Vortrag: Nordkorea ist Thema bei der Calwer Volkshochschule / Journalist reist oft in das asiatische Land
Abgeschottet, einen übergewichtigen Machthaber und Atomwaffentest. Auf diese Stereotypen reduziert sich oft das Bild von Nordkorea. Dass das aber auch anders sein kann, und welche Leistung das Regime vollbrachte, erklärte jetzt der Journalist und Experte Martin Benninghoff in Calw.
Calw. Dass der nordkoreanische Diktator Kim Jong-un in seiner Jugend Deutsch lernte, haben wohl nur die wenigsten Zuhörer in der Calwer Volkshochschule (VHS) gewusst. Ja, der Machthaber aus Fernost habe als Junge mehrere Jahre lang ein Internat in der Schweiz besucht, erzählt der Journalist und Nordkorea-Kenner Martin Benninghoff. Wie gut der 36-jährige Alleinherrscher die Fremdsprache heute noch beherrscht, könne man allerdings nicht in Erfahrung bringen. "Aber es ist davon auszugehen, dass er Deutsch gelernt hat."
Es sind ganz konkrete Kleinigkeiten, die den Vortrag in Calw interessant machen. "Der Spieler – Wie Kim Jong-un die Welt in Atem hält", heißt das 2019 erschienene Buch Benninghoffs. Mehrfach war der Redakteur der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" in den vergangenen Jahren in das von der Außenwelt fast vollständig abgeschottete Land gereist. Auch im April wollte er eigentlich wieder aufbrechen, doch daraus wird wohl nichts – wegen des Coronavirus. "Aktuell ist Nordkorea komplett dicht", sagt Benninghoff.
Wenige Länder der Welt machen es Beobachtern und Journalisten derart schwer, das Land zu bereisen – und sich dabei ein eigenes, ungeschminktes Bild zu machen. Dies sei denn auch der Grund, dass den Menschen im Westen bei der Beurteilung des kommunistischen Landes mitunter "die Fantasie durchgeht". Weil so wenig zu erfahren sei, mache eben auch manche "Räuberpistole" die Runde. "Die Datenlage ist eben sehr schwierig."
Viel Spott für den Machthaber
Zugleich werde über kein anderes Land der Erde laut Benninghoff derart viel gespottet wie über Nordkorea, der Herrscher Kim Jong-un mitunter als schlichtweg Verrückter mit Betonfrisur abgetan. Doch bei genauem Hinsehen komme man zu einem differenzierteren Urteil. "Was absolut erstaunlich ist", so Benninghoffs Fazit, "ist die Tatsache, wie langlebig das Regime ist." Es habe schon schlimmste Krisen überstanden, wie etwa die schwere Hungersnot in den 1990er-Jahren. "Doch das Land hält sich" – nicht zuletzt durch eine lückenlose Indoktrination der Bevölkerung und einem ausgetüftelten Polizeistaat.
Im Vergleich zu den dunklen 1990er-Jahren, als sein Vater Kim-Jong-il regierte, habe der seit 2011 herrschende Kim Jong-un "sogar so etwas wie einen kleinen Wohlstand geschaffen". Noch in den 90er- Jahren hätten "hungernde Kinder Gras gegessen", im Vergleich zu diesen dunklen Zeiten, gehe es denMenschen "einigermaßen gut", wobei die Betonung auf "einigermaßen" liegt. Auch das Festhalten des Landes an dem weltweit kritisierten Atomprogramm erklärt Benninghoff: Der Besitz von Nuklearwaffen betrachte Pjöngjang als "Überlebensgarantie". Solange das Land mit Atomwaffen drohen könne, wagten selbst die USA keinen militärischen Angriff, so die Strategie des Diktators.
Die Zukunft ist schwer vorherzusagen
Und wie geht es weiter mit dem Land, will man wissen? Hier muss auch der Nordkorea-Kenner Benninghoff passen. Noch vor einigen Jahren habe er die Hoffnung gehabt, dass "der Neue" eine Öffnung und eine Reformpolitik wie in China einleiten würde, bekennt Benninghoff. Doch das sei nicht eingetreten. Allerdings müsse man Kim Jong-un eines zugestehen: "Er hat es als erster Präsident Nordkoreas geschafft, einen US-Präsidenten an den Verhandlungstisch zu bringen."