Bei einem weiteren Missbrauchsprozess am Tübinger Landgericht hat der Angeklagte die Vorwürfe eingeräumt. Foto: M.Bernklau

Vater von sechs Kindern geständig. Religion hindert 61-jährigen Familienvater nicht an zahllosen Übergriffen.

Tübingen/Oberes Nagoldtal - Seine Kirche hat ihn ausgestoßen. Der 61-jährige Vater von sechs eigenen Kindern ist geständig. 200 Fälle von Missbrauch an zehn Kindern werden ihm vor dem Landgericht Tübingen vorgeworfen. Zehn Tage war er in Freiheit, nachdem er knapp drei Jahre Haft in Rumänien abgesessen hatte.

Ob Mädchen oder Jungen war egal. Pädophil sei er nicht, sagte der Angeklagte. So ab Beginn der Pubertät wurden sie interessant für ihn. Geradezu gewohnheitsmäßig missbrauchte er seit 1999 Kinder, darunter auch seinen rumänischen Pflegesohn, auf unterschiedlichste Arten, "nur zur Lustbefriedigung", wie er einräumte. Als Gruppenleiter bei den Pfadfindern, auch als Religionslehrer seiner Kirche griff er zu, wo immer sich Gelegenheit bot.

Keine Zuneigung, nur Bedürfnisbefriedigung

Die 1977 im Rahmen der Kirche geschlossene Ehe sei sexuell keineswegs unbefriedigend gewesen, beteuerte der Mann. Das erste Kind, eine Tochter, starb kurz nach der Geburt.

Den Beginn seiner Übergriffe brachte er aber eher damit in Verbindung, dass sein Arbeitgeber ihn im Jahr 2004 aus Gesundheitsgründen zum Frührentner ausgemustert hatte. Das Geld wurde knapper für die große Familie und das noch nicht abbezahlte Haus. "Depressionen" habe er bekommen.

Die eigene Kindheit als Sohn einer alleinerziehenden Mutter mit mehreren Halbgeschwistern in Bremen, zeitweise auch in Pflegefamilien, muss zwar schwierig gewesen sein. Der Angeklagte deutete Gewalt und Missbrauch durch die unterschiedlichen Partner seiner Mutter an. Heftige homosexuelle Erfahrungen in der Pubertät unter seinen gleichaltrigen Kameraden habe es auch gegeben. Das habe ihn aber nicht dauerhaft geprägt, sagte der Mann. Zudem habe die Religionsgemeinschaft "Homosexualität nicht toleriert".

Aus Hilfsaktionen für rumänische Waisenkinder seit mehr als 20 Jahren habe sich dann auch ein Verhältnis zu einem Jungen entwickelt, das 2014 zu seiner Verhaftung und Verurteilung in Rumänien führte. Zuneigung sei es eher nicht gewesen, nur Bedürfnisbefriedigung. Und Geld habe eine Rolle gespielt, freiwillige Zuwendungen seinerseits, sagte der 61-jährige. Zu vier Jahren Haft verurteilt, habe er nach knapp drei Jahren nach Deutschland zurückkehren können. Seine Frau, seine Familie habe ihn wieder aufgenommen, obwohl die hiesigen Vorwürfe schon im Raum standen und nach zehn Tagen zu seiner neuerlichen Verhaftung führten. Er sei "nicht auf Jagd gewesen" und sehe die Fälle inzwischen auch als schlimme Verfehlungen, die er bereue. "Aber damals habe ich das nicht so bedacht", sagte der Mann.