er in welcher Gefahr der Jüngling schwebte. Sogleich war er entschlossen ihm zu helfen. Dort wo er geschrieben fand, dass die Kaiserin den Boten töten soll, schrieb er, dass die Kaiserin dem Überbringer des Briefes unverzüglich ihre Tochter zur Gemahlin gäbe. Daraufhin schloss er den Brief mit dem Siegel wieder sauber. Als die Kaiserin den Brief erhalten hatte, tat sie sogleich, wie ihr darin befohlen war, und gab Heinrich ihre Tochter zur Frau.

Bald hörte der Kaiser davon, was ihn sehr zornig machte. Als er aber bei dem Herzog von Schwaben und anderen Rittern und Knechten nachforschte und erfuhr, dass die edle Gräfin von Calw den Säugling in der alten Mühle geboren hatte und er sich an die damalige Stimme erinnerte, die ihm geweissagt hatte, rief er aus: "Nun merk ich wohl, dass Gottes Ordnung niemand hintertreiben mag!", und ernannte seinen Tochtermann, den ihm das Schicksal bestimmt hatte, zum Herzog von Alemannien.

Nach dem Tode Konrads wurde Heinrich deutscher König. Er stiftete und baute hernach das Kloster Hirsau an der Stelle, an der die Mühle stand, in der er geboren worden war.