Das Coronavirus hat auch die Hesse-Stadt im Griff. Das sieht man sogar der Statue an. Foto: Stöß Foto: Schwarzwälder Bote

Coronavirus: Oberbürgermeister Florian Kling spricht über die Ereignisse der vergangenen Wochen

Gerade einmal drei Monate ist Florian Kling im Amt, als eine so nicht gekannte Krise über ihn und die Stadt hereinbricht. Wochenlang hat die Corona-Thematik ihn fest im Griff. Nun kann der Oberbürgermeister so langsam wieder durchatmen.

Calw. Es ist Freitag, der 6. März. OB Kling hält mit seinen Fachbereichsleitern in einem Hotel fernab von Calw eine Klausurtagung ab. In der Stadtkirche wird Hunderten Menschen im Rahmen der Vesperkirche Essen gereicht. Der Veranstaltungskalender für das kommende Wochenende ist vollgepackt: Jazzfrühstück, der Festakt zum 100-jährigen Bestehen des 1. FC Altburg, ein Konzert der Musikschule. Noch ahnt niemand, dass es das erste Wochenende von vielen werden wird, an dem gar nichts stattfindet. Doch dann erreicht Kling der Anruf des Landrats Helmut Riegger. Das Coronavirus hat den Kreis Calw erreicht.

Nun gilt es für Kling, eine ganze Reihe ungemütlicher Entscheidungen zu treffen. Zunächst muss er unter anderem die Vesperkirche und das Vereinsjubiläum absagen. "Damals hatte kaum jemand Verständnis dafür", sagt er. Dennoch ist der 33-Jährige rückblickend froh, so gehandelt zu haben.

Einen Plan für sein Handeln gab es nicht. Ebensowenig wie einen Krisenstab oder irgendeine andere Art von Anhaltspunkt, wie in einer solchen Situation zu verfahren ist. Im Februar habe Kling noch bei einem Besuch im Innenministerium vorgeschlagen, Calw zur Modell-Stadt für Krisenprävention zu ernennen. "Und Zack – zwei, drei Wochen später stecken wir völlig unvorbereitet in der Krise", schmunzelt Kling über den Zufall.

Innerhalb weniger Tage hat der OB einen "Verwaltungsstab Corona" eingerichtet – mithilfe von Handbüchern und Informationen aus dem Internet. In den ersten Sitzungen erlassen Kling und seine Mitarbeiter reihenweise Einzelverfügungen, um Veranstaltung um Veranstaltung zu canceln. Weder vom Bund noch vom Land hatte es zu diesem Zeitpunkt handfeste Anweisungen gegeben.

Dicht gedrängt vor Cafés

Als die Verordnung schließlich kam, habe man sich quasi "selbst überholt". "Wir waren früh dran im Landkreis", meint Kling. Dabei richtet sich sein Lob auch an das Gesundheitsamt, das früh und umfangreich auf das neuartige Virus getestet habe. "Deshalb sind wir noch relativ gut weggekommen", verweist er auf die abflachende Kurve der Fallzahlen. "Das gibt Grund zur Hoffnung."

Zwischenzeitlich machte der Verwaltung aber vor allem das schöne Frühlingswetter zu schaffen. Das lockte die Bürger hinaus, wo sie oftmals dicht gedrängt vor Cafés Platz nahmen. Auch das wurde schlussendlich untersagt. Damit der städtische Vollzugsdienst bei den Kontrollen überhaupt noch hinterherkommt, bekommt er Unterstützung von Streetworkern des Stadtjugendreferats. Froh ist der OB auch über das Engagement von Ehrenamtlichen rund um Pfarrer Sebastian Steinbach, die selbstständig ein Nachbarschaftsnetzwerk aufgebaut haben. Das habe ihm viel Arbeit erspart.

Ende März begann die Stadt, selbst Desinfektionsmittel herzustellen und auf eigene Faust für Mundschutze zu sorgen. Inzwischen sind rund 1000 Liter Desinfektionsmittel an Berufsgruppen, die viel mit Menschen zu tun haben, ausgegeben worden. "Ich bin so happy, dass das funktioniert hat", meint Kling.

Deutlich entspannter

Obwohl sich die Nachrichten zeitweise regelrecht überschlagen haben, "waren wir nie zu spät dran", berichtet er stolz. Selbst als die Schließungen von Schulen und Kindergärten absehbar waren, habe man ein Schreiben vorbereitet und das Ganze dann schließlich ohne zeitliche Verzögerung über die Bühne bringen können. Dabei habe Kling immer die zeitnahe Kommunikation der Neuigkeiten im Fokus gehabt – beispielsweise per Homepage und Facebook. Letzteres generierte wiederum eine Menge neue Arbeit, weil "unter jedem Beitrag 1000 Fragen und Kommentare kommen", sagt der OB überspitzt. Hierbei sei es wichtig gewesen, zwischen Diskussion und wirklicher Frage zu unterscheiden. "Es war schon cool, aber auch anstrengend", resümiert der 33-Jährige.

Inzwischen geht es bei ihm wieder deutlich entspannter zu. "Krisenroutine", nennt er es. Kling habe ein ruhiges Wochenende hinter sich und könne sich auch wieder etwas früher in den Feierabend verabschieden. "Jetzt müssen wir andere Dinge aufarbeiten, die in den vergangenen Wochen hinten angestellt wurden", meint er. Beispielsweise die Vorbereitung von (virtuellen) Gemeinderatssitzungen. Oder das Kümmern um den neuen Familienzuwachs im Hause Kling-Scheuren: einen kleinen Kater.