Mit großem Aufwand wurden die Steinkrebse umgesiedelt.Archiv-Foto: Kunert Foto: Schwarzwälder Bote

Hermann-Hesse-Bahn: Nach Wildberg umgesiedelte Tiere sind aktuell nicht mehr nachweisbar

Schon wieder scheint die Hermann-Hesse-Bahn Probleme mit dem Natur- und Umweltschutz zu haben – obwohl sie sich diesen, spätestens seit der großen Fledermausdiskussion, selbst groß auf die Flagge geschrieben hatte. Die Umsiedlung der seltenen Steinkrebse nämlich sei nicht so erfolgreich gelaufen wie gewünscht, erzählt Projektleiter Michael Stierle – und trotzdem wurde die Krebsumsiedlungsaktion auf der Website der Bahn lange Zeit als Erfolg gefeiert.

Kreis Calw. Die neben den Fledermäusen häufig vergessenen Steinkrebse lebten jahrelang im "Hau" nahe der Kaserne. Ihr Lebensraum soll mit dem Bau der neuen Bahn aber wieder als Entwässerungsrinnen neben den Schienen dienen, weshalb die geschützten Tiere vom Landkreis Calw umgesiedelt werden sollten. Der Kreis prüfte 180 Gewässer und siedelte, nach einer Testphase, schließlich insgesamt 50 Tiere nach Schwarzenbach bei Wildberg um. Diese 50 Krebse seien laut Stierle heute aber dort nicht mehr eindeutig nachweisbar. Das sei zwar nicht unbedingt ein alarmierendes Zeichen oder ein Todesbeweis, aber stimme die Behörden auch auf keinen Fall glücklich. Man könne im Moment noch nicht nachvollziehen, was mit den Krebsen passiert sei, ob es womöglich doch Fressfeinde im Gewässer gab oder die Tiere zum Beispiel durch die Strömung an eine andere Bachstelle geflutet worden seien.

Laut der beteiligten Biologen sei es aber nicht außergewöhnliches, wenn kleine Populationen für einige Jahre verschwinden, da besonders kleine Tiere bei Kontrollen teilweise nicht immer sichtbar seien.

Unabhängig vom Verschwinden der 50 umgesiedelten Tiere, habe sich jetzt aber sowieso eine ganz andere Lösung für die geschützten Steinkrebse ergeben. Durch einige Veränderungen in der technischen Planung und im Untergrund der Entwässerungsrinnen wäre es möglich die Steinkrebse in ihrem ursprünglichem Lebensraum zu belassen. Statt einer klassischen Rinne, werde der zukünftige Entwässerungsgraben sich einem naturnahem Lebensraum annähern und auch reichlich Unterschlupf für die Krebse bieten. Die Bahn würde auch darauf achten, dass keine Unkrautvernichtungsmittel oder ähnliches in die Gräben gelangt, sondern ausschließlich Regen- und Grundwasser. Die gleichzeitige Nutzung ihres Zuhauses als Regenrinne und die räumliche Nähe zur Bahnstrecke würde den Krebsen dabei nicht schaden.

Es musste schnell etwas getan werden

Im Moment leben die meisten Steinkrebse aber sowieso weder in den neuen Umsiedlungsgebieten, noch neben der Kaserne. Da die Entwässerungsrinnen, die dank einer kleinen Quelle auch als kleiner Bach gelten, nach dem Rekordsommer 2018 fast vollständig austrockneten, musste damals schnell etwas für die Krebse getan werden – sie wurden vom Kreis zwangsevakuiert. Während der Baumaßnahmen hätte man sowieso einen Zwischenaufenthalt finden müssen, erklärt Stierle, durch die Zwangsevakuierung sei das aber viel schneller passiert. Die kleinen Klimaflüchtlinge leben jetzt, unter anderem in der Wilhelma, einer Rinne der Uni Hohenheim und in einer lokalen Fischzucht. Nach Beendigung der Baumaßnahme sei aber geplant, die Steinkrebse entweder vollständig oder teilweise wieder in ihren natürlichen Lebensraum am "Hau" zurückzubringen.

Erfolg für den Artenschutz?

Jedoch wird auf der Internetseite der Hermann-Hesse-Bahn immer noch von der Umsiedlung als Lösung gesprochen – und als Erfolg gefeiert. Hier heißt es "Die Umsiedelung war erfolgreich, der Aufwand hat sich gelohnt. Die Tiere werden sich im neuen Zuhause naturgemäß bewegen, ausbreiten und fortpflanzen können." Stierle begründet die Verbreitung dieser Fehlinformation damit, das die Website im Tagesgeschäft nicht Priorität habe. Man sei mit den laufenden Baumaßnahme beschäftigt, es gäbe auf der Website einige veraltete Informationen. Und so feiert die Hermann-Hesse-Bahn die Umsiedelung der Steinkrebse jahrelang als Erfolg für den Artenschutz, obwohl die meisten Zuständigen bereits seit längerem wissen, dass dieses Projekt keinesfalls wie geplant und auf der Internetseite beschrieben ausgeführt wurde.

Den Fledermäusen hingegen gehe es noch gut, erzählt Stierle. Neben der "Tunnel im Tunnel"-Lösung ginge auch die Umsiedelungsaktion des Maßnahmenpakets gut voran.